„ZDF Magazin Royale“: „Getarnte Propaganda“ – Was Anzeigenblätter mit dem Erfolg der AfD zu tun haben

Warum ist die AfD in Ostdeutschland so erfolgreich? Jan Böhmermann sucht im „ZDF Magazin Royale“ eine Antwort – und findet sie in kostenlosen Anzeigenblättern.

„Jede Woche ein Comeback“: Mit diesen Worten wird Jan Böhmermann zu Beginn der neuen Ausgabe seines „ZDF Magazin Royale“ angekündigt. Doch wer erwartet hat, der Satiriker werde sich in den kommenden 30 Minuten an Stefan Raab abarbeiten, der in dieser Woche auf den Bildschirm zurückgekehrt ist, sieht sich enttäuscht: Ein, zwei kleine Sticheleien, mehr hat Böhmermann für seinen Kollegen nicht übrig. 

Stattdessen geht er schnell über zum eigentlichen Thema der Sendung. #ZDFMagazinLokal, der Hashtag der Woche, deutet an, worum es diesmal geht: um den Niedergang des Lokaljournalismus und seine Folgen. Seit Jahrzehnten gehen Anzeigen und Auflagen zurück, davon besonders betroffen sei der Osten, da die Zustellung dort komplizierter und teurer sei.

Jan Böhmermann über den Rückgang des Lokaljournalismus

Die Auswirkungen des Rückgangs: Redaktionszusammenlegungen, Stellenstreichungen, das Einstellen von Printausgaben. Mittlerweile gebe es ganze Landstriche, in denen keine Lokalzeitung mehr ausgeliefert werde. 

Mit Folgen. Christian Wellbrock von der Hamburg Media School weist auf zahlreiche internationale Studien hin, die belegten: Wenn Lokaljournalismus wegfalle, leide die demokratische Gesellschaft. Die Konsequenzen reichten von geringerer Wahlbeteiligung, über eine stärkere gesellschaftliche Polarisierung bis hin zu extremen Wahlergebnissen.STERN PAID 19_23 Titel Interview Jan Böhmermann 6.14

Der Rückzug von Lokalpresse hinterlässt ein Informationsvakuum, das von kostenlosen Anzeigenblättern gefüllt werde, so Böhmermann. Deutschlandweit gebe es 712 Anzeigenblätter mit einer Gesamtauflage von mehr als 46 Millionen Exemplaren.

„Als Journalismus getarnte Parteipropaganda“

Welche Inhalte damit ungefragt ins Haus flattern, demonstriert Böhmermann anhand einiger Beispiele. In der „Bürgerzeit aktuell“ im thüringischen Greiz wird schon mal gefordert, Ex-Kanzlerin Merkel, Christian Drosten, Jens Spahn und Co. vor Gericht zu stellen. Das Gratisblatt in Gera wird herausgegeben und inhaltlich verantwortet von dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Stadtrat. Entsprechend lesen sich dann die Inhalte. „Wie Telegram, nur ausgedruckt“, bringt es Böhmermann auf den Punkt.

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Man nutze die Akzeptanz der Anzeigenblätter vor Ort, um „bedarfsorientiert Hass und Hetzparolen in die sozialen Räume zu streuen“, wird der thüringische Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer zitiert. 

Jan Böhmermann selbst findet einen anderen Begriff dafür: „als Journalismus getarnte Parteipropaganda“. Und findet einen Kampfbegriff, analog zum bei Rechten verhassten ÖRR, dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Böhmermann spricht vom ORR, dem Ostdeutschen rechtsextremen Regionalanzeiger. Seine plakative Forderung: „Nein zum ORR“.

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