Entscheidung zur Klinikreform: Brandenburgs Regierungschef entlässt Ministerin im Bundesrat

Brandenburgs bisherige Gesundheitsministerin hat viele Notfälle behandelt. Jetzt muss sie im Streit um die Krankenhausreform gehen. Die Machtprobe mit Regierungschef Woidke verliert sie.

Eklat in der laufenden Bundesratssitzung: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat im Streit um die Abstimmung zur Krankenhausreform seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in einer beispiellosen Aktion entlassen. Noch auf dem Bundesrats-Flur in Berlin bekam sie nach eigener Schilderung ihr Entlassungspapier – kurz vor dem Länder-Votum zur Klinikreform. Die 67-jährige Ärztin sprach von einem „Tiefpunkt der politischen Kultur“. 

Konflikt um Abstimmung im Bundesrat 

Woidke wollte nach Auskunft von Regierungssprecher Florian Engels die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag erreichen. Die für die Krankenhäuser zuständige Fachministerin Nonnemacher aber warnte: „Das führt zu einer Versenkung dessen, was hier in zwei Jahren mühsam ausgehandelt worden ist.“

Am Ende konnte sich die düpierte Ministerin – anders als Woidke  – zumindest mit dem Ergebnis der Abstimmung zufrieden zeigen: Die Länderkammer ließ das Gesetz für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland passieren. Woidkes Ziel, den Vermittlungsausschuss einzuschalten, ging jedoch schief.

Nonnemacher wäre ohnehin bald ausgeschieden

Der Schritt des Regierungschefs löste empörte Reaktionen aus, von einer öffentlichen Demütigung und respektloser Machtdemonstration war die Rede – zumal Nonnemacher ohnehin bald aus dem Amt ausscheidet. Woidkes SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollen gerade eine neue Regierungskoalition für Brandenburg schmieden und sind im Endspurt ihrer Koalitionsverhandlungen.

Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner nannte Woidkes Verhalten bei der Plattform X  stillos. „Ein anständiger Umgang muss über der reinen Machtsicherung liegen.“ Auch die Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl sprach von einem beschämenden Vorfall. „Diese Entscheidung zeigt, wie weit die SPD inzwischen bereit ist zu gehen, um sich für eine künftige Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anzubiedern.“ 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)  würdigte den Einsatz Nonnemachers für die Reformpläne: „Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr Verdienst.“

Ministerin wollte Rede halten

Vor der Sitzung im Bundesrat kam es in der Koalitionsrunde zum Konflikt mit dem Ministerpräsidenten über das Abstimmungsverhalten zur Krankenhausreform. Nonnemacher machte klar, dass sie sich nach erreichten Verbesserungen im Klinikgesetz gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen wird, sie sah sich dabei mit ihren Fachleuten auf einer Linie. Daraufhin habe der Ministerpräsident angedroht, sie vor der Sitzung zu entlassen, schilderte die Grünen-Politikerin. „Solange ich keine Entlassungsurkunde in den Händen halte“, werde sie ihre Rede halten, habe sie gesagt. 

Dann kam es um 10.00 Uhr zum Showdown. Der Regierungschef akzeptierte das Votum Nonnemachers nicht und verhinderte mit der Entlassung eine Enthaltung Brandenburgs in der Länderkammer. Die rot-schwarz-grüne Koalition hatte vereinbart, dass sie sich im Bundesrat enthält, wenn sie sich nicht einig ist.

Regierungschef sieht klares Votum

Woidke sagte im Interview mit RTL/ntv: „Ich kann mir da nicht auf der Nase rumtanzen lassen.“ Er verwies im Sender Phoenix darauf, dass eine Krankenhauskonferenz – mit Klinikvertretern und Kommunen – in der Staatskanzlei gezeigt habe, dass die Reform in dieser Form nicht geeignet sei und dringend überarbeitet werden müsse. 

„Ich kann als Ministerpräsident, auch für das öffentliche Bild des Landes Brandenburg, nicht zulassen, dass ein klares Votum, das wir auch im Land haben, eine klare Meinung, hier im Bundesrat konterkariert wird durch eine Ministerin, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben von mir beauftragt ist.“ Nonnemacher warf Woidke vor, er habe mit seinem Verhalten gegen den Koalitionsvertrag verstoßen – und das nicht zum ersten Mal.

„Vertrauensbruch“ schon vor Monaten 

Das Verhältnis zwischen Woidke und Nonnemacher galt schon länger als angespannt. In der Corona-Krise verlagerte er die Zuständigkeit für das Impfen zwischenzeitlich von ihrem Ministerium zum Innenressort. 

Im vergangenen März enthielt sich der Ministerpräsident im Bundesrat bei der Entscheidung über eine Teil-Legalisierung von Cannabis nicht wie in Streitfällen der Koalition, sondern setzte sich für ein Nachschärfen der Gesetzespläne ein und rief den Vermittlungsausschuss an. Woidke wollte Änderungen erreichen, Nonnemacher spricht nun im Rückblick von „Vertrauensbruch“.

Die Grünen-Politikerin, die seit 2019 Ministerium im Kabinett von Ministerpräsident Woidke war und schon mehrere Krisen managte, behielt wenige Stunden nach ihrer Entlassung die Fassung. „Die Ereignisse überschlagen sich, wir hatten damit nicht gerechnet“, sagte sie. „Ich werde mein Zimmer ausräumen und dann dieses Ministerium verlassen.“

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