1996 jagte Helen Hunt mit verwuschelter Frisur Tornados hinterher. Nun wird der Katastrophenfilm „Twister“ nach 28 Jahren fortgeschrieben. Ist das mehr als ein laues Weiterverwertungslüftchen?
Es war im Spätsommer 1996, als eine Kuh über die Leinwand flog. Und Sekunden später die nächste. „Noch eine Kuh!“, bemerkte Schauspielerin Helen Hunt irritierend unaufgeregt, als das Rindvieh muhend an ihr vorbei geweht wurde. „Nein“, korrigierte sie ihr Kollege Bill Paxton, der daneben saß. „Ich glaub‘ das war dieselbe.“ Hunt und Paxton waren die charismatischen Hauptdarsteller des Films „Twister“ – einem Katastrophen-Blockbuster, in dem Tornados alles und jeden im Kreis wirbelten.
Immer mal wieder hatte es Spekulationen um einen Nachfolger zu dem Film gegeben, den Fans des 90er-Jahre-Kinos zwar lieben, den manch einer aber auch vergessen haben dürfte. Nun, 28 Jahre später, ist es so weit: Im Nachfolger-Film „Twisters“ fräsen sich abermals Wirbelstürme durch die USA. Zwar mit neuen Hauptdarstellern, aber auffällig vielen Anleihen an das Original. Was Fluch und Segen zugleich ist.
Rückkehr in die Augen der Stürme
Statt Helen Hunt, die in der 1996er-Version mit einer oft legendär verwuschelten Frisur den Winden trotzte, spielt nun Daisy Edgar-Jones („Der Gesang der Flusskrebse“) die Hauptrolle. Das Schicksal der beiden Frauen gleicht sich aber. Beide sind fasziniert von Tornados und haben eine Art Gabe, sie zu erspüren. Zugleich haben sie in der Vergangenheit auch erlebt, wie Naturgewalten einen oder mehrere geliebte Menschen einfach aus dem Leben reißen. Edgar-Jones spielt die Wissenschaftlerin Kate, die nach dem traumatischen Erlebnis nach New York gezogen ist, in sicheren Abstand zu den allerschlimmsten Wetter-Kapriolen.
Die Rückkehr in die Augen der Stürme geht dann aber flugs. Als ein alter Freund auftaucht und Kate zu überzeugen versucht, ein neuartiges Ortungssystem zu testen, kehrt sie in ihre Heimat Oklahoma zurück, in die „Tornado Alley“ der USA. Blöderweise muss die neue Technik sehr nahe an den Wind-Monstern platziert werden, sonst funktioniert sie nicht – also wird Kate wieder zur Sturmjägerin. Dabei trifft sie auf Tyler, eine Mischung aus Sturm-Guru und Cowboy, der für seinen Social-Media-Kanal den Winden mit einem smarten Lächeln hinterher rast. Gespielt wird er von Glen Powell („Top Gun: Maverick“).
„Twisters“ soll ein „aktuelles Kapitel“ sein
Die Macher bezeichnen den neuen Film als ein „aktuelles Kapitel“ des einstigen Blockbusters – was offen lässt, ob es sich um eine Fortsetzung im engeren Sinne handeln soll. Vieles wirkt eher wie ein Update, weil sich die Figurenkonstellationen und die Themen (Mensch versus Natur, Angst versus Faszination) ähneln.
Dazu kommen optische Querverweise. Ständig brettern schwere Autos durch Felder, immer wieder spritzt der Matsch und jemand schreit. Daisy Edgar-Jones umweht zwar nicht ganz die famose Kühle von Helen Hunt, sie ähnelt ihr aber im Typus, auch frisurentechnisch. In einer Szene trägt sie sogar ein khakifarbenes Outfit, das als Hommage an Hunts Garderobe gedacht ist. Zudem taucht ein Messgerät auf, das an die Apparatur erinnert, mit der Hunt und Paxton (der 2017 starb) den Tornados zu Leibe rücken wollten („Dorothy“).
Duell zwischen Mensch und Sturm
Man fragt sich, ob man im Jahr 2024 und einige Forschungsergebnisse zum Klimawandel später nicht anders über Naturgewalten erzählen müsste als 1996. Regisseur Jan De Bont („Speed“) inszenierte die Tornados damals wie wilde Tiere, die Menschen jagen. Es war die Zeit des Dino-Blockbusters „Jurassic Park“ – und der mythische „F5“-Tornado, der schlimmste von allen, war das Äquivalent zum T-Rex.
In „Twisters“ läuft das nicht unähnlich. Ohne zu viel zu verraten: Am Ende bahnt sich ein direktes Duell zwischen Mensch und Sturm an, da wird wieder radikal personalisiert. Die Naturgewalt zu bezwingen bleibt Sache einer furchtlosen Einzelkämpferin, die das Problem schon lösen wird. „Twisters“ ist eine Art „Twister“ mit besserer Technik. Man sieht nun allerdings mehr Windräder.
Dagegen kann man einwenden, dass amerikanisches Helden-Kino eben so funktioniert und auch fasziniert. Ein schöner Sommer-Katastrophenfilm, wann hatte man das zuletzt? Der Film hat jene Naivität, die man so gerne auch wieder hätte – wie damals in den 90ern.