Flüchtlings-Organisationen lehnen den Bau eines Ausreisezentrums am BER ab. Auch die Vergabe an einen Investor löst Bedenken aus. Der Bund will Mieter bleiben, siedelt sich aber auch woanders an.
Die Pläne für den Bau eines Ein- und Ausreisezentrums für Flüchtlinge am Hauptstadtflughafen BER lösen wegen fehlender öffentlicher Ausschreibung neue Kritik aus. Bund und Land wollen die künftige Einrichtung gemeinsam nutzen, um unter anderem Abschiebungen zu beschleunigen. Streit gibt es wegen des fehlenden öffentlichen Vergabeverfahrens, nachdem die Internet- und Rechercheplattform „Frag den Staat“ in Unterlagen und E-Mails öffentlich gemacht hat. Der „Tagesspiegel“ berichtete darüber. Das Brandenburger Innenministerium verteidigt das Fehlen der öffentlichen Ausschreibung.
Bund baut Abschiebegebäude auf anderer Fläche
Ein privater Investor soll das seit langem umstrittene Ein- und Ausreisezentrum in Schönefeld errichten, das Land will es dann mieten. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte die fehlende Ausschreibung stets damit begründet, dass der Investor Besitzer der benötigten Grundstücke sei und alternative Flächen fehlten. Die Grundstücke für das Behördenzentrum befänden sich im Eigentum der Firma des Investors beziehungsweise es bestehe für sie eine Erwerbsoption, sagte Ministeriumssprecher Martin Burmeister.
Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage mit, der Bund werde in dem geplanten Zentrum am BER weiterhin Büroflächen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die Bundespolizei anmieten. Ein geplantes Gebäude für den Rückführungsbereich, in dem die Bundespolizei also sozusagen Abschiebungen abwickelt, wird jedoch nicht dort untergebracht.
„Der operative Teil des Rückführungsbereiches der Bundespolizeidirektion Berlin wird aus polizeifachlichen und einsatztaktischen Erwägungen auf einer Fläche unmittelbar im Sicherheitsbereich des Flughafens Berlin/Brandenburg (BER) verortet“, erklärte das Bundesinnenministerium.
Brandenburg hält öffentliche Ausschreibung nicht für nötig
Die Internet- und Rechercheplattform „Frag den Staat“ und der „Tagesspiegel“ berichteten, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Bedenken geäußert habe, weil es kein öffentlich ausgeschriebenes Vergabeverfahren zu dem Millionen-Bauprojekt gab. Auf die Frage, ob eine Ausschreibung notwendig sei, antwortete das Ministerium in Berlin der dpa: Bei der Suche „nach der bestmöglichen Variante zur Unterbringung“ von Bundespolizei und BAMF habe die Immobilien-Bundesanstalt unterschiedliche Unterbringungsoptionen auf verschiedenen Flächen am BER auch vergaberechtlich bewertet.
Im Brandenburger Landeshaushalt sind laut Innenministerium langfristig 315 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen für Mieten und Pacht für den gesamten Mietzeitraum von 25 Jahren für das Ein- und Ausreisezentrum vorgesehen. Ob diese Ermächtigungen für die Verpflichtung zu Ausgaben in voller Höhe ausgeschöpft werden, ist bisher unklar. Nach bisherigen Ministeriumsangaben soll das Asylzentrum ab 2026 in Betrieb gehen.
Rechnungshof-Prüfung gefordert
Die Brandenburger Grünen fordern einen Stopp des Projektes und beklagen „fragwürdige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen“. Die Linksfraktion hält eine Prüfung des Landesrechnungshofes für nötig. Ein Sprecher der Behörde sagte der dpa: „Der Rechnungshof beschäftigt sich damit, wie wir mit der Angelegenheit umgehen.“ Es sei aber noch nicht klar, ob der Fall geprüft werde. Die Fragen seien sehr komplex.
Im vergangenen Jahr hieß es, dass Räume für die Justiz, ein Ausreisegewahrsam und ein Unterkunfts- und Transitgebäude für Menschen eingerichtet werden sollen, deren Einreise verweigert wurde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll auch Nutzer sein. Innenminister Stübgen hatte sich bereits 2021 mit dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf ein von Bund und Land gemeinsam genutztes Einreise- und Ausreisezentrum geeinigt.
Bedenken wegen fehlenden Vergabeverfahrens
Die Internetplattform „Frag den Staat“ erhielt nach eigenen Angaben über das Informationsfreiheitsgesetz Tausende Seiten E-Mails, Protokolle und Gutachten aus dem Bundesinnenministerium und berichtete von vergaberechtlichen Ungereimtheiten. Nach erweiterten Planungen bis 2022 und einer Vergrößerung der Fläche befänden sich nicht alle vorgesehenen Grundstücksflächen im Besitz des einen Investors, hieß es. Das Fehlen einer öffentlichen Ausschreibung hätte somit überprüft werden müssen, meinte Julian Brummer von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International im Bericht von „Frag den Staat“.
Das Innenministerium in Potsdam teilte auf Anfrage mit: „Nach unseren Informationen wurde die Abkehr der Bundespolizei von dem Rückführungsgebäude mit den erforderlichen Standortvoraussetzungen begründet.“ Auch an der Argumentation für die fehlende Ausschreibung ändert sich laut Ministerium nichts: „Die Grundstücke für das Behördenzentrum befinden sich im Eigentum der Fa. Harder bzw. es besteht für sie eine Erwerbsoption.“