Wie sehr können sich Ihre Vorgesetzten beim Thema Homeoffice auf Sie verlassen? Schummeln Sie schon? Oder arbeiten Sie wirklich noch? Eine Typologie der Heimarbeiter.
In den USA duellieren sich offenbar Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit großem technischen Einsatz beim Thema Homeoffice: Manche Firmen setzen Überwachungssoftware ein, um sicherzustellen, dass ihre Angestellten im Homeoffice tatsächtlich arbeiten. Das wurde offenbar nötig, weil viele Beschäftigte Fleiß vortäuschten, wo eigentlich Faulheit herrschte – mit Gadgets, die Maus-Bewegungen simulieren oder verhindern, dass in „Teams“ die Anwesenheits-Ampel die falsche Farbe zeigt. Solche Tipps, Tricks und Empfehlungen gibt es längst auch hierzulande.
Was unweigerlich zur Frage führt, wie eigentlich wir Deutschen „dahoam“ arbeiten. Prüfen Sie sich selbst – und bitte vor Ihrem geistigen Auge auch Ihre Kolleginnen und Kollegen: Welcher Homeoffice-Typ sind Sie?
Homeoffice: Der Vorbildliche
Charakterbeschreibung: Seit frühester Kindheit (anale Phase!) sauber, ordentlich und äußerst verantwortungsbewusst. Ausgeprägtes Über-Ich. Perfektionist. Oberhemd auch im Homeoffice gebügelt und fleckenfrei. Immer erreichbar. Auch nachts. Und an Wochenenden. Und an Heiligabend. Und an Heiligabend auch um 23 Uhr.
Arbeitsplatzausstattung: eigenes Arbeitszimmer mit höhenverstellbarem Schreibtisch und selbstfinanziertem, in 16 Ebenen verstellbarem Drehhubliegelordosestützmassagebürostuhl sowie ergonomischer Maus-Tastatur-Einheit. Die Beleuchtung liegt mit 2000-2500 Lumen bzw. 5500 Kelvin sowie einem Umgebungslicht von mindestens 300 Lux im grünen Bereich. Glasfaseranschluss.
Er sagt im Meeting: „Kein Problem, Chef, da bin ich schon dran.“
Er meint im Meeting: „Wirklich kein Problem, Chef, da bin ich wirklich schon dran.“
Kollegen sagen über ihn: „Er hat ja sonst niemanden.“
Worst Case-Szenario: Stromausfall.
Homeoffice: Der Gestresste
Charakterbeschreibung: Hasst sein Leben, seinen Partner, seinen Job, seinen Chef und das Arbeiten im Homeoffice. Hasst aber auch das Arbeiten im Büro. Kompensiert die Qualen des Daseins und den Arbeitsstress mit allem, was Kühl- und Vorratsschrank hergeben: Käse. Wurst. Der Rest kalte Nudeln von gestern, Brot mit Honig, Weingummi. Schokolade. Kekse. Dann wieder Käse. Danach: was Süßes. Ansonsten sozial unauffällig.
Arbeitsplatzausstattung: Schreibtisch, alter Bürostuhl mit wackeliger Rückenlehne, Kaffeebecher, sehr viele Kekskrümel. WLAN.
Er sagt im Meeting: „Mein Stuhl bringt mich um.“
Er meint im Meeting: „Das Leben bringt mich um.“
Kollegen sagen über ihn: „Netter Typ. Hat aber in letzter Zeit ziemlich zugelegt.“
Worst Case-Szenario: Stromausfall (des Kühlschranks).
Homeoffice: Der Schuldbewusste
Charakterbeschreibung: arbeitet zwei Tage pro Woche im Homeoffice, aber eigentlich viel lieber in der Firma. Führt genau Buch über im Homeoffice geleistete Arbeitsstunden, damit ihm „niemand was kann.“ Versucht vergeblich, Arbeitszeit und Freizeit innerlich zu trennen. Kann sich nicht abgrenzen. Hat ständig Schuldgefühle, nicht genug zu leisten. Rechner wird nach Feierabend zwar runtergefahren, aber immer mit schlechtem Gewissen.
