Sie wird die erste Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Wo sieht sie ihre Schwerpunkte in den kommenden Jahren?
Im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und die umfassende Reform der Kirche sieht die neugewählte Präsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Christiane Tietz, ihre Schwerpunkte für die kommenden Jahre. Sie wolle Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch weiter vorantreiben und die Kirche so umstrukturieren, dass weiterhin gute Arbeit vor Ort möglich ist, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Die 57-Jährige ist im September von der Synode zur Nachfolgerin von Kirchenpräsident Volker Jung gewählt worden, der nicht mehr antrat. Tietz ist die erste Frau als Oberhaupt der EKHN. Die Amtsübergabe ist Ende Januar.
Schutz gegen Missbrauch weiter ausbauen
„Wir haben eine sehr gute Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt, die auch als einziger Stabsbereich direkt dem Kirchenpräsidenten zugeordnet ist“, sagte Tietz. Man brauche Schutzkonzepte in allen Einrichtungen, die sich genau danach richten, was am spezifischen Ort nötig ist. „In vielen Einrichtungen, darunter alle Kitas, haben wir solche Konzepte bereits, aber bei einigen Gemeinden und gesamtkirchlichen Einrichtungen ist dieser Prozess noch im Gang.“
Es müsse bei jedem vor Ort ankommen. Ein Schutzkonzept sei nicht etwas Abstraktes, sondern ein Konzept für unsere Kita, ein Konzept für unsere Gemeinde, also ganz konkret. „Wir müssen das so bearbeiten, dass das Taten nicht mehr begünstigt.“ Man müsse schauen, was an Räumlichkeiten oder Tageszeiten nicht gut ist. Müssen manche Sachen Menschen im Team machen und nicht alleine. „Es muss bei jedem vor Ort ankommen. Jede Gemeinde muss dafür sensibilisiert werden. Jeder, der als Pfarrperson anfange, alle Ehrenamtlichen müssten Fortbildungen machen.“
Studie untersucht Ausmaß des Missbrauchs
Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie untersuchte sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche zwischen 1945 und 2020. Von der EKHN wurden hierzu 45 Verdachts- und bestätigte Fälle gemeldet. Dies sind aber nur Fälle sexualisierter Gewalt zwischen Erwachsenen und Kindern. Mit Fällen zwischen Erwachsenen oder zwischen Kindern verzeichnet die EKHN derzeit 96 Meldungen, geht aber davon aus, dass das Dunkelfeld größer ist. Viele Fälle sind verjährt.
Reformdruck unter Sparzwang
Sinkende Mitgliederzahlen bedeuten für die EKHN mit ihren rund 1,3 Millionen Mitgliedern in Hessen und Rheinland-Pfalz auch weniger Kirchensteuereinnahmen. „Die Idee ist, die Kirche so umzustrukturieren, dass weiterhin vor Ort gute Arbeit möglich ist.“, sagte Tietz. Die EKHN befinde sich im großen Reformprozess 2030. Aus einzelnen Gemeinden sollten Nachbarschaftsräume werden. Das seien größere Einheiten, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakone oder Kirchenmusiker als Team zusammenarbeiten und die Arbeit anders aufgeteilt wird als bisher. Alleine die Pfarrstellen müsse man im Zuge der Reform um rund 30 Prozent reduzieren.
Junge Leute an Kirche binden
„Mir persönlich ist unsere Arbeit in den Kindertagesstätten ziemlich wichtig, weil gerade die frühe Prägung von Kindern mit evangelischer Frömmigkeit sehr nachhaltig ist“, sagte Tietz. Man sei wegen einer Übernahme der Unterhaltskosten für die Gebäude mit den Kommunen in Verhandlung. Diese hätten ja auch großes Interesse daran, dass es weiter kirchliche Kindertagesstätten gebe. Die Signale seien aber sehr unterschiedlich. Schon heute würden 80 bis 90 Prozent bei den Kitas von staatlicher Seite finanziert.
Auch bei den Konfirmanden müsse man neue Wege gehen. „Man beobachtet, dass zur Konfirmation noch sehr viele gehen, es aber schwierig ist, sie danach zu halten. Dafür gibt es schon passende Angebot, die müssen aber noch verbessert und noch bekannter werden.“