Ein Schwein mit Vogelgrippe könnte einen Hybrid-Virus hervorbringen, der eine Pandemie wahrscheinlicher macht. Der Grund liegt in der Biologie der Tiere.
Vor diesem Fund hatten Wissenschaftler schon lange Angst: ein Schwein mit Vogelgrippe. Am vergangenen Mittwoch war es dann so weit. Das US-Landwirtschaftsministerium gab bekannt, dass das Virus in einem Tier auf einer kleinen Farm in Crook County, im Süden Oregons, nachgewiesen wurde. Es ist das erste Mal, dass sich ein Schwein in den USA mit der aktuellen Variante der Vogelgrippe infiziert hat. Die Nachricht hat die Sorgenfalten der Virologen dieser Welt tiefer werden lassen.
Aber warum eigentlich?
Mehrere hundert Millionen Vögel haben sich bereits infiziert, und auch die Liste der Säugetiere, die der aktuellen Variante des Vogelgrippevirus erliegen, wird stetig länger. Dass sich irgendwann auch Schweine anstecken würden, war absehbar. Trotzdem ist die Aufmerksamkeit nun besonders groß. Die Ursache liegt in der besonderen Biologie dieser Tiere.
Wenn Vogelgrippeviren sich mit Influeza vermischen
Schweine gelten als typische Mischgefäße. In ihnen finden Forscher sowohl Vogel-, Schweine- wie auch Menschen-Influenzaviren, da die Tiere von Vertretern aller drei Gruppen infiziert werden können. „Die menschlichen Grippeerreger werden regelmäßig auf das Schwein übertragen, wo sie dann weiter zirkulieren“, sagt Professor Timm Harder, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). Schweine besitzen eben sowohl Rezeptoren für Vogelgrippeviren als auch für humane Influenzaviren.
Befallen mehrere dieser unterschiedlichen Viren eine Zelle, kann sich ihr Erbgut kombinieren und das Virus neue Eigenschaften dazugewinnen.
Dieses Phänomen wird auch Reassortment genannt. Das genetische Material eines Grippevirus besteht aus acht RNA-Segmenten. Bei einer Infektion mit unterschiedlichen Influenza-Erregern können sich diese Segmente vermischen, was hunderte mögliche Kombinationen zur Folge hätte. Durch dieses Reassortment entsteht möglicherweise ein Virus, das Merkmale enthält, die es übertragbarer und virulenter machen. Es wird vermutet, dass eben dieser Prozess die H1N1-Schweinegrippe 2009 hervorgebracht hat, die glücklicherweise zu einer vergleichsweise milden Pandemie geführt hat. Das Virus enthielt Gene von Viren, die von nordamerikanischen Schweinen, eurasischen Schweinen, Menschen und Vögeln stammten.
Neben dem Reassortment sind jedoch vermutlich noch weitere Mutationen notwendig, um zu einem Pandemie-Virus zu werden. Doch auch hier sind Grippeviren äußerst reaktionsfreudig. Sie mutieren ständig in einem Prozess, der als genetische Drift bekannt ist, weshalb man jedes Jahr eine neue Grippeimpfung braucht. Auch das aktuelle Vogelgrippe-Virus vom Typ 2.3.4.4b hat sich bereits verändert. Welche Rolle die Mutationen spielen, ist jedoch nicht klar.
Wird die Grippesaison zur Gefahr?
Auch was der Fund des infizierten Schweins für die Zukunft bedeutet, lässt sich heute noch nicht abschätzen. So wissen die Forscher zum Beispiel noch nicht, ob das Virus sich auch auf andere Tiere übertragen hat.
Wenn sich die Infektion nicht von Schwein zu Schwein ausbreite und nur in einem einzigen Betrieb bliebe, wäre das keine große Sache, sagte der Virologe Florian Krammer von der Mount Sinai’s Icahn School of Medicine in New York gegenüber amerikanischen Medien. „Wenn sie sich von Schwein zu Schwein ausbreitet, ist das ein viel größeres Problem“, so Krammer. „Wenn sie in großen Schweinepopulationen in den USA auftaucht, ähnlich wie bei Kühen, dann wäre das eine Katastrophe“.
Eine Vermischung unterschiedlicher Viren kann theoretisch jedoch auch im Menschen passieren. In der Regel stecken sie sich zwar nur selten an. Breitet sich das Virus auf Bauernhöfen aus, sieht das schon anders aus. Seit Monaten wütet die Vogelgrippe in amerikanischen Milchviehbetrieben. Mittlerweile haben sich dort mehr als 40 Menschen infiziert. Da die übliche saisonale Grippesaison näher rückt, sorgen sich einige Experten, dass die Viren hier bald aufeinandertreffen könnten.