CDU-Spitzenkandidat in Brandenburg: Wahlkampf nach Alkoholfahrt: Der schwierige Fall des Jan Redmann

Selten war die CDU in Brandenburg der Macht näher als dieses Jahr. Doch dann fuhr ihr Spitzenkandidat betrunken E-Scooter. Was macht das mit ihm?

Eine breite Dorfstraße zwischen geduckten Häusern. Ein naher See, in dem sich hervorragend baden lässt. Ein altes Herrenhaus, in dem Theodor Fontane einst zu Gast war. 

Kleßen im Havelland-Kreis ist, anders lässt sich das kaum sagen: sehr brandenburgisch. Und nebenbei die kleinste Gemeinde im Land. Genau deshalb hat die CDU entschieden, ihre Kampagne für die Landtagswahl am 22. September hier zu beginnen. Das wirkt schön bodenverhaftet, heimatverbunden und konservativ. 

Und so bescheint die milde Abendsonne eine Hüpfburg, einen Grill und einen Getränkestand, die auf einer Wiese aufgebaut sind. Überall sind Plakate zu sehen, von denen ein modisch bebrillter Mann lächelt. Auf ihnen steht: „Jan Redmann – Ministerpräsident von Brandenburg“. 

Mit 1,3 Promille durch Potsdam-Babelsberg

Inmitten dieses ländlichen Arrangements, in Jeans und mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, steht der leibhaftige Spitzenkandidat und spricht davon, wie die Migration endlich kontrolliert und der Nahverkehr ausgebaut werden müsse. Die CDU und er würden Brandenburg „in einen Aufbruch steuern“, ruft Redmann ins Mikrofon. 

Brandenburger CDU-Spitzenkandidat Redmann mit 1,3 Promille auf E-Scooter erwischt

Schließlich senkt er seine Stimme. „Ich habe einen Fehler gemacht“, sagt er. „Ich bin deshalb hart mit mir ins Gericht gegangen.“ Dann hebt er seine Stimme: „Ich werde diesen Fehler wieder ausbügeln.“ Etwa 50 Parteifunktionäre, Anwohner und Neugierige spenden milden Applaus.

Es war vor knapp zwei Wochen in Potsdam-Babelsberg, als die Polizei den Bürger Jan Redmann kontrollierte. Der Politiker war auf einem E-Scooter unterwegs, der als vollwertiges Verkehrsmittel gilt. Der Alkoholtest ergab 1,3 Promille. Falls der Blutalkoholwert, der noch nicht vorliegt, das Ergebnis bestätigt, wäre dies eine Straftrat. 

Redmann versuchte sich in Schadenbegrenzung. In einer Mitteilung und einem Video schilderte er den Vorgang als Moment der Katharsis: „Für mich fühlt es sich richtig an, Ihnen offen und ehrlich von meinem Fehler zu berichten.“

Doch an der vorgezeigten Offenheit kamen Zweifel auf, als der interne Polizeibericht bekannt wurde. Laut den Beamten wurde Redmann nicht „routinemäßig“ kontrolliert, wie er gesagt hatte, sondern „aufgrund seiner Fahrweise“. 

Redmann bleibt auch in Kleßen bei seiner Darstellung. „Ich wurde von der Polizei mit der Ansage der allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten“, sagt er dem stern. „Ein anderer Grund wurde mir nicht genannt.“

Landtagswahl findet am 22. September statt

Die Wahlberechtigten in Brandenburg müssen am 22. September entscheiden, ob sie Redmann nach seinen bisherigen 44 Lebensjahren beurteilen – oder nach jenem Moment mit dem Elektroroller. Es scheint wie eine Kleinigkeit. Andererseits: Wie, bitte, kam er auf die Idee, als Spitzenkandidat betrunken durch die Stadt zu fahren?

Es ist ein schwieriger Fall. Die Stimmung auf der Wiese in Kleßen ist eher nachsichtig. „Er hat sich entschuldigt und fertig“, sagt ein alter Mann aus dem Dorf. „Das kann doch jedem mal passieren“, sagt die Frau neben ihm.

Nun ist Redmann nicht jeder. Er will Regierungschef werden. Der promovierte Volljurist, der abwechselnd in der heimischen Prignitz und der Landeshauptstadt Potsdam lebt, hat eine Musterparteikarriere absolviert. 

