Autorin Anne Sauer: „Taylor Swift ist keine Heilige, sondern ein Mensch mit Macht“

Anne Sauer hat ein Buch über Taylor Swift und ihre Liebe zu ihr und ihrer Musik geschrieben. Dem stern erzählt die Autorin, was die Eras-Tour so besonders macht und an welchen Stellen sie kritisch auf ihr Idol schaut.

Anne Sauer ist ein Swiftie und das merkt man jeder Zeile ihres Buchs an:  „Look What She Made Us Do“ heißt ihre Liebeserklärung an Weltstar Taylor Swift – in Anlehnung an einen derer großen Hits. Sauer erforscht darin auch anhand ihrer eigenen Biografie, was den Hype um Swift ausmacht, guckt dabei aus feministischer Sicht auf Rezeption und Entwicklung der Sängerin. 

Dem stern erklärt sie, warum es intellektuell faul ist, wenn Swifties belächelt werden und erzählt, was sie an Taylor Swift kritisch sieht. Sauer, die übrigens seit dem Album „Reputation“ von 2017 Fan von Swift ist, beantwortete die Fragen auf dem Weg zum Halt der „Eras“-Tour in Gelsenkirchen. 

Frau Sauer, Sie sind auf dem Weg zum Swift-Konzert in Gelsenkirchen: Was darf im Gepäck eines Swifties nicht fehlen, was haben Sie dabei?
Ich checke kurz: Friendship Bracelets, faltbare Wasserflasche, Ohrstöpsel, Taschentücher zum Tränen-Trocknen und Halstabletten für danach. Hab‘ alles!

Die Outfits und Accessoires wie Freundschaftsbänder etc. sind alles Dinge, die ein Swift-Konzert hervorstechen lassen. Was macht die „Eras“-Tour noch so besonders?
Taylor Swift Konzert 6.06Wenn um die 90.000 Menschen, die alle ganz eigene Geschichten zu Taylor Swift und ihrer Musik in sich tragen, gleichzeitig die uns alle verbindenden Lyrics singen – dann schaltet das nochmal ein ganz neues Level an Gänsehaut frei.

Gerade ist Ihr Buch über Taylor Swift erschienen, darin blicken Sie auch sehr persönlich auf Ihre Fan-Beziehung zu ihr. An wen richtet sich „Look What She Made Us Do“?
Das Buch richtet sich an alle Swifties, die sich verstanden und ein wenig umarmt fühlen wollen. Auch an alle Neugierigen, die das Phänomen Taylor Swift auf einem anderen Level kennenlernen wollen und an alle, die ein Herz für persönliche, feministische Essays haben. 

Was macht denn die Swiftie-Community so besonders?
Stellen Sie sich einen Raum vor, in dem sich nur Menschen befinden, die Ihnen mit Neugierde, vorurteilsfrei und mit offenen Armen entgegenkommen. In solchen Räumen halten wir Swifties uns auf, auf der ganzen Welt verteilt. Uns verbindet ein Kosmos und der ist ein liebevoller Safe Space. Abgesehen davon – darauf wollen Sie vielleicht auch hinaus – steckt hinter den Swifties natürlich auch eine enorme monetäre Power und eine immense Loyalität gegenüber Taylor Swift. 

Ihr Buch liest sich wie eine Liebeserklärung an Taylor Swift. Sie verteidigen sie auch, etwa, wenn es um ihr Geschäftsmodell geht. Swift wird vorgeworfen, die Fans auszubeuten, etwa mit immer nur leicht veränderten limitierten Ausgaben ihrer Alben. Gibt es Momente, in denen Sie Swift doch kritisch sehen?
„Look What She Made Us do“ von Anne Sauer ist im Rowohlt Verlag erschienen. Gebundene Ausgabe, 16,00 Euro, erhältlich bei Amazon und Thalia
© PRDer Witz ist ja, dass das – wie so vieles von dem, was Taylor Swift aktuell vorgeworfen wird – natürlich auch andere Künstler:innen tun, sie ist nicht die Einzige mit Sondereditionen, etc. Heißt für mich: Ich muss generell kritisch auf diese Form der Vermarktung, diesen Konsum schauen oder zumindest hinterfragen, was dahintersteckt. Es gibt also Momente, in denen ich sie bzw. das System, in dem sie steckt, kritisch sehe. Sie ist ja keine Heilige, sondern ein Mensch mit Macht. 

Würden sie sich wünschen, dass Swift ihre Macht noch mehr nutzt, sich etwa öfter und deutlicher politisch äußert?
Wer Fan von Taylor Swift ist, weiß sehr genau, welche politische Haltung sie vertritt. Sie hat es auf Bühnen gesagt, auf Social Media, in Musikvideos, sie sagt es sogar in ihren Songs. Es ist vollkommen klar, auf wessen Seite sie steht. Sie spendet viel Geld, engagiert sich im Stillen – natürlich wünsche ich mir, dass sie ihre Power in Zukunft weiter für „die richtigen“ Werte nutzt, zum Beispiel für Abtreibungsrechte, oder sichtbar auf Demos unterwegs ist. 

Einen Kritikpunkt, den Sie in Ihrem Buch äußern, ist Taylor Swifts Feminismus. Was fehlt ihnen in diesem Punkt?
Travis Kelce in Gelsenkirchen 13:02Es ist mehr die Erkenntnis, dass auch mein Feminismus noch Lücken hat. Dass er noch nicht so intersektional, noch nicht so konsequent gelebt wird, wie es sein könnte. Taylor Swift wird oft vorgeworfen, dass sie den sogenannten Weißen Feminismus lebt, also vorwiegend Girl Boss ist und mit ihrem Business und ihrer Haltung ja „nur“ das mache, was Männer machen – anstatt das System langfristig zu verändern. Ich bin mir sicher, dass auch sie sich immer noch weiterentwickelt, dazulernt und im besten Fall die entscheidenden Hebel betätigen wird.

Glauben Sie, dass Taylor Swift und ihre „The Eras Tour“ dazu beigetragen hat, Stereotype und Vorurteile gegenüber weiblichen Fans herauszufordern? 
Unbedingt – denn anstatt uns klein und unsichtbar zu machen, erobern wir gerade Räume, die sonst nicht unbedingt Pink, Pastellfarben und voller Pailletten sind. Wir füllen Fußballstadien und können zum Glück nur lachen über alle, die damit immer noch ein Problem haben. Gerade weibliche Fans erfahren immer noch Abwertung, ihnen wird geringere Kompetenz zugeschrieben. Es ist unheimlich arrogant und intellektuell faul, Fans und Swifties immer noch in diese Schublade stecken zu wollen. Außerdem sind wir dafür längst zu groß, wir passen in keine Schublade mehr.

An welcher Stelle der Eras-Tour-Konzerte sehen sie feministische Botschaften?
An welcher Stelle sehe ich keine – das wäre die leichtere Frage. Auf dieser Tour feiern wir kollektiv das Frauwerden, das Großwerden. Es ist ein dreistündiger Siegeszug mit dem Ziel: Jede deiner Facetten, jede deiner eigenen Ära ist wichtig und gut und muss nicht versteckt werden. 

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