Heute vor 37 Jahren: Das verheerende Rolltreppen-Feuer im Londoner U-Bahnhof King’s Cross

Am 18. November 1987 fängt eine hölzerne Rolltreppe im U-Bahnhof King’s Cross Feuer. Die Flammen breiten sich rasch aus – bis in die mit Menschen gefüllte Schalterhalle.

Es ist Mittwochabend und an Londons wichtigstem Knotenpunkt, der U-Bahnstation King’s Cross, herrscht reges Treiben. Die Station unterhalb der Hauptbahnhöfe King’s Cross und St. Pancras wird damals als einzige von fünf Linien bedient. Hunderte von Menschen halten sich in dem Bahnhofskomplex auf. Während des Berufsverkehrs werden stündlich rund 30.000 Menschen durch King’s Cross geschleust. Um 19.45 Uhr kommt es hier an jenem Abend zu einer der schwersten Katastrophen, die es bis dahin in der Geschichte der Londoner U-Bahn gab.

PAID CRIME 36 1964 Das Feuer

Ein Passagier, der auf einer der hölzernen Rolltreppen steht, beobachtet zwischen den Stufen ein flackerndes Licht. Oben in der Schalterhalle angekommen, spricht er einen Bahn-Angestellten an, um ihm davon zu berichten. Doch als dieser nach unten schaut, kann er nichts erkennen. „Ich kam mir ziemlich blöd vor“, erzählt der Mann in einer Dokumentation vom Sender National Geographic, „denn es war nichts mehr zu sehen.“

Um 19.40 Uhr wird der Bahnhof King’s Cross in London evakuiert

Gegen 19.30 Uhr drückt ein anderer Mann den Nothalteknopf für die Rolltreppe zur Piccadilly Line. Ein Mitarbeiter der British Tansport Police, der den Vorfall überprüft, entdeckt auf einer der Holzstufen eine kleine Flamme. Keine große Überraschung für den Mann: In den letzten drei Jahrzehnten hat es bereits mehr als 400 Brände in der veralteten Londoner U-Bahn gegeben. Über Funk alarmiert er die Feuerwehr. Die Rolltreppe wird weiter unten abgesperrt. Gegen 19.40 Uhr beschließt die Polizei, den Bahnhof zu evakuieren.

Das Bild zeigt den oberen Teil der durch das Feuer beschädigten Rolltreppen in der U-Bahn-Station King’s Cross
© dpa/empics

Nur drei Minuten später sind die Einsatzkräfte vor Ort. Das Feuer ist inzwischen so groß wie ein Lagerfeuer, weshalb die Feuerwehrleute glauben, es schnell unter Kontrolle zu bekommen. Inzwischen werden Hunderte Fahrgäste von Polizisten aus dem Bahnhof geführt, einige davon über die noch einzige funktionierende Rolltreppe der Victoria Line, die parallel zu der Rolltreppe der Piccadilly Line verläuft und oben an denselben Ort in die Schalterhalle führt. Weil allerdings niemand die Zugführung über die Evakuierung informiert, gelangen immer weitere Fahrgäste in den Bahnhof.

Erst um 1.46 Uhr ist das Feuer gelöscht

Dann plötzlich wird aus dem bislang kleinen Feuer ein Inferno. Flammen schießen wie aus einem Flammenwerfer die Rolltreppe hoch. Sie legen pro Sekunde zwölf Meter zurück und erfassen Dutzende Menschen in der Schalterhalle. Aus dem Ausgang dringt dichter Rauch auf die höher gelegene Straße. Wo eben noch Polizisten unten die Passagiere auf die einzige noch funktionierende Rolltreppe schickten, stoppen sie jetzt die einfahrenden Züge. Oben taumeln Feuerwehrleute, die erst kurz vorher in den Bahnhof gestürmt sind, zurück ins Freie, weil ihnen Hitze und Flammen den Weg versperrten. Einige Passagiere flüchten sich in Panik auf die Toiletten, andere kriechen auf dem Boden zu den Treppen, die hinauf zur Straße führen. Doch durch die Hitze und den beißenden, dichten Qualm haben viele keine Chance, zu entkommen. Erst um 1.46 Uhr am nächsten Morgen ist der verheerende Brand endgültig gelöscht. 

Feuerwehrleute stehen nach den Löscharbeiten in der U-Bahnstation King’s Cross in London: Die Decke ist teilweise eingestürzt, die Kacheln sind von den Wänden gesprungen
© PA

31 Menschen kommen bei dem schweren Unglück ums Leben, weitere 20 werden schwer verletzt. Das jüngste Todesopfer ist sieben Jahre alt. Nach dem Unglück ist der U-Bahnhof komplett zerstört: Die Decke ist teilweise eingestürzt, die Kacheln sind von den Wänden gesprungen und die metallenen Fahrkartenautomaten geschmolzen.

Brandursache war möglicherweise ein brennendes Streichholz 

Ermittlungen ergeben später, dass möglicherweise ein brennendes Streichholz große Ansammlungen aus einem Gemisch von Unrat und Schmierfetten unterhalb der Rolltreppe in Brand gesetzt hat. Dabei war zwei Jahre zuvor schon ein Rauchverbot an U-Bahnstationen erlassen worden. Zudem finden sich Spuren an der 50 Jahre alten Rolltreppe, die darauf hindeuten, dass es in der Vergangenheit schon 18 unentdeckte kleinere Brände gegeben hat.

Die hölzernen Rolltreppen am King’s Cross wurden kurz nach dem Feuer durch metallene ersetzt
© Rick Findler

Um herauszufinden, wie genau sich die Flammen so schnell ausbreiten konnten, wird einige Monate später ein exaktes Modell der Rolltreppe mit denselben Materialien auf einem Feld nachgebaut und entzündet. Dabei stellt sich heraus, dass die 30-Grad-Neigung der Treppe dazu führt, dass sich die Flammen auf die Stufen legen. Die Seitenwände der Rolltreppe wirken wie ein Kanal, der Hitze und Flammen bündelt und nicht entweichen lässt. Das Feuer schiebt eine unsichtbare Hitze- und Gaswand vor sich her, die von unten einen meterlangen Abschnitt der Holzstufen erhitzt, der sich schlagartig entzündet. Die Ermittler nennen das Phänomen „Grabeneffekt“.

Als Konsequenz aus dem Unglück wird unter anderem der Austausch aller hölzerner Rolltreppen und eine strengere Überwachung des Rauchverbots angeordnet.

Sehen Sie oben im Video: Eine zehnminütige entspannte Fahrt oder lieber eine fast einstündige Bergbesteigung? Eine riesige Rolltreppe am Tianyu Mountain in China bietet den Besuchern nun eine tolle Aussicht. Was aber zunächst praktisch klingt, sorgt bei vielen Kritikern für Diskussionen. 

Quellen: DPA, National Geographic

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