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Mit 27 Jahren war er Landesvorsitzender der Jungen Union, mit 32 Vize-Chef der Brandenburger CDU und mit 39 Vorsitzender der Landtagsfraktion. Mittlerweile hat er auch den Landesparteivorsitz übernommen, sitzt im Bundesvorstand und ist Spitzenkandidat für die Landtagswahl.

Durch Widerstand gegen Neonazis in Politik gefunden

In der CDU gilt Redmann, der 2021 seine Partnerschaft mit einem Mann öffentlich machte, eher als liberal. Seine Politisierung, sagt er, habe in den „sogenannten Baseballschläger-Jahren“ stattgefunden, als Neonazis das Brandenburger Land unsicher machten. Als in seiner Heimatstadt ein Döner brannte, habe er als Schülersprecher einen Gedenkmarsch organisiert.

Aber warum die Union? Ihn habe, antwortet Redmann, das Vorgehen des damaligen CDU-Innenministers gegen die Rechtsextremisten beeindruckt. Jörg Schönbohm habe damals einfach ein Polizeikommando in die Stadt geschickt. „Irgendwann war Ruhe.“ 

Die Geschichte steht so ähnlich auch auf der Internetseite des Kandidaten. Sie fügt sich ein in die Erzählung von einem starken Staat, der seine Grenzen mit Bundesbeamten schützen muss, aber eben auch von einer CDU, die nicht offen ist für Rechtsextremismus. 

Brandenburg war bisher immer SPD-Land

Die AfD, sagt Redmann, sei keine Option für nichts. Aber auch von den Grünen grenzt er sich neuerdings deutlicher ab. Sachsen-Anhalt und Berlin hätten bewiesen, dass es auch ohne sie gehe, sagt er. „Nur eine starke CDU ist die Garantie dafür, dass sich etwas ändert.“ 

Doch ob der Machtwechsel klappt, musste schon vor der Alkoholfahrt als ungewiss gelten. Schließlich stellt die SPD in Brandenburg schon seit 1990 ununterbrochen die Ministerpräsidenten. Seit 2013 ist Dietmar Woidke im Amt, mit der CDU und den Grünen als Juniorpartner.

Tatsächlich hat die CDU in den Umfragen mit 19 Prozent Augenhöhe zur SPD erreicht. Allerdings ist diese Perspektive trügerisch. Zum einen war das vor fünf Jahren auch so, bevor Woidke seinen Amtsbonus ausspielte und am Ende mit 26 Prozent gut zehn Punkte vor der Union landete. Zum anderen liegt die AfD bei 23 Prozent – und von hinten kommt das BSW mit 16 Prozent immer näher. 

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Was für Redmann spricht: Er scheint die Landespartei, die lange wegen ihrer chronischen Selbstzerfleischung „Brandenburger Schlachtplatte“ hieß, tatsächlich geeint zu haben. Zumindest nach außen tritt der Verband erstmals seit Jahrzehnten geschlossen auf. 

Niemand will sich kritisch äußern. Natürlich sei die Sache mit dem E-Scooter „Mist“, sagt der Bundestagsabgeordnete Uwe Feiler in Kleßen. „Aber der Jan ist sehr offen damit umgegangen.“ Noch vor der öffentlichen Erklärung habe er alle Mitglieder per E-Mail informiert. 

Doch der Fall hängt an ihm, die Opposition will ihn treiben. Dass SPD, Linke und Grüne an diesem Mittwoch eine Sondersitzung der Ausschüsse für Innen- und Rechtspolitik einberufen haben, hält Feiler natürlich für übertrieben. „Aber im Wahlkampf ist das auch normal“, sagt er dem stern. „Das müssen wir sportlich nehmen.“

Ganz so gelassen will es Redmanns Generalsekretär Gordon Hoffmann nicht betrachten. „Wir wissen alle, dass die Rollerfahrt nicht die beste Idee war“, sagt er. Aber die Frage, die er von den Brandenburgern höre, sei: „Gibt es nichts Wichtigeres?“

Redmann weiß, dass er die nächsten beiden Monate bis zur Wahl noch oft auf den verhängnisvollen Abend in Potsdam angesprochen werden dürfte. Also tut er es lieber selbst, zumal er, wie er sagt, immerhin bekannter geworden sei. 

In Kleßen, am Getränkestand, steht der Spitzenkandidat neben zwei Männern und gießt sich Mineralwasser in einen Pappbecher ein. „Ich bin zwar nicht mit dem E-Scooter da, aber ich nehme doch lieber nur das“, sagt er. Dabei zwingt er sich ein Lächeln ab.

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