Autoindustrie: Der Verbrenner gehört ins Museum

Neuer Volkssport in Deutschland: Spott und Lügen über Elektroautos auskübeln. Politiker und Medien fordern die Rücknahme des EU-weiten Verbrennerverbots ab 2035. Was für ein Unsinn!

„Neues Gutachten: Verbrenner-Aus der EU ist illegal!“ So jubelt „Bild“ heute einmal wieder, als wäre Deutschland Fußball-Europameister geworden. Da „Bild“-Leser sich gern ihre Meinung aus Schlagzeilen bilden, ist für sie die Sache natürlich klar: Was die EU plant, nämlich ab 2035 keine neuen Verbrennerautos mehr zuzulassen, verstößt gegen das Gesetz, ist quasi ein Verbrechen. Wen interessiert schon, dass das Rechtsgutachten, das „Bild“ zitiert, vom „Uniti Bundesverband EnergieMittelstand e.V.“ bezahlt wurde. Der Lobby-Verein vertritt rund 90 Prozent der deutschen Kraft-, Brenn- und Schmierstoffhändler sowie 6350 Tankstellenbetreiber. Auf der Startseite im Netz blubbern digitale Öltropfen.

So geht es seit Tagen und Wochen: Bashing gegen E-Autos – und Lobgesänge auf Verbrenner, die angeblich so sauber sind, dass das Klima sie spielend aushält. Auch konservative Politiker poltern mit Wonne, allen voran: CSU-Chef Markus Söder. 2020 plädierte er noch laut für das Verbot 2035: „Ich bin sehr dafür, dass wir uns ein Enddatum setzen, ab dem Zeitpunkt, an dem fossile Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen nicht mehr neu zugelassen werden können“ („Bild“: „Auto-Hammer!“).  Vor drei Tagen postulierte er das glatte Gegenteil: „Das Verbrenner-Aus für 2035 ist falsch und muss deshalb zurückgenommen werden!“ („Bild“: „Hammer-Ansage!“ ). 

Ein Mesalliance versucht, die Verkehrswende zu verhindern

Söder hat prominente Mistreiter. Eine Gruppe vermeintlich Besserwissender hakt sich gerade in ihrer ablehnenden Meinung gegenüber einer Zeitenwende in der Mobilität unter, obwohl der bundesweite Verkehrssektor die Klimaziele am deutlichsten verfehlt: von CDU-Chef Friedrich Merz über Sahra Wagenknecht (BSW) bis AfD-Chefin Alice Weidel. Eine üble Mesalliance. 

Aber warum verbreiten derzeit auch On- und Offline-Medien so viel an Blödsinn und Unwahrheiten über Emissionen, Reparaturkosten oder Ladeinfrastruktur, dass es kaum auszuhalten ist? Es ist im Journalismus üblich, Kolleginnen und Kollegen nicht zu kritisieren. Meinungspluralismus ist ein hohes Gut der Demokratie. Aber wer ihn ausnutzt, um zu desinformieren oder Kampagnen zu starten, muss Kritik aushalten. 

Und das Volk? Nach Umfragen der Targobank wollen sich rund zwei Drittel der Deutschen zunächst erst einmal kein E-Auto zulegen. Das sind zwar vier Prozentpunkte weniger als 2023, es ist dennoch kaum zu erklären, warum die Autonation so trotzig reagiert. Sie bockt gerade wie ein Kleinkind, das sich fürchtet, die Windel abzulegen und aufs Töpfchen zu gehen. Wer selbst E-Autos fährt, merkt schnell: Die grimmigsten Gegner haben nie in einem E-Auto gesessen. So lässt sich ein Land, das den Autoindustriesektor über ein Jahrhundert bestimmt hat, simpel die Butter vom Brot nehmen.  

Wir meckern – die E-Autoindustrie in den USA und China startet durch

Denn sicher ist: Der technische Fortschritt lässt sich nicht mit Stammtischmeinungen aufhalten. Er macht nicht vor der Vox Populi halt, der Stimme des Volkes, die „Bild“ und Söder populistisch adressieren. Es sind Visionäre wie Elon Musk (Tesla, USA) oder Wang Chuanfu (BYD, China), die die Welt verändern. Das war immer so. Henry Ford, Gründer der gleichnamigen Automarke, hat schon vor über 100 Jahren die Pferde als Verkehrsmittel emotionslos abgeschafft: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Die Autobauer in China und den USA tun es gerade genauso. Und die Autonation Deutschland wird nur noch an deren Rücklichtern schnuppern – wenn sie weiter aufs falsche Pferd setzt.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält den Slogan „Schluss mit Verbrennerverbot“ für so dämlich populistisch wie „Ausländer raus!“: „Es geht Politikern gerade nur um Wiederwahl“, zürnt der renommierte Professor, „die Politiker haben gemerkt, dass man mit dem Stammtischthema Stimmen fangen kann.“ Er war lange selbst ein kritischer Begleiter der E-Mobilität. Nun sagt er: „Ein Verbrennerverbot 2035 wäre toll.“ Schon weil es der deutschen Autoindustrie helfe, wach zu werden und Anschluss an die neuen, mächtigen Konkurrenten in China und den USA zu finden. Kommt das Verbot nicht, entstünde aber auch kein großes Problem, so der „Autopapst“, denn dann entscheide der Markt: „Spätestens 2030 sind E-Autos billiger als Verbrenner und durch neue Batterietechnik Reichweiten wie mit einem Diesel kein Problem mehr.“ Und wer dann immer noch nicht überzeugt ist, kann – trotz Verbrennerverbots – noch Jahrzehnte weiter mit Benzin fahren. Weit über 2035 hinaus wird es gute Gebrauchte geben. Und er kann dann knappe und sündhaft teure E-Fuels tanken, die offenbar so viele herbeisehnen.

Es gibt längst preiswerte E-Autos für Normalverdiener.

In Deutschland nähern sich die Verkaufspreise nach Rabatt zwischen Verbrenner und E-Autos deutlich an, zeigt Dudenhöffers jüngste Marktstudie. Es gibt bereits vollelektrische Kleinwagen für deutlich unter 20000 Euro – ideale Zweitwagen. 400 bis 600 Autobahnkilometer mit einer Ladung sind heute bei Mittelklasse-Stromern in der Passat-Preisklasse leicht machbar. Andere Nationen freuen sich über die neue, leise, günstige, umweltfreundliche Technik, die zudem so viel Fahrspaß bietet. Nach einer EU-Studie erwägen fast 60 Prozent der EU-Einwohner, als nächstes ein E-Auto zu kaufen. In Norwegen sind 83 Prozent der Neuwagen vollelektrisch. Von wegen, kein Interesse.

Wir haben die Kutschenpferde, den Röhrenfernseher und die Rollfilmkameras erfolgreich ins Museum verfrachtet. Wir sollten auch beim Verbrenner endlich damit beginnen. Es ist gut für Verbraucher und für das Klima. Und für unsere zurecht bewunderte Autoindustrie.

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