Ein Hörsaal der Alice Salomon Hochschule wird besetzt. Vor dem Gebäude demonstrieren Aktivisten. Die Protestaktion vom Montagabend hat für einige Teilnehmer Konsequenzen.
Nach einer Protestaktion an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt sorgt das Verhalten der Hochschulpräsidentin Bettina Völter gegenüber der Polizei für Kritik. Am Montag hatten mehrere Aktivisten den Audimax der ASH in Berlin-Hellersdorf besetzt. Auf Bannern war etwa der Spruch „Free Palestine“ zu lesen. Bei einer anschließenden Versammlung vor dem Gebäude wurden laut Mitteilung der Polizei sechs Personen vorläufig festgenommen.
Die Aktivisten hatten mehr Raum für einen Dialog gefordert, wie ein Sprecher der Hochschule sagte. Er schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 60. Laut Polizei waren es 50 Personen, die zum Teil vermummt waren. Sie hätten am Abend nach einem Gespräch mit der Hochschulleitung friedlich das Gebäude verlassen.
Völter spricht von „Bedrohung“
In einem Video ist zu sehen, wie Völter Polizisten mehrfach dazu auffordert, den Eingangsbereich des Hochschulgebäudes zu verlassen und sagt: „Wir erleben es als Bedrohung, dass sie vorne am Eingang stehen.“ Sie habe die Polizei nicht gerufen, ein Eingreifen der Einsatzkräfte sei nicht notwendig. „Sie kommen nicht in die Hochschule, ich möchte Sie bitten, vom Eingang der Hochschule Abstand zu nehmen.“
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner teilte auf der Plattform X mit, er halte es für „völlig unverständlich“, dass eine Hochschulpräsidentin die Polizei als Bedrohung sehe und nicht „die vermummten und gewalttätigen Antisemiten, die ihre Hochschule besetzen“. „Die Beamten haben absolut richtig gehandelt und haben meine volle Rückendeckung!“, so der CDU-Politiker.
Polizei ermittelt gegen sechs Personen
Nachdem die Besetzer den Hörsaal friedlich verlassen hatten, versammelten sich mehrere Menschen für eine Demonstration vor dem Gebäude. Nach Angaben der Polizei nahmen rund 80 Personen an der Versammlung mit dem Titel „Solidarität mit der Besetzung der Hochschule“ teil. Etwa 180 Polizistinnen und Polizisten waren den Angaben zufolge vor Ort. Die Polizei nahm sechs Personen vorläufig fest, gegen die sie nun wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Widerstands und versuchter Gefangenenbefreiung, wie es in einer Mitteilung hieß.
Laut Polizei wurden auf Transparenten und Papierblättern der Aktivisten keine strafbaren Inhalte festgestellt. Antisemitische Äußerungen sind nach Angaben eines Polizeisprechers nicht bekannt. Eine Person soll aus einem Fenster heraus „From the river to the sea“ gerufen haben. Der komplette Spruch „Free Palestine – From the river to the sea, palestine shall be free“ ist als eindeutig antisemitisch einzustufen, weil er als Aufruf zur Zerstörung Israels, Vertreibung und Auslöschung der jüdischen Bevölkerung zu verstehen ist.
Nach Angaben des „Tagesspiegel“ zeigen Fotos aus dem Hörsaal unter anderem Postkarten, auf denen das rote Hamas-Dreieck zu sehen ist. Andere Parolen sollen den Informationen der Zeitung zufolge eine weltweite „Intifada“ fordern. Der Begriff „Intifada“ bezieht sich auf Serien von Angriffen und Terroranschlägen von Palästinensern in Israel und wird auch als Aufruf zur Gewalt interpretiert.
Czyborra: Polizei ist keine Bedrohung
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) erklärte, jüngste Vorfälle hätten gezeigt, dass die Präsenz der Polizei gut und notwendig sei. „Auch gestern hat sich gezeigt, dass eine intensive Kommunikation mit den örtlichen Zuständigen der Polizei nicht erst im Ernstfall notwendig und vor allem gegenseitige Wertschätzung geboten ist. An dieser Stelle möchte ich deutlich sagen, dass die Polizei keine Bedrohung ist, sondern zu jeder Zeit wichtige Arbeit leistet und unsere Hochschulen schützt.“ Sie dankte der Polizei für ihre Unterstützung und der Hochschulleitung für eine Deeskalation der Situation.
Besetzer bekommen Raum zur Verfügung gestellt
Das ASH-Präsidium erlaubte den Studierenden, die den Audimax besetzt hatten, am Dienstag einen Raum zu den Öffnungszeiten der Hochschule für den weiteren Austausch zu nutzen. „Wir haben mit den Studierenden vereinbart, dass wir eine Fortsetzung nur akzeptieren können, wenn die Regeln eines respektvollen und gewaltfreien Miteinanders gewahrt bleiben“, wie es in einer Stellungnahme hieß. Das Präsidium sei dankbar für den engen und konstruktiven Austausch mit der Polizei.
Auf dem Instagram-Kanal „Not in our name ASH“ veröffentlichten die Studierenden das geplante Tagesprogramm. Demzufolge waren unter anderem Workshops und Gesprächsrunden geplant.
Die Hochschule erkenne an, dass es auch an der ASH antisemitische und rassistische Strukturen gebe, die eine ständige Herausforderung darstellten. „Ziel ist es, diesen strukturellen Herausforderungen aktiv, zuhörend und gewaltfrei zu begegnen und Räume zu schaffen, in denen eine kritische Auseinandersetzung und kontinuierliche Verbesserung möglich sind.“
Kein Platz für Antisemitismus
Antisemitismus und Äußerungen, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, hätten an der Hochschule keinen Platz. „Umgekehrt sehen wir und wenden uns ebenfalls entschlossen gegen das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza, in der Westbank, in Israel und anderen Staaten der Region.“