Fernsehen: Zwischen Traurigkeit und Freiheitsdrang: „Der Gymnasiast“

Christophe Honoré ist ein Meister traurig-schöner Filme. In „Der Gymnasiast“ trauert ein schwuler Teenager nach dem Unfalltod seines Vaters. Eine deutsche Erstausstrahlung im RBB-Fernsehen.

Das Fernsehen vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zeigt 2024 schon zum siebten Mal im Sommer eine „Filmreihe jenseits der Hetero-Norm“. „RBB queer“ heißt das Ganze. Als „queer“ bezeichnen sich Nicht-Heterosexuelle beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sex identifizieren. 

Einer der Höhepunkte innerhalb der RBB-Reihe ist diesmal am morgigen Donnerstag die deutsche Erstausstrahlung des französischen Coming-of-Age-Films „Der Gymnasiast“ (23.35 Uhr).

Der Spielfilm von Christophe Honoré (Originaltitel: „Le Lycéen“) spielt in den französischen Alpen und in Paris – Newcomer Paul Kircher spielt die Hauptrolle, gewann dafür 2022 beim Festival von San Sebastian den Preis als bester Darsteller. Juliette Binoche spielt seine Mutter, Vincent Lacoste den großen Bruder. Honoré selbst ist kurz als Vater zu sehen.

Der 17-jährige Lucas, der mit seinem Freund Oscar rummacht, darin jedoch nicht die große Liebe sieht, hat schon zu Beginn mit seinem Vater einen Autounfall. Es scheint ein böses Omen, denn wenig später stirbt Lucas‘ Vater tatsächlich am Steuer seines Wagens. 

Wellen von Wut und Trauer

Der Film zeigt eindrucksvoll die Wellen von Wut und Trauer, die tiefen Verletzungen, die einen nach einem Todesfall heimsuchen können. Mutter Isabelle, der in Paris lebende Künstler-Bruder Quentin, andere Verwandte – alle haben ihre eigene Art, mit dem Verlust umzugehen.

Zur Ablenkung besucht Lucas seinen Bruder in Paris, mit dem er ein Verhältnis zwischen Aggression und Zärtlichkeit, Distanz und Nähe, hat. Er beginnt, sich für Quentins Mitbewohner Lilio (Erwan Kepoa Falé) zu interessieren. In einer Kirche spricht Lucas mit einem Priester über die Auferstehung Jesu, hat aber auch ein anonymes Sexdate via Dating-App.

Regisseur Honoré zeigt mit diesem Werk erneut, wie sehr er ein Meister melancholischer Filme ist. „Der Gymnasiast“ ist wohl sein bisher persönlichster Film, denn er verlor selbst als Teenager seinen Vater durch einen Unfall.

Honoré (54) hat schon einige radikale Filme geschaffen, darunter die Musical-Tragikomödie „Chanson der Liebe“ (2007), ein bisexueller Beziehungsreigen mit Todesfall. 

In „Die Liebenden – von der Last, glücklich zu sein“ (2011) zogen Catherine Deneuve und ihre (echte) Tochter Chiara Mastroianni durch Liebeswirrungen in mehreren Jahrzehnten. Und in „Sorry Angel“ (2018) wurde eine schwule Liebesgeschichte in Zeiten der Aids-Krise der 1990er Jahre erzählt – ohne Happy-End.

Die Musik ist Teil der Handlung

Bedeutsam ist bei Honoré stets die Musik: Sie wird gemeinsam gehört oder auch sich vorgespielt. Wenn Isabelle und ihre Söhne einen Song für die Trauerfeier suchen und auf „Electricity“ von OMD stoßen, blitzt beim Tanzen die Hoffnung auf, es könne doch mal wieder schön werden. Später hört der depressive und suizidgefährdete Lucas das für eine Beerdigung zu schnelle Lied beim Sex mit seinem Freund. Da passt es besser. 

Übrigens setzt der RBB nicht als einziger ARD-Sender im Sommerprogramm auf queere Filme. Der BR (Bayerische Rundfunk) hat mit „BR queer“ seit 2022 ebenfalls eine solche Reihe. Im vergangenen Jahr schloss sich auch der Westdeutsche Rundfunk an (WDR queer). 

In der ARD-Mediathek sind die Filme besonders erfolgreich. Dort seien sie 2023 insgesamt mehr als 2,6 Millionen Mal abgerufen worden, hieß es vor paar Wochen von den beteiligten Sendern. 

In diesem Jahr hat auch der ARD-Kanal One erstmals „One queer“ im Angebot. Er zeigt unter anderem am 3. August den britischen Schwulenfilm-Klassiker „Maurice“ von 1987 (Regie: James Ivory), in dem der junge Hugh Grant zusammen mit James Wilby brilliert.

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