In Österreich können sich ÖVP und SPÖ nicht auf eine Koalition einigen. Kanzler Karl Nehammer will zurücktreten. Ist jetzt die Stunde der FPÖ gekommen?
Die Verhandlungen über eine Mitte-Regierung ohne die rechte FPÖ in Österreich sind gescheitert. Österreichs Kanzler Karl Nehammer will als Regierungschef und als Chef der konservativen ÖVP zurücktreten. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen werde er sich in den kommenden Tagen von diesen Posten zurückziehen, sagte er in einer Videobotschaft.
„Ich werde mich als Bundeskanzler und auch als Parteiobmann der Volkspartei in den nächsten Tagen zurückziehen und einen geordneten Übergang ermöglichen.“ nehammer
Die konservative ÖVP habe ihre Gespräche mit der sozialdemokratischen SPÖ beendet, bestätigten Parteikreise. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur APA über das Aus der Verhandlungen berichtet.
„Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, so hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs“, erklärte Nehammer am Samstagabend nach Angaben der APA. Über den weiteren Fahrplan wolle die ÖVP in Kürze informieren.Koalitionsverhandlung Ösi-Ampel Text_1455
Kurz zuvor verließen Liberale Koalitionsverhandlungen
Erst am Freitag waren die liberalen Neos nach wochenlangem Ringen überraschend aus Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ über eine Ampel-Koalition ausgestiegen. Danach setzten die zwei verbliebenen Parteien Gespräche am Samstagnachmittag fort. Bereits am Abend waren die Gespräche jedoch schon wieder zu Ende.
Die Verhandlungen der Mitte-Parteien waren auch ein Versuch, die rechte FPÖ nach ihrem Wahlsieg Ende September von der Macht fernzuhalten. ÖVP und SPÖ hätten im Parlament jedoch nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme gehabt.Analyse Wahl Österreich 19.56
Kommt es zu Neuwahlen in Österreich – und einem FPÖ-Sieg?
SPÖ und ÖVP konnten in verschiedenen Bereichen nicht zueinanderfinden. Die SPÖ forderte unter anderem, dass der Staatshaushalt auf den Schultern reicherer Bevölkerungsschichten saniert werden müsse; die ÖVP war strikt gegen zusätzliche Steuern. Das EU-Mitgliedsland Österreich kämpft mit einer schwächelnden Wirtschaft und einem hohen Haushaltsdefizit.
„Es ist augenscheinlich, dass die destruktiven Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewonnen haben“, sagte Nehammer. Die ÖVP werde keinem wirtschafts- und leistungsfeindlichen Programm zustimmen, betonte er.
Gleichzeitig machte Nehammer klar, dass er weiterhin nicht bereit sei, mit der rechten FPÖ unter Herbert Kickl Koalitionsgespräche zu führen. „Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten“, sagte Nehammer. Der Wirtschaftsflügel seiner Partei bevorzugt hingegen eine Koalition mit der FPÖ statt mit der SPÖ.
Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus der russlandfreundlichen EU-Skeptiker im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern.
Der ultrarechte FPÖ-Chef Herbert Kickl, der Kanzler werden wollte, fand bei ÖVP und SPÖ keinen Partner für eine Regierungsbildung. Daher hatten ÖVP, SPÖ und Neos Koalitionsverhandlungen aufgenommen.
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