Als Reaktion auf die Hinrichtung des im Iran inhaftierten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd hat das Auswärtige Amt am Dienstag den iranischen Geschäftsträger in Berlin einbestellt. „Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt und behalten uns weitere Maßnahmen vor“, erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte die Hinrichtung einen „Skandal“. Die iranische Regierung wies die deutsche Kritik unterdessen mit scharfen Worten und Vorhaltungen zurück.
Zusätzlich zur Einbestellung des iranischen Geschäftsträgers in Berlin berief Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den deutschen Botschafter in Teheran, Markus Potzel, zu Konsultationen zurück nach Berlin, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß. Zuvor habe dieser direkt beim iranischen Außenminister Abbas Araghtschi auf das Schärfste gegen Sharmahds Hinrichtung protestiert.
Da zurzeit kein iranischer Botschafter in Berlin akkreditiert ist, führt dem Auswärtigen Amt zufolge ein Geschäftsträger vorübergehend die Geschäfte die Botschaft in Berlin. Der bisherige Botschafter Mahmud Farasandeh war im Juli abberufen wurden, ein Nachfolger wurde noch nicht entsandt.
Die iranische Justiz hatte am Montag auf ihrem offiziellen Portal die Vollstreckung des Todesurteils gegen Sharmahd bekanntgegeben. Der Deutsch-Iraner, der zuletzt in den USA lebte, war im August 2020 von iranischen Behörden festgenommen worden. Nach Angaben seiner Familie wurde er bei einem Zwischenstopp in Dubai vom iranischen Geheimdienst in den Iran verschleppt.
Im Februar 2023 wurde Sharmahd zum Tode verurteilt. Die iranische Justiz warf ihm vor, im Jahr 2008 an einem Anschlag auf eine Moschee mit 14 Toten und 300 Verletzten in der südiranischen Stadt Schiras beteiligt gewesen zu sein. Zudem wurde er beschuldigt, Anführer der Oppositionsgruppe Tondar (deutsch: Donner) zu sein, die das politische System der Islamischen Republik Iran ablehnt und für die Wiedereinführung der Monarchie eintritt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Hinrichtung als einen „Skandal, den ich auf das Schärfste verurteile“. Sharmahd habe nicht einmal die Gelegenheit erhalten, sich im Prozess gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, schrieb Scholz auf X.
CDU-Chef Friedrich Merz, der Anfang 2023 eine politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hatte, schrieb auf X, es handele sich um ein „scheußliches Verbrechen“. Weiter rief er die der Bundesregierung zu einer „entschlossene Antwort“ auf und betonte, dass der Ansatz der „stillen Diplomatie“ mit Teheran gescheitert sei.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb am Dienstag auf X, es würden Maßnahmen als Reaktion auf die Exekution des EU-Bürgers Sharmahd geprüft. Dagegen warb der SPD-Außenpolitiker Michael Roth dafür, die diplomatischen Kanäle mit dem Iran offenzuhalten.
Irans Außenminister Araghtschi wies Deutschlands Kritik an der Hinrichtung scharf zurück. „Kein Terrorist genießt im Iran Straffreiheit“, auch nicht wenn er „von Deutschland unterstützt“ werde, erklärte er auf X an Außenministerin Baerbock gerichtet. „Hören Sie auf, Kindermörder und Terroristen zu unterstützen und verstecken Sie sich nicht hinter heuchlerischen Menschenrechtsparolen“, hieß es weiter. Den Iran für Sharmahds Hinrichtung zu verurteilen, verdrehe die Tatsachen, urteilte Araghtschi.
Der in Teheran geborene Sharmahd war in Deutschland aufgewachsen und 2003 in die USA ausgewandert. Nach Angaben seiner Familie hatte er keinen iranischen Pass. Teheran akzeptiert keine doppelte Staatsbürgerschaft.
Sharmahds Tochter Gazelle verlangte am Montag Beweise für den Tod ihres Vaters. Sie warte darauf, die US- und die Bundesregierung zu sprechen und zu prüfen, ob diese Beweise für die Hinrichtung ihres Vaters hätten, erklärte Gazelle Scharmahd auf X. Weiter forderte sie die „sofortige Rückkehr meines Vaters (tot oder lebendig)“ und eine „schwere Strafe für die Mörder des islamischen Regimes“.
Gegen die Regierungen in Deutschland und den USA erhob die Tochter des Oppositionellen schwere Vorwürfe. In ihrem Beitrag auf X bezeichnete sie diese als „inkompetent“ und „korrupt“ und warf ihnen vor, ihren Vater in Verhandlungen im Stich gelassen zu haben.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, Außenministerin Baerbock habe mit Gazelle Sharmahd gesprochen und dieser im Namen der Bundesregierung ihr Beileid ausgesprochen. Der Wunsch der Tochter, den Leichnam schnell zu überführen, damit die Familie Abschied nehmen kann, werde „ausdrücklich unterstützt“.
Zudem erklärte Baerbock, ihre Behörde habe „jeden Tag an diesem Fall gearbeitet“ und „Teheran immer wieder unmissverständlich klar gemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird“.