47 zu 44. Zwei Zahlen, die Donald Trump seit dem Wochenende heimsuchen. Und die ihn kurz vor der Wahl zu haarsträubenden Aussagen verleiten.
Hinter den Kulissen der Trump-Kampagne brodelt es. „Warum mögen sie mich nicht?“, soll Donald Trump Mitarbeitende und nahestende Personen CNN zufolge mehrfach gefragt haben. „Sie“ meint Frauen. Und „sie“ könnten der Grund für eine gewisse Nervosität seitens der Trump-Kampagne sein.
Am Samstag veröffentlichte die US-Zeitung „Des Moines Register“ gemeinsam mit Mediacom Iowa Poll und dem Meinungsforschungsinstitut Selzer & Company eine Umfrage für den konservativen US-Bundesstaat Iowa. Darin liegt Trumps demokratische Konkurrentin Kamala Harris knapp vorn – 47 zu 44 Prozent. Die Fehlertoleranz liegt bei 3,4 Prozentpunkten. Vorherige Erhebungen hatten Trump in Iowa (teils weit) vorne gesehen, andere Umfrageportale wie „FiveThirtyEight“ sehen Trump nach wie vor in Führung.
Doch die Umfragen in den USA sind knapp, insbesondere in den wahlentscheidenden Swing States. Auf Iowa dürfte Trump gesetzt haben, er gewann dort auch 2016 und 2020. Und unter Unterstützern der Demokraten wird in den sozialen Netzwerken auf einmal die Frage laut: Wenn ein Sieg in Iowa möglich sein könnte, wo noch?
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Umfragen sind keine Wahlergebnisse. Dennoch soll Trump privat vor Wut geschäumt haben, berichtet CNN unter Berufung auf nahestehende Personen. Die Umfrage hätte nie veröffentlicht werden dürfen, soll er gesagt haben. Und öffentlich? Tut Trump das, was er meist tut: Selbstvergewisserung und eine düstere Zukunft malen.
Hätte das Weiße Haus „nicht verlassen sollen“
Der Republikaner schimpft über angeblich gefälschte Wahl-Umfragen und wiederholt die Lüge, US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten hätten 2020 die Wahl gestohlen. Bei einer Rally in Pennsylvania wird es noch düsterer. „Wir hatten die sicherste Grenze in der Geschichte unseres Landes, an dem Tag, an dem ich ging. Ich hätte nicht gehen sollen“, so Trump vor seinen Unterstützern. „Ich hätte nicht gehen sollen, ich meine, ehrlich, wir haben so gute Arbeit geleistet“.
Über die bevorstehende Wahl sät Trump schon jetzt Zweifel. Die Demokraten nennt er eine „dämonische Partei“. Er könne gegen Harris nur verlieren, wenn betrogen würde. Trotzdem ruft er seine Anhängerinnen und Anhänger auf, zur Wahl zu gehen, und gibt sich betont siegessicher. Einen solchen Widerspruch auf großer Bühne zu balancieren, schafft wohl nur Trump. Ob das Unentschiedene überzeugt, ist fraglich.
Wut, Rage, Aussetzer
Auch gelingt Trump in diesen letzten Tagen vor der Wahl kaum noch, was seine Kampagne in den vergangenen Monaten vielfach versucht hatte: ihn für die gesellschaftliche Mitte attraktiver zu machen. So polarisiert die USA sind, gibt es doch liberale Republikaner und konservative Demokraten. Anderen ist wichtig, dass die Spaltung nicht noch größer wird und die amerikanische Demokratie keinen weiteren Schaden nimmt. Diese Wählerinnen und Wähler müsste Trump ansprechen, um zu gewinnen.
Doch je näher der Wahltag rückt, desto kürzer scheint Trumps Geduldsfaden zu werden.
Am Wochenende sprach Trump erneut von den „Feinden im Inneren“, gegen die er notfalls das Militär einsetzen würde. Gemeint sind im Grunde alle, die nicht auf seiner Seite sind.
Kurz vorher sprach er auf einer Bühne in Arizona darüber, Liz Cheney – selbst Republikanerin, doch erklärte Trump-Gegnerin – bei einem Feuergefecht in schießende „Gewehrläufe“ blicken zu lassen. Der Bundesstaat prüft deshalb rechtliche Schritte gegen den Ex-Präsidenten.
Auch gegen seine Konkurrentin Harris wurde er mehrfach ausfallend. Sie sei eine „Scheiß-Vizepräsidentin“, „dumm“ und habe „keinen blassen Schimmer“ von der Wirtschaft. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Echten Trump-Fans sind diese Aussagen egal. Sie feiern sie sogar. Doch wissen auch Trump und seine Wahlkampfberater: Am Dienstag kommt es auf jede abgegebene Stimme an. Und die wenigen unentschiedenen Wählerinnen und Wähler, die es noch gibt, könnten Aussagen wie diese abschrecken.
Donald Trump hat ein Frauen-Problem
Doch eine der größten Schwierigkeiten der Trump-Kampagne sind die Frauen, das zeigen die bei CNN kolportierten Äußerungen. Die Mehrheit der Wählerinnen mag Trump nicht – und Frauen stellen mit 53 Prozent die Mehrheit des Wahlvolks. Viele mobilisiert das Recht auf Abtreibung, für das sich vor allem die Demokraten einsetzen. Andere fühlen sich von seiner vulgären Art abgestoßen oder sorgen sich um die Demokratie. Eine Umfrage von ABC News/Ipsos ergab, dass 56 Prozent der Wählerinnen für Harris stimmen wollen und lediglich 42 Prozent für Trump.
Sein Beraterstab warnte Trump deshalb, nicht mehr zu sagen, er wolle Frauen beschützen. Der Kommentar hat vor allem deshalb einen faden Beigeschmack, weil Trump sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Doch Trump verleitete der Hinweis seines Teams zu weiteren Aussagen in Wisconsin: „Ich will die Frauen in unserem Land schützen. Nun, ich werde es tun, ob es den Frauen gefällt oder nicht, ich werde sie beschützen.“
Trump Interview Psychologe 12:11
Beim Early Voting haben bereits rund 78 Millionen der insgesamt 244 Millionen wahlberechtigten US-Bürgerinnen und -Bürger ihre Stimme abgegeben. In den wichtigen Swing States haben vor allem Wählerinnen die Gunst der frühen Wahl genutzt. Keine guten Nachrichten für Trump.
Kurz vor dem Wahltag haben sowohl Harris als auch Trump Grund zu jeder Nervosität, auch wenn wenig Zeit dafür bleibt. Beide treten in mehreren Bundesstaaten auf und nutzen die letzten Stunden, um für sich zu trommeln, während die Umfragen knapp wie nie bleiben.
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Quellen: FiveThirtyEight, CNN, CNN2, Politico