Diesel, Hybrid oder Elektro: So nachhaltig düsen unsere Politiker durchs Land

Viele Politiker beteuern, wie wichtig ihnen der Umweltschutz sei – aber schaden dem Klima mit schmutzigen Fahrzeugen. Die wenigsten meinen es wohl wirklich ernst, zeigt eine Studie.

Privatjet und Dienstwagen sollten in der Garage stehen bleiben. Dafür wolle sie mehr mit der Bahn und, wenn es sein muss, mit Linienflügen reisen, versprach Annalena Baerbock vor ihrem Amtsantritt. Gelogen oder naiv? Man weiß es nicht. Sicher ist heute nur: Deutschlands grüne Außenministerin hat sich nicht daran gehalten. Allein im ersten Amtsjahr jettete sie mindestens hundertmal durch die Bundesrepublik und ins Ausland. Viermal reiste sie im Linienflieger, zweimal nahm sie die Bahn, berichten Medien unter Berufung auf das Auswärtige Amt.

Versprechen gebrochen? Annalena Baerbock verbringt mehr Zeit im Privatjet als in der Bahn
© Florian Gaertner

Baerbock dürfte das noch ein Zähneknirschen entlocken. Andere sind da entspannter. Beispielsweise Friedrich Merz, der mit dem Privatflugzeug zu Christian Lindners Hochzeit nach Sylt flog. Oder Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die für einen kurzen Abstecher bei der Truppe in Norddeutschland in den Hubschrauber stieg, den Sohn im Gepäck. Für Politiker aus dem Berliner Senat sind solche Reisen mit dem Dienstwagen längst Usus: Seit 2022 dürfen sie ihre Wagen für Urlaubsreisen nutzen.

Dienstwagen schlägt Umwelt- und Klimaschutz – das zeigt auch eine Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Dafür hat die Organisation die CO2-Emissionen der Fahrzeuge von 252 Politikern in ganz Deutschland in einem Ranking zusammengetragen. Verfügt ein Politiker über mehrere Dienstwagen, wurde nur das umweltschädlichste Fahrzeug berücksichtigt.STERN PAID 2_24 Ökobilanz E-Auto 9.26

Ernüchterndes Ergebnis: Die Mehrheit scheitert im DUH-Test. Nach dem Diesel-Abgasskandal hat die EU die Emissionsgrenzwerte verschärft. PKW dürfen nur noch 95 Gramm pro Kilometer ausstoßen. Doch knapp drei viertel der Dienstwagen überschreiten den europäischen Flottengrenzwert, stoßen also deutlich mehr CO2 aus als ein durchschnittliches in Deutschland zugelassenes Auto eigentlich sollte.

Kaum Elektro, viele Verbrenner und noch mehr Plug-ins

73 Befragte werden mit einem Verbrenner kutschiert. Die klimaschädlichsten Fahrzeuge stehen bei NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) in der Garage. Auf reine Elektroautos setzen bisher nur sechs Politiker, darunter Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Dienstwagenemissionen Ministerien

Am beliebtesten sind laut DUH-Auswertung Plug-in-Hybride; Autos mit Verbrenner und Batterie. Die Automobilbranche lobt sie als Kompromiss, weil sie auf kurzen Strecken in Städten elektrisch eingesetzt werden und damit dem Stadtklima nicht weiter schaden. Gleichzeitig können sie dank Verbrennermotor auch lange Strecken bequem bewältigen. 

Für Kritiker sind sie eine ökologische Mogelpackung. Anders als bei Elektrofahrzeugen sind die Halter nicht so sehr dazu gezwungen, die Fahrzeuge regelmäßig zu laden. Ist die Batterie leer oder keine Ladesäule zur Hand, fährt man eben weniger umweltfreundlich weiter. Studien zufolge werden die Plug-in-Hybride überwiegend im Verbrennermodus genutzt. Je nach Motor und Fahrverhalten stoßen die Wagen mehr CO2 aus als reine Diesel oder Benziner, zeigt eine Auswertung des ADAC. Für die DUH-Studie gingen die Autoren vom Worst-Case-Szenario aus, also dass sie im Verbrennermodus genutzt werden. Ob die Spitzenpolitiker auch tatsächlich so fahren, ist aber ungewiss.Hin und wieder auch mit dem Rad unterwegs: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
© Frank Ossenbrink

Die Studie ergibt zwar ein eindeutiges Bild, trotzdem sind die Statistiken nicht voll aussagekräftig. Die Fahrzeuge von besonders gefährdeten Politikern wie Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner oder Annalena Baerbock flossen beispielsweise nicht in die Berechnungen der Untersuchung ein. Auch wurde nicht untersucht, wie häufig die Politiker ihre Fahrzeuge nutzen und wie weit sie damit fahren. Die weitaus klimaschädlicheren Flugreisen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.

Zwei umweltfreundliche Landeschefs

Bundesweit schafft es keine einzige Landesregierung, die europäischen Abgaswerte einzuhalten. Mancherorts sind die Werte mehr als doppelt so hoch.

Dienstwagenemissionen Länder

Ähnlich sieht es bei den Länderchefs selbst aus. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmer sind die einzigen, die sich laut Untersuchung an die europäischen Richtlinien halten. Auf dem dritten Platz rangiert Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Sein Dienstwagen stößt aber bereits 167 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Hendrick Wüst (CDU) schafft mit seinem Dienstwagen mehr als doppelt so viel: 380 Gramm pro Kilometer.

Emissionen Länderchefs

Selten, aber auch vorhanden: Politiker mit einem Dienstfahrrad. Drei listet die Deutsche Umwelthilfe auf, unter ihnen die Bremer Umweltministerin und zwei Beamte aus Habecks Wirtschafts- und Klimaministerium. Hamburgs Verkehrsminister verfügt laut dem Ranking weder über einen Dienstwagen, noch über ein Dienstfahrrad. Er bewegt sich demnach immer zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fort.Cem Özdemir hat zwar einen Dienstwagen, ist im Berliner Regierungsviertel aber meist mit dem Fahrrad zu sehen
© Bernd von Jutrczenka

Echte Umweltfreunde gibt es also doch in der politischen Landschaft – und damit auch genug Vorbilder für die Kollegen, die Dienstwagen und Co. auch gerne mal privat nutzen.

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