„Schwachkopf“: Nach Habeck-Beleidigung: Experte nennt Durchsuchung „hochproblematisch“

Bei einem 64-jährigem Mann aus Bayern gab es eine Hausdurchsuchung, nachdem er Robert Habeck im Internet als „Schwachkopf“ bezeichnet hatte. Was steckt dahinter?

Der Vorgang ist mysteriös. Bei einem Mann aus Bayern hat es vor wenigen Tagen eine Hausdurchsuchung gegeben. Der 64-Jährige hatte vor einiger Zeit auf dem Kurznachrichtendienst „X“ ein Foto von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gepostet, das in Abwandlung eines Werbeslogans der Firma Schwarzkopf mit dem Zusatz „Schwachkopf Professional“ versehen war. 

Aber war das der Grund für die Hausdurchsuchung?

Das Internetportal „Nius“, das als eines der ersten über den Fall berichtete, hat einen Beschluss des Amtsgerichts Bamberg veröffentlicht, der einen Zusammenhang zum Posting nahelegt. Darin heißt es, die Hausdurchsuchung sei im Rahmen eines „Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung“ angeordnet worden. Begründet wird die Durchsuchung aber nicht mit dem Verdacht auf Volksverhetzung – sondern damit, dass der Beschuldigte am 20. Juni die Habeck-Bilddatei auf Twitter hochgeladen habe, um „Robert Habeck generell zu diffamieren und ihm sein Wirken als Mitglied der Bundesregierung zu erschweren“. Dies aber sei „strafbar als gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung“.

Robert Habeck stellte den Strafantrag

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch einen Strafantrag von Robert Habeck. Von der Hausdurchsuchung war offenbar aber auch er überrascht. Aus seinem Umfeld heißt es, sein Bundestagsbüro sei durch die bayerische Polizei auf den beleidigenden Post und dessen Absender hingewiesen worden, verbunden mit der Frage, ob er Strafantrag erstatten möchte. 

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Der Vorgang sei Habeck dann im Rahmen der gesammelten Vorgänge, bei denen es um Drohungen und schwere Beleidigungen ging, vorgelegt und ein Strafantrag gestellt worden. Alles Weitere sei Sache der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte. Jenseits des Strafantrags sei Robert Habeck weder informiert noch sonst beteiligt gewesen.

Zweifel an der Verhältnismäßigkeit

Nun ist der Begriff „Schwachkopf“ zweifelsohne eine Beleidigung, die auch zu einer Geldstrafe führen kann. Aber rechtfertigt sie auch eine Hausdurchsuchung? Denn dafür müssen laut Strafprozessordnung drei Bedingungen erfüllt sein: Neben einem Anfangsverdacht und der Erwartung, dass die Durchsuchung relevante Beweismittel zutage fördert, muss sie verhältnismäßig sein. 

Strafrechtsexperte nennt Vorgang „hochproblematisch“

Ob das in diesem Fall gegeben war, daran zweifelt Holm Putzke, Strafrechtsprofessor an der Universität Passau und Strafverteidiger. „Dass wegen einer Beleidigung eine Durchsuchung durchgeführt wird – das sehen wir schon länger. Es gibt inzwischen inflationär viele Verfahren, die darauf zurückgehen, dass Politiker jemanden wegen Beleidigung angezeigt haben“, sagte er dem stern: „Ich halte solche Maßnahmen allein wegen möglicher Beleidigungsdelikte für problematisch.“

Schließlich sei der Schutz der Wohnung und Meinungsfreiheit vom Grundgesetz garantiert. Ob die Maßnahme gerechtfertigt sei, hänge sowohl von der Verhältnismäßigkeit ab als auch primär von der Frage, ob das Verhalten überhaupt strafbar ist: „Das erscheint mir mehr als zweifelhaft.“ Laut „Nius“ hatte der Beschuldigte das Habeck-Bild nur repostet und nicht selbst erstellt. 

Er halte die Durchsuchung für „hochproblematisch“, so Strafrechtsexperte Putzke: „Weil in solchen Verfahren oftmals nicht viel herauskommt und das Bundesverfassungsgericht schon oft entsprechende Verurteilungen kassiert hat, mit dem Verweis auf das starke Grundrecht der Meinungsfreiheit.“

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Eine andere Frage ist laut Putzke, ob zusätzlich eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung vorliegt.

Mehrere Posts mit NS-Vergleichen

Diesen Verdacht sieht die Staatsanwaltschaft Bamberg gegeben. In einer Pressemitteilung vom Freitag bestätigte sie zunächst den Strafantrag von Habeck und die folgende Hausdurchsuchung. Dann heißt es weiter: „Es besteht weiterhin der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung.“ Konkret genannt wird eine Bilddatei, die der 64-Jährige im Frühjahr 2024 hochgeladen hatte. Auf ihr war laut Staatsanwaltschaft ein SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ sowie der Zusatztext „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“ zu sehen gewesen sein. Auslöser für diesen Post war offenbar ein Boykott-Aufruf gegen Produkte der Firma Müllermilch gewesen, nachdem sich der Inhaber der Molkereifirma, Theo Müller, mit der AfD-Chefin Alice Weidel getroffen hatte. Der Post ist inzwischen nicht mehr verfügbar.

In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft wird zudem erwähnt, dass die Wohnungsdurchsuchung „im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“ stattgefunden habe. 

Staatsanwaltschaft will nicht antworten

Eine Nachfrage des stern, ob lediglich der Habeck-Post oder noch andere Vorgänge wie etwa möglicherweise antisemitische Tweets die Hausdurchsuchung ausgelöst hätten, wollte die Staatsanwaltschaft nicht beantworten. 

Auffällig ist, dass der Beschuldigte, Stefan N., mehrfach Posts veröffentlicht hat, in denen er aktuelle Ereignisse mit Vorgängen aus der NS-Zeit verglich. Einmal postete er unter einen Pro-Habeck-Tweet ein Bild von Adolf Hitler. Den Tatbestand der Volksverhetzung dürfte das freilich noch nicht erfüllen. Sein Twitterprofil hat er inzwischen mit dem Zusatz „Inzwischen als ‚VOLKSVERHETZER‘ unterwegs“ versehen.

Angeblich soll N. ein Kriminalbeamter im Ruhestand sein. Dem Bund der Kriminalbeamten ist der Vorgang aber nicht bekannt, wie eine Anfrage des stern ergab.

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