„Polizeiruf 110“ aus Magdeburg: Traumatisierter Täter trifft traumatisierte Ermittlerin

Ein junger Mann tötet einen Mitreisenden im Zug und behauptet, sich an nichts zu erinnern. „Polizeiruf 110“-Kommissarin Brasch stößt auf eine tragische Familiengeschichte.

4 von 5 PunktenKomplexer Krimi mit einem starken Hauptdarsteller und einem überraschenden Ende

Worum geht’s?

Der 21-jährige Adam Dahl (Eloi Christ) und sein Freund Tomislav Bogunovic (Kai Müller) sind im Zug unterwegs zurück nach Magdeburg. Das Paar hat ein Partywochenende in Berlin verbracht. Nun soll Tomislav Adams Eltern kennenlernen – den früheren LKA-Direktor Klaus-Volker Dahl und seine Frau Bianca, eine renommierte Psychologin. Während der Zugfahrt steigt Christof Oschmann (Helge Tramsen) zu den beiden Männern ins Abteil. Als Oschmann lautstark telefoniert und flucht, verliert Adam plötzlich die Nerven: Mit einem Nothammer schlägt er ihm auf den Kopf und tötet ihn mit größter Brutalität. Für Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) sieht es nach einer schnellen Lösung des Falls aus, immerhin sind Täter und Tatwaffe bereits bekannt. Was fehlt, ist das Motiv: Adam Dahl behauptet, sich nicht erinnern zu können und Christof Oschmann noch nie getroffen zu haben.STERN PAID Tatort Ton 19.05

Warum lohnt sich der „Polizeiruf 110: Black Box“?

Die „Polizeiruf“-Folge aus Magdeburg ist kein Krimi im klassischen Sinne, denn der Täter steht ab den ersten Minuten fest. Vielmehr geht es darum, sein Motiv zu entschlüsseln. Während Braschs Vorgesetzter Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) darauf beharrt, sich „auf die Fakten zu konzentrieren“, setzt die Ermittlerin auf psychologische Methoden wie Hypnosesitzungen bei Täter Adam Dahl. So taucht Brasch tief ein in ein düsteres Kapitel Familiengeschichte und rollt nebenher noch zwei alte, abgeschlossene Fälle auf, die für die Lösung des Falls entscheidend sind. Drehbuchautorin Zora Holtfreter und Regisseurin Ute Wieland ist ein emotional packendender Film gelungen, der immer wieder neue Wendungen nimmt und die Zuschauer zwischenzeitlich auch auf falsche Fährten führt. So bleibt die Spannung konstant gewahrt.

Was stört?

Im Dezember 2020 wurde die „Polizeiruf 110“-Episode „Der Verurteilte“ ausgestrahlt. In dem Film geht es um ein Mörder-Ehepaar, das Kommissarin Doreen Brasch  entführt und in einem verlassenen Fabrikgebäude quält. Nicht allen Zuschauerinnen und Zuschauern dürfte die Handlung noch präsent sein. In der Folge „Black Box“ gibt es immer wieder Anspielungen auf die vergangenen Geschehnisse. Brasch leidet infolge des Erlebten unter Panikattacken und Klaustrophobie. Dass eine offensichtlich nicht einsatzfähige Beamtin im Dienst ist, erscheint nicht wirklich nachvollziehbar. Ganz so, als hätte das Magdeburger Kommissariat nur eine verfügbare Kollegin. Eine traumatisierte Polizistin trifft auf einen traumatisierten Täter: Diese Konstellation schafft – mal wieder – die persönliche Verwicklung einer Ermittlerin in einen Fall. Dabei wäre das bei der starken Geschichte gar nicht nötig gewesen.Tatort Ausstiege 10.45

Die Kommissare?

Seit 2020 ermittelte Günther Márquez (Pablo Grant) an der Seite von Kommissarin Doreen Brasch. In diesem Fall bekommt Márquez mehr Aufmerksamkeit. Ein richtiges Team sind die Ermittler allerdings nicht: Die zu Alleingängen neigende Kommissarin arbeitet mal wieder nach ihren eigenwilligen Methoden. Tragisch: Schauspieler Pablo Grant starb im Februar 2024 im Alter von nur 26 Jahren an den Folgen einer Thrombose.

Ein- oder ausschalten?

Der Fall „Black Box“ ist keine leichte Kost zum Anschauen, aber das Einschalten lohnt sich.

Die „Polizeiruf 110“-Folge „Black Box“ wurde erstmals am 3. Juli 2022 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Film am Freitag, 1. November 2024, um 22.50 Uhr.

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