Konservative USA: A Grand New Party: Trumps hat die Republikanische Partei demontiert

Früher war alles besser, heißt es. Innerhalb der alten republikanischen Garde dürfte der Satz Hochkonjunktur haben. Schließlich ist die Grand Old Party nicht wiederzuerkennen. Fragt sich nur, ob der Konservatismus an oder mit Donald Trump zu Grunde geht.

Wer soll ihn noch aufhalten? Spätestens nach dem Super Tuesday ist klar: Zumindest aus der eigenen Partei niemand mehr. Nachdem sich mit Nikki Haley auch das letzte bisschen Konkurrenz der Naturgewalt Donald Trump gebeugt hat, steht die Neuauflage des Duells der Greise im Herbst an. 

Angesichts des unsäglichen Chaos, das Trump nach seiner ersten Amtszeit hinterlassen hat, dürfte seine Gegner eine Frage nicht loslassen: Wie konnte es nur so weit kommen – schon wieder?

Doch nicht nur die Demokraten fürchten sich vor dem Wahltag am 5. November. Der tiefe politische Graben teilt das Land schließlich nicht nur in Links und Rechts. „Donald Trump ist nicht repräsentativ für die Republikanische Partei, in die ich mich verliebt habe“, heißt es auf der Website der Organisation „Republican Voters Against Trump“, auf der Hunderte enttäuschte Konservative ihr Leid klagen. Es sind Amerikaner, die ihr Leben lang stolz darauf waren, konservativ zu sein und nun ihre politische Heimat verloren haben.

Ob Trump am Ende die Ursache oder nur das Symptom einer neuen Rechten war, ob der Konservatismus mit oder an Donald Trump zu Grunde geht? Das wird die Geschichte zeigen. Fest steht aber: Mit seiner MAGA-Bewegung hat der 77-Jährige die Republikanische Partei entzweigerissen. Nicht nur viele Wähler, sondern auch Amtsträger erkennen ihre Grand Old Party nicht wieder. Infobox US-Wahl-NL

Die Geister, die Donald Trump rief

Es hielt nur kurz an, das Aufatmen nach Trumps widerwilligem Auszug aus dem Weißen Haus. Denn der Wahlverlierer hatte 2020 weit mehr hinterlassen als orangefarbene Flecken auf Geheimdokumenten. Er ging, seine Jünger blieben. Dutzende rechte Ultras wie Verschwörungstheoretikerin Marjorie Taylor Greene oder Rechtsextremist Matt Gaetz, die Trump als Kampfhunde dienen – so wild, dass ihr Herrchen sie nicht immer zügeln kann. Trump selbst bekäme den Dschinni nicht mehr in die Flasche gestopft, selbst wenn er es wollte. Misstrauen, Kompromisslosigkeit, ja sogar offener Hass, all das ist längst Werkseinstellung geworden. Demokraten sind keine Rivalen mehr, sondern Feinde. Und wer aus der eigenen Partei mit dem Feind verhandelt, ist ein Verräter. 

„Ein sehr großer Teil meiner Partei glaubt wirklich nicht an die Verfassung“, zitierte „The Atlantic“ im Oktober vorab aus der Biographie des ehemaligen Obama-Herausforderers Mitt Romney. Ein Satz, den ein Republikaner der alten Schule wohl nie hätte glauben können, eines Tages sagen zu müssen. Die trumpsche Hetze folgt dem Prinzip Hitradio: Genau wie ein Sender dieselben Chartsongs immer wieder auf die Ohren der Zuhörer presst, bis müdes Gefallen einsetzt, beschallen der Ex-Präsident und sein Hofstaat die republikanische Wählerschaft mit den immer gleichen Lügen. Irgendwann wird aus Skepsis Gewohnheit. Und aus Gewohnheit Zustimmung. Gaben im erzkonservativen Staat Iowa laut NBC 2016 nur fünf Prozent der Bürger an, Trump teile ihre Werte, sind es heute 43 Prozent. 

Selbst Trumps ehemaliger Vize und kurzzeitiger Präsidentschaftskandidat Mike Pence läutete deswegen (wenn auch reichlich spät) die Alarmglocken: „Werden wir die Partei des Konservatismus sein – oder werden wir dem Sirenengesang des Populismus folgen, der sich von konservativen Grundsätzen gelöst hat?“

Vielleicht ist es längst zu spät. Super Tuesday 06.26

Mitch McConnell – das letzte bisschen Reagan tritt beiseite

Bräuchte es für diesen „Verfall der Sitten“ ein Symbolbild, wäre es vermutlich der Abgang von Mitch McConnell. Das konservative Urgestein hatte vergangene Woche erklärt, seinen Posten als Minderheitsführer der Republikaner im Senat nach den Wahlen räumen zu wollen. Nun ließe sich sagen: Wer will es dem Mann verdenken? McConnell ist 82 Jahre alt und machte zuletzt mit unangenehm anzusehenden Aussetzern von sich reden. Zu wissen, wann Schluss ist, das sei schließlich „eines der am meisten unterschätzten Talente im Leben“. 

