Generationenkonflikt: Die Jugend ist zu faul für die Arbeit? 13 Gründe, weshalb das nicht stimmt

Sigmar Gabriel ätzt über die Jugend am Arbeitsplatz: „Erstmal ein Sabbatical und danach eine 4 Tage Woche“. Das Klischee der faulen jungen Menschen ist bekannt und grau wie Gabriels Haar – aber falsch.

1. Es ist ein Fehler, Leistung mit Arbeitszeit gleichzusetzen: Wir leben nicht im Jahr 1876. Wir brauchen nicht die alleinige körperliche Verfügbarkeit von Menschen, um eine Industrie und einen Arbeitsmarkt am Laufen zu halten.

2. Wir brauchen heute kluge, ausgeruhte Köpfe mit guten Ideen, die wissen, wie künstliche Intelligenz sie dabei unterstützt, schneller und effizienter zu arbeiten. Nicht länger. 

3. Unsere Produktivität sinkt nach spätestens sieben Arbeitsstunden. Das ergeben viele Studien. Längere Arbeitszeiten führen zu häufigeren Fehlern, mehr Unfällen und höherem Stress. Mehr Stunden bedeuten also nicht mehr Leistung, sondern eher mehr falsche Entscheidungen. Daher sollten Überstunden nicht gefördert, sondern abgebaut werden. Sigmar Garbiel kritisiert junge Generation17h

4. Zahlen der Krankenkassen zeigen: Junge Menschen lassen sich häufiger krankschreiben. Sind sie deshalb weniger belastbar? Nein. Entscheidender als die Anzahl der Krankmeldungen ist nämlich die Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Junge Menschen melden sich zwar öfter krank, aber meist nur für wenige Tage, während ältere Mitarbeiter oft über Wochen krankgeschrieben sind.

5. Heißt: Junge Menschen ruhen sich aus, wenn es nötig ist, und sind dann schneller wieder einsatzbereit. Was ist für ein Team belastender – jemand, der sich krank zur Arbeit schleppt, alle ansteckt und dann irgendwann wochenlang ausgebrannt ausfällt? Oder jemand, der ein paar Tage Zuhause gesund wird und dann wieder ins aktuelle Projekt einsteigen kann? Eben.

6. Viele junge Menschen haben bei ihren Eltern gesehen, wozu ständige Erreichbarkeit und Stress führen: Burnout, nie genug Zeit für Privates und Familie. Das wollen sie nicht. Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann attestiert ihnen deshalb sogar „eine eingebaute Burnout-Sperre“. Darauf zu achten, auch in ein paar Jahren noch leistungsfähig zu sein, ist nicht faul, sondern vorausschauend. STERN PAID IV Gen Z Arbeitsmarkt 10:40

Der Wohlstand von früher ist unerreichbar

7. Die Jungen wollen nicht mehr so viel leisten wie die Alten? Vielleicht müsste man eher sagen: Die Jungen wissen, dass Leistung allein ihnen keinen Wohlstand mehr bringt. Ein Haus vom eigenen Gehalt kaufen? Ein Leben lang hart arbeiten und dann eine gute Rente haben? Die meisten jungen Menschen glauben nicht, dass das für sie noch gilt. 

8. Wenn Gabriel und andere Boomer sich beschweren, dass manch ein Berufseinsteiger keine fünf Tage die Woche mehr antreten will, könnte die Antwort deshalb lauten: Weil es sich heute nicht mehr so lohnt wie früher. Weil man mit disziplinierter Arbeit allein keinen großen Wohlstand mehr schaffen kann. Selbst in vielen gut situierten Familien weiß der Nachwuchs: Es wird schwer sein, den Lebensstandard der Eltern zu halten. Auch nicht, wenn man fünf statt vier Tage in der Woche arbeitet.

9. Die junge Generation hat das Glück, in einen guten Arbeitsmarkt einzutreten. Sie sind nicht viele, sie sind bei vielen Unternehmen begehrt. Aber der Arbeitsmarkt ist auch für 40-Jährige gut. Der Fachkräftemangel und die damit einhergehende größere Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer dient nicht nur den Jüngeren. Statt zu stänkern, sollten ältere Arbeitnehmer begreifen, dass sie sich viel abschauen könnten von den Jüngeren: Bessere Konditionen am Arbeitsplatz zum Beispiel. Solidarität statt Abgrenzung.

Macht ist der Generation Z nicht so wichtig wie Sigmar Gabriel 

10. In Gabriels Generation waren betriebsinterne Hierarchien und Aufstieg wichtig. Für 16- bis 30-Jährige aber nicht mehr. Nach all den Krisen, die sie erlebt haben, wünschen sie sich ein sicheres Einkommen, direkt danach kommen Freunde und Familie, gefolgt von ideellen Werten wie dem Respekt vor Vielfalt und der Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Macht und Einfluss landen auf dem letzten von elf Plätzen der Prioritätenliste. Das zeigt eine Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Vieles, was die Babyboomer beklagen, erwächst aus diesem Wertewandel. Eine Generation, die hart geschuftet hat, sagt: „Die Jungen wollen nicht mehr.“ Die erwidern: „Doch, wir wollen – aber nicht zu den Konditionen, die ihr hattet.“ Die Älteren sollten das nicht damit verwechseln, dass Jüngere nicht mehr arbeiten wollen. Sie wollen arbeiten – aber eben anders.

11. Es stimmt ja: Der Personalmangel in Deutschland ist gravierend. Doch dafür die jungen Leute verantwortlich zu machen, ist polemisch und falsch. Tatsächlich gibt es Teile der Gesellschaft, die mehr arbeiten könnten: Ältere Menschen zum Beispiel, die oft zu früh in Rente gehen, ihre Expertise und Erfahrung mitnehmen. Es wäre eine gute Idee, Anreize zu schaffen, damit sie länger im Beruf bleiben. Wichtig dabei: Die Möglichkeit, weniger Stunden in der Woche arbeiten zu können. 

12. Haben Sie mal von jemandem gehört, der sich auf dem Sterbebett gewünscht hätte, mehr gearbeitet zu haben? Ich auch nicht. 

13. Wenn das jemand war, dann eine Frau, die gern mehr gearbeitet hätte, aber das nicht konnte. Die größte Gruppe derer, die mehr arbeiten könnten, sind nämlich Frauen. Sie gehen im Durchschnitt 30,7 Stunden wöchentlich einer bezahlten Arbeit nach, Männer 38,4 Stunden. Und das nicht immer freiwillig: Viele Frauen würden gern ihre Arbeitszeit aufstocken. Statt auf angeblich faule junge Menschen zu schimpfen, wäre es sinnvoller, bessere Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Auch, damit Frauen mehr arbeiten können. 

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