Völlig überraschend ruft Südkoreas Präsident Yoon das Kriegsrecht aus. Angeblich will er damit die staatliche Ordnung bewahren. Gibt es andere Motive? Das Parlament widersetzt sich.
In Südkorea hat Präsident Yoon Suk Yeol inmitten einer innenpolitischen Krise überraschend das Kriegsrecht über das Land verhängt. Er beschwor damit einen Machtkampf mit dem Parlament herauf. Die Nationalversammlung forderte den Präsidenten wenige Stunden später auf, den Ausnahmezustand wieder aufzuheben. Alle 190 anwesenden Abgeordneten stimmten für den Antrag.
Hintergrund des Konflikts ist offensichtlich ein Streit um den Staatshaushalt. Hinweise auf eine Verwicklung des totalitär regierten Nachbarlands Nordkorea in die Situation gab es zunächst nicht. Die US-Regierung zeigte sich „ernsthaft besorgt“ über die Entwicklungen in Südkorea.
Vorwürfe an die Opposition
Der Präsident hatte in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede die Opposition des Landes beschuldigt, mit Nordkorea zu sympathisieren. Der ausgerufene Ausnahmezustand ziele darauf ab, „pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmäßige Ordnung der Freiheit zu schützen“, sagte Yoon. Er ist als Staatschef auch Oberbefehlshaber der Armee.
In einer Erklärung des Parlamentspräsidenten hieß es Medienberichten zufolge, mit der Resolution durch eine Mehrheit im Parlament sei die Ausrufung des Kriegsrechts nichtig. Dieses müsse demnach aufgehoben werden. Yoon reagierte darauf zunächst nicht.
Die oppositionelle Demokratische Partei (DP), die in der Nationalversammlung über eine Mehrheit verfügt, hatte am Freitag im parlamentarischen Sonderausschuss für Budget und Bilanzen einen Haushaltsplan im Alleingang beschlossen. Yoons Büro forderte die linksliberale Opposition daraufhin auf, den Haushaltsplan mit den reduzierten Ausgaben zurückzunehmen.
Deutsche Botschaft: Keine unmittelbare Gefahr
Rund um das Parlamentsgebäude gab es in der Nacht Demonstrationen, aber es blieb friedlich. Das Gebäude war zwischenzeitlich von Militärs blockiert worden. Später waren vor dem Gebäude keine Soldaten mehr zu sehen, sondern Bereitschaftspolizisten, wie ein dpa-Reporter beobachtete.
Die deutsche Botschaft in Seoul sah keine unmittelbare Gefahr für Ausländer. „Es lässt sich nach jetzigem Stand noch nicht absehen, mit welchen Einschränkungen diese Entscheidung für ausländische Staatsangehörige in der Republik Korea verbunden ist. Unserer Einschätzung nach besteht keine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit und das Eigentum ausländischer Staatsangehöriger“, schrieb die Botschaft in einer Mitteilung an in Südkorea lebende Deutsche. Insbesondere gebe es keine Anzeichen für eine militärische Auseinandersetzung mit Nordkorea.
Es werde aber empfohlen, sich von politischen Orten wie etwa Regierungsgebäuden oder der Umgebung der Nationalversammlung und Demonstrationen fernzuhalten. Nach Zahlen der Einwanderungsbehörde im September lebten in dem ostasiatischen Land mehr als 10.700 Deutsche.
Kriegsrecht verbietet alle politischen Aktivitäten
Die Ausrufung des Kriegsrechts bedeutet, dass alle politischen Aktivitäten, einschließlich Protesten sowie Parteiaktionen verboten sein, wie die nationale Nachrichtenagentur Yonhap meldete. Das Kriegsrecht schränkt auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen ein.
Die Opposition kritisierte die Maßnahmen scharf. Oppositionsführer Lee Jae Myung bezeichnete das ausgerufene Kriegsrecht laut einem Yonhap-Bericht als „verfassungswidrig“ und unbegründet. Panzer und Soldaten mit Gewehren würden bald das Land kontrollieren, sagte Lee laut Yonhap weiter.
Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden Partei, Han Dong Hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als „falsch“. Man werde es „gemeinsam mit dem Volk stoppen“, sagte Han.
Präsident innenpolitisch unter Druck
Yoon Suk Yeol steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmaßlicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt. Zudem streitet die amtierende Partei mit der Opposition um das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr. Außerdem warf Yoon dem von der mehrheitlich von der Opposition beherrschten Parlament vor, durch Anträge zur Amtsenthebung von Ministern und weiteren hochrangigen Amtsträgern die Regierungsgeschäfte unterlaufen zu haben. Seit dem Antritt der Regierung im Mai 2022 habe die Nationalversammlung 22 Amtsenthebungsanträge gestellt. Das sei weltweit ohne Beispiel.
Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea tausende Soldaten nach Russland, wo diese bei der Rückeroberung der Region Kursk im Einsatz sind.