Arbeitsplatzausstattung: zu kleine Wohnung. Schreibtisch steht im Wohnzimmer, darauf und daneben heilloses Chaos aus dienstlichen und privaten Dokumenten. Die Rollen des Bürostuhls zerstören bereits den Parkettboden, was mit Sicherheit Ärger mit dem Vermieter gibt. Bei Videokonferenzen ist im Hintergrund meist unscharf ein voller Wäscheständer zu sehen. WLAN kann angeblich 250 Megabit/Sekunde, schafft aber montags oft nur 37 Megabit. An Mittwochnachmittagen hängt es sich bei niedrigen und sehr hohen Außentemperaturen gern mal ganz auf. Donnerstags funktioniert es eher schlecht. Dienstags ist es etwas besser, aber nicht immer.
Er sagt im Meeting: „Ich muss mal kurz weg.“
Er meint im Meeting: „Ich muss mal kurz zur Toilette.“
Kollegen sagen über ihn: „Soll sich mal locker machen!“
Worst Case-Szenario: der nächste Lockdown.
Homeoffice: Der Eigenbrötler
Charakterbeschreibung: sozial integriert mit festem Freundeskreis, allerdings leicht bis mittelschwer depressiv. Beruflich seit Jahren desillusioniert. Arbeitet in seinem Job, weil er halt in seinem Job arbeitet. Keine Kraft mehr, Tätigkeit oder Arbeitgeber zu wechseln. Homeoffice ist ein Rettungsanker, weil die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen werden müssen.
Arbeitsplatzausstattung: Schreibtisch mit vielen gerahmten Fotos (Katze, einsames Haus am Strand), Bürostuhl, Kopfschmerztabletten. Über dem Schreibtisch gerahmter Spruch: „Sorge Dich nicht, lebe!“
Er sagt im Meeting: „Können wir so machen.“
Er meint im Meeting: „Sollten wir auf keinen Fall so machen.“
Kollegen sagen über ihn: „Lange nicht mehr gesehen.“
Worst Case-Szenario: Präsenzpflicht.
Homeoffice: Der Subversive
Charakterbeschreibung: arbeitet, um zu leben. Punkt. Total unbeeindruckt vom Irrsinn seines Jobs. Innerlich resilient, auch äußerlich außerordentlich stabil. Sieht Kündigung nicht als Bedrohung, sondern als Verheißung. Dementsprechende Motivation.
Arbeitsplatzausstattung: Küchentisch, Stuhl, Laptop. Kein externer Monitor. WLAN läuft faktisch stabil, reicht aber, wie er subtil verdeutlicht, eher nicht für Video-Konferenzen.
Er sagt im Meeting: „Meine Kamera funktioniert heute irgendwie nicht.“
Er meint im Meeting: „Ich bin auch zu Hause einfach gern nackt.“
Kollegen sagen über ihn: „So wäre ich auch gern!“
Worst Case-Szenario: Kamera funktioniert versehentlich doch.
Homeoffice: Der Blender
Charakterbeschreibung: sehr effizient, außerordentlich gut organisiert. Eloquent, clever und wortgewandt. Tat schon in der Schule nur das Nötigste. Gehört im Job zu den angeblichen Leistungsträgern, lässt aber vor allem andere für sich arbeiten. Nutzt das Homeoffice in erster Linie dazu, um all das zu erledigen, was am Wochenende so liegen blieb: Wäsche waschen, Wohnung putzen, Retouren verschicken. Meldet sich bei Online-Konferenzen immer mindestens einmal, um Präsenz und klare Haltung zu zeigen. Schaltet danach Kamera und Mikro aus, hört Musik, kocht Mittagessen oder plant den nächsten Urlaub.
Arbeitsplatzausstattung: alles, was man privat so braucht. Und was man notfalls auch dienstlich nutzen kann. Notfalls.
Er sagt im Meeting: „Guter Punkt! Darauf sollten wir uns jetzt unbedingt fokussieren.“
Er meint im Meeting: „Fokussiert euch bitte mal schön allein – und schickt mir dann die Keypoints.“
Kollegen sagen über ihn: „Irre, wie der im Job reinhaut!“
Worst Case-Szenario: ein kluger Vorgesetzer.
Homeoffice: Der Ausredenkönig
Charakterbeschreibung: faul.
Arbeitsplatzausstattung: siehe „Der Blender“
Er sagt im Meeting: „Ich hatte technische Probleme.“
„Wir hatten Stromausfall.“
„Hier war Gewitter.“
„Mein Kind muss sich gerade übergeben.“
„Ich habe Migräne.“
„Unser Hund ist gestorben.“
„Mein Router qualmte ganz komisch.“
„Eine 89-Jährige Frau ist eben