Klimaschutz: CO2 unter die Nordsee? Warum dieser Weg genau der richtige ist

Bislang ist es in Deutschland verboten: CCS, das Verfahren, um CO2 aus fossilen Energieträgern abzuscheiden und im Boden zu verpressen. Dabei ist die Technik ausgereift und so gut wie ungefährlich. Hier die Fakten.

Deutschland soll möglichst 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen und ab 2045 vollständig klimaneutral sein. Das Vorhaben ist an allerlei Voraussetzung geknüpft. Neben dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien braucht es bis dahin außerdem ausreichend grünen Wasserstoff, um klimaschädliche fossile Energieträger vollständig ersetzen zu können. Und selbst dann könnte weiteres, technologisch unvermeidbares Treibhausgas anfallen, etwa in der Zementindustrie. 

Was tun?

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck plädiert dafür, eine Zeit lang weiter Erdgas einzusetzen, dessen Kohlendioxid-Anteil dann aus den Schloten abgesaugt wird; es wird also quasi im Nachhinein vom Treibhausgas gereinigt. Das abgeschiedene CO2 soll tief unter der Nordsee in poröse Gesteinsschichten gepresst werden. Das Verfahren nennt sich „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS. Bislang ist diese Technologie bei den Deutschen weitgehend verpönt. Vergangene Woche hat Habeck nun die Eckpunkte einer Carbon-Management-Strategie und den Entwurf einer Novelle des Kohlendioxid-Speichergesetzes (KSpG) präsentiert.

Technisch ist CCS nichts Neues und in Europa seit über einem Vierteljahrhundert erprobt. Aber die Bedenken in der deutschen Politik sind nach wie vor groß. SPD und Grüne werden hochnervös bei dem Thema. Auch Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe, der BUND und Greenpeace lehnen das Verfahren ab. Dafür stimmen Naturschutzbund und WWF ihm neuerdings überraschenderweise eher zu.

Ist CCS wirklich eine nicht zu beherrschende Risikotechnologie? Und kann sie uns helfen, die Klimaziele zu erreichen? Hier die Fakten, warum wir diese Technik einsetzen sollten.

Wie funktioniert CCS?

Die verbreitetste Methode ist die Aminwäsche. Dabei wird das CO2 mit Chemikalien getrennt und in einer Flüssigkeit gebunden. Schließlich wird es durch Erhitzung gereinigt und zum Transport per Pipeline oder Schiff wieder verflüssigt. Nach dem Verpressen wandelt es sich in 100 oder mehr Jahren zu Kalkstein oder wird in Mineralen gebunden.

Ist die Technik ausgereift? 

Die Lagerung schon, Norwegen etwa betreibt sie seit über 26 Jahren. Bei sehr tiefen Lagerstätten gibt es ein sehr geringes Leckage-Risiko; die größte Gefahr bilden Hohlräume von alten Probebohrungen, die vorhanden sein könnten. Das Reinigen der klimaschädlichen Gase klappt ebenfalls gut – allerdings noch nicht allzu effizient. Bisher gelingt es meist nur, einen zu kleinen Teil abzuscheiden. Die technischen Verfahren müssen sehr schnell verbessert werden. Wissenschaftler sagen, rund 85 Prozent Reinigung seien theoretisch möglich.

26: Habecks Pläne zur CO2Lagerung Unterschiedliches Echo – eeb23a89b8603d61

Darf man in Deutschland CCS betreiben?

Derzeit nicht. Es ist praktisch verboten. Zwar gibt es immer wieder Pilotprojekte zu Forschungszwecken, nun soll aber geprüft werden, ob die Nordsee-Idee wirklich realisierbar ist. Nach Lagerstätten dürfte bald gesucht werden. Am besten sollen sich porige Gesteinsschichten eignen, die mit Salzwasser gefüllt sind, mit einer abdichtenden Tonsteinschicht darüber. Sie dürften eher 2000 Meter tief liegen. 

Wieviel Co2 „passt“ unter die deutsche Nordsee?

Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gibt es in der deutschen Nordsee Speicherstätten für zwei bis acht Milliarden Tonnen CO2; aktuell emittiert Deutschland rund 660 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr

Rechnet sich CCS?

Der Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist da eher skeptisch und formuliert Rahmenbedingungen, unter denen sich CCS rechnen könnte. Das Problem: Die Abscheidung, der Pipeline/Schiffs-Transport und die Speicherung verbrauchen sehr viel Strom. Um eine Kilowattstunde Gas zu reinigen und zu verpressen, muss man mit etwa 0,4 Kilowattstunden Energieeinsatz rechnen. Ökologisch sinnvoll ist das nur, wenn grüner Strom zum Einsatz kommt.
Die Kosten dafür liegen geschätzt bei 120 bis 150 Euro pro Tonne CO2; da ist es für die Industrie derzeit deutlich billiger, das CO2 weiter in die Luft zu blasen und sich durch CO2-Zertifikate (Kosten etwa 40 Euro pro Tonne) freizukaufen. 

Wie schnell könnten deutsche Endlager entstehen?

Experten sagen: in zehn Jahren, vielleicht auch etwas schneller. Alternativ könnte Deutschland das abgeschiedene Gas ins Ausland bringen. Norwegen mit seinen alten Öl- und Gasfeldern plant, damit ein dickes Geschäft zu machen. Allerdings ist solch ein Export bislang rechtlich nicht möglich, das „London-Protokoll zur Verhütung der Meeresverschmutzung“ verhinderte das in der Vergangenheit. Das könnte sich aber durch Ratifizierung eines Zusatzprotokolls bald ändern. 

Besteht Gefahr für das Trinkwasser oder die Natur?

Das kann man weitestgehend auschliessen, so lautete die herrschende Meinung in Wissenschaft und Forschung. Es sind keine Lagerstätten unter dem Festland geplant, die das Trinkwasser beeinflussen könnten. Umweltschützer fürchten aber, dass Meereswasser durch Lecks versauern und Muscheltiere und Korallen töten kann. Auch hier gibt die Forschung eher Entwarnung.

Sollte man CCS langfristig nutzen, statt die Landschaft mit Windrädern zu bestücken?

Das Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung sagt, CCS ist auf jeden Fall besser als wie gehabt CO2 zu emittieren; das schade dem Meer viel mehr. Und die Bundesregierung schätzt, dass etwa fünf Prozent unserer Emissionen – vor allem aus der Landwirtschaft – auch noch in 20 Jahren unvermeidbar sind. Deshalb wird auch über Verfahren nachgedacht, der Luft CO2 zu entziehen und zu speichern oder zu Produkten weiterzuverarbeiten. Dennoch: Die beste und preiswerteste Methode, bilanziell auf Null-Emissionen zu kommen, lautet, CO2 von vornherein zu vermeiden, das muss Priorität haben, sagt auch die Wissenschaft und Politik. Das geht nur durch den zügigen, intensiven Ausbau von klimaneutralen Kraftwerken wie Windräder oder Solaranlagen.

Verwandte Beiträge