Doch McConnells Beiseitetreten ist weit mehr. Er markiert einen Wendepunkt für die Republikaner im Senat, eine unausgesprochene Staffelübergabe an die neue Rechte, die die andere Kongresskammer, das Repräsentantenhaus, schon lange im Würgegriff hat. Die gemäßigten Senatoren unter McConnell waren der leise Nachhall der Reagan-Ära, der scheidende Fraktionsführer selbst die Verkörperung einer aus republikanischer Sicht „guten, alten Zeit“, als das Land noch geeint war im Kampf gegen die „böse“ Sowjetunion. McConnell, ob Fossil oder nicht, war auf dem linken Ohr nie taub. Im Gegensatz zu den ultralauten Ultrarechten der Partei wagte er es, das Gespräch zu suchen. Nicht aus linker Sehnsucht, sondern aus rechtem Pragmatismus. 

Trotzdem wird McConnell auch als einer der Männer in die Geschichte eingehen, der Trump und seinen Jüngern Tür und Tor geöffnet hat. Wie so viele moderate und konservative Parteikollegen hatte auch er den schillernden Immobilienmogul aus New York als unerfahrenen Emporkömmling abgetan und sträflich unterschätzt. Heute muss er mitansehen, wie die Partei, der er sein Leben gewidmet hatte, von innen heraus zerfällt. Ironie des Schicksals, war McConnell doch einst dem folgenschweren Irrglauben aufgesessen, Trump als Werkzeug missbrauchen zu können. 

Die neuen Wilden kommen

„Ich habe schon 2016 gesagt, dass es 25 Jahre dauern würde, bis die Partei ihn wirklich loswerden würde […]. Jetzt weiß ich nicht, ob ich ihr genug Zeit gegeben habe“, zitiert CNN die Trump-Gegnerin Jennifer Horn, eine ehemalige Vorsitzende der Republikanischen Partei in New Hampshire.

Trump als Figur, als Phänomen hat Kultstatus erreicht, wortwörtlich. Wer sich nicht wie eine Motte an seinem Licht orientiert, hat keine Chance. Das widerspricht massiv republikanischem Denken. Zwar gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder starke Leitfiguren. Die Partei stand allerdings immer an erster Stelle. Sie verkörperte seit Dwight D. Eisenhowers Präsidentschaft in den 1950er und 60er Jahren eine USA mit internationalem Führungsanspruch, als Schirmherr einer westlichen Wertegemeinschaft. Mit Trumps „America First“-Doktrin endete die Tradition – aus „Wir“ wird „Ihr“. 15 der 17 republikanischen Senatoren, die seit 2018 gewählt wurden, haben zuletzt gegen weitere Ukraine-Hilfen gestimmt, twitterte der republikanische Senator Eric Schmitt aus Missouri. Die republikanische Ära des Isolationismus hat begonnen. Trump Running-Mates9:01

Die GOP ist zudem längst nicht mehr der elitäre Club, der seine hochwohlgeborenen Mitglieder in verrauchten Hinterzimmern ausklüngelt. Erfahrung, die vor allem unter Konservativen lange als gewichtigste Eigenschaft für die Spitzenpolitik galt, hat nicht nur massiv an Wert verloren, sondern gilt inzwischen nahezu als Makel. Wer lange dabei ist, der ist von der Macht korrumpiert, ist Teil des Washingtoner Sumpfes. Das schwächt das alte Parteiestablishment enorm, und ebnet radikalen Außenseitern den Weg. Diese „neuen Wilden“ bringen nicht nur frischen Wind von scharf rechts, sondern auch eine neue Sprache. Die ist einfach, aggressiv und vor allem laut. Bequeme Meinungen werden zu Fakten, unbequeme Fakten zu Fake-News. 

Dabei will der Konservatismus namensgebend eigentlich etwas bewahren, auch in den USA. Bewahren, wohlgemerkt, heißt nicht, stehen zu bleiben. Washington, so die Idee, soll sich möglichst wenig einmischen in Haus- und Hofangelegenheiten der Bürger. Land of the Free, erinnern sich die Älteren. 2024 tritt Trump erneut mit dem Versprechen an, die linke Elite zu entmachten, den korrupten Washingtoner Sumpf trockenzulegen. In Wahrheit braucht er das modrige Klima, um zu überleben. Mit Bewahren hat Trump wenig am Hut. Trumpismus, so zeigte sich, hat einen konservativen Anstrich, ja. Aber die Farbe blättert ab. Und niemand gibt sich noch die Mühe nachzupinseln. A Grand New Party.

Quellen: „New York Times“ (1); „New York Times“ (2); NBC; Stanford University; „Conversation“; „The Hill“; CNN

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