Antisemitischer Anschlag: Gedenken an Anschlag von Halle: Mahnung gegen Antisemitismus

Vor fünf Jahren versuchte ein rechtsextremer Attentäter, die Synagoge von Halle (Saale) zu stürmen. Zwei Passanten starben. Bis heute wirkt die Tat nach – und veränderte das Leben vieler Menschen.

Beim Gedenken an die Opfer des rechtsextremen Anschlags in Halle (Saale) vor fünf Jahren haben Politiker ein entschlossenes Einstehen gegen Antisemitismus gefordert. „Das ist die Lehre von Halle: Auf jeden Einzelnen von uns kommt es an“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer Gedenkveranstaltung. „Es ist Zeit zu widersprechen, wo jemand gegen Minderheiten vorgeht. Es ist Zeit für Solidarität, wo jemand angegriffen wird.“

Die Wahrheit sei aber auch, dass es täglich schwieriger werde, den Kampf gegen den Terror zu führen. Die Hemmschwelle für Hass sinke und die Netzwerke des Hasses seien immer schwerer aufzuspüren. „Es ist bitterer Alltag, dass Jüdinnen und Juden an jedem einzelnen Tag befürchten müssen, angegriffen, beleidigt, bespuckt zu werden.“ Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel scheine sich in Deutschland und vielen anderen Ländern geradezu ein Ventil für einen ungezügelten Judenhass geöffnet zu haben. 

Vor fünf Jahren hatte ein rechtsextremer Attentäter aus Sachsen-Anhalt versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen. Mehr als 50 Gläubige feierten dort den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Als ihm die Erstürmung der Synagoge nicht gelang, tötete der Mann in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf seiner Flucht mehrere weitere Personen. Der Attentäter wurde schließlich von der Polizei gestellt. Ein Gericht verurteilte ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Hakenkreuzschmierereien und herausgerissene Stolpersteine überschatten Gedenken

Im Umfeld des Gedenkens an den Anschlag hatte es in Sachsen-Anhalt mehrere mutmaßlich rechtsextremistische Zwischenfälle gegeben. So wurde nach Polizeiangaben eine Gedenktafel in der Nähe eines Imbisses, in dem bei der Tat vor fünf Jahren ein junger Mann erschossen wurde, mit Hakenkreuzen beschmiert. Anfang der Woche wurden in der rund 50 Kilometer entfernten Stadt Zeitz sämtliche Stolpersteine, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern, aus dem Boden gerissen und gestohlen. 

In der Tat eines Einzelnen zeigten sich Muster und Einstellungen, die sich in der Gesellschaft auf erschreckende Weise verbreiteten, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Rahmen des Gedenkens. „Dieser Tag hat schmerzlich gezeigt, dass Antisemitismus, Rassismus und extreme Einstellungen unser Zusammenleben in hohem Maße belasten.“ Der 9. Oktober 2019 sei eine tiefe Zäsur in der Geschichte des Landes gewesen. „Nichts ist mehr so wie vorher.“ Von Gedenktagen müsse aber auch Hoffnung ausgehen, betonte der Ministerpräsident. Seitdem seien zwei Synagogen in Sachsen-Anhalt neu gebaut worden. Dies zeige, dass jüdisches Leben stabil bleibe. 

Zentralrat der Juden: Misstrauen in Politik und Sicherheitsinstitutionen

An die Verantwortung jedes Einzelnen, Hass und Gewalt entgegenzustehen, erinnerte auch Conrad Rößler, der sich versteckte, als der Attentäter einen Imbiss stürmte und dort einen Menschen erschoss. Erst habe er Angst gehabt, nach der Tat sei er erleichtert gewesen. Fünf Jahre später spüre er Dankbarkeit für den Zusammenhalt, aber auch Wut. „Ich bin wütend in einem Land zu leben, in dem Politiker sich über rassistische Angriffe empören, aber zu wenig tun, um diese zu verhindern“, sagte er bei einer öffentlichen Veranstaltung der Stadt Halle. „Und ich bin wütend auf mich, weil ich zu feige bin, dem Nazi, der in der Straßenbahn rumpöbelt, meine Meinung zu sagen.“

Deutliche Kritik an Sicherheitsbehörden und Politik äußerte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Für die Überlebenden habe sich nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Sicherheitsgefühl für immer verändert. Es sei nicht nur die Erinnerung an den Tag selbst, sondern auch der ständige Kampf mit Ängsten und einem tiefen Misstrauen gegenüber Staat und Sicherheitsinstitutionen. 

Stadt gedenkt in vielen Formen der Opfer des Anschlags

„Der Anschlag von Halle scheiterte und wurde doch nicht verhindert“, sagte Schuster. „Das muss leider immer wieder betont werden.“ Viele Juden würden das Gefühl, nicht geschützt zu sein, kennen, betonte Schuster. Diese Tatsache müsse Politik und Gesellschaft aufwecken. „Sie stehen in der Pflicht, dieses Vertrauen Stück für Stück wieder zurückzugewinnen.“

Neben verschiedenen Gedenkveranstaltungen unter anderem in der Synagoge und auf dem Marktplatz von Halle (Saale) wurde auch an anderen Stellen der Stadt der Opfer des Anschlags gedacht. An zentralen Orten hingen große Plakate. Zum Zeitpunkt der ersten Schüsse an der Synagoge läuteten um 12.03 Uhr die Kirchenglocken der Stadt. Die Synagoge erhielt eine neue Torarolle, deren letzter Buchstabe vor Ort geschrieben wurde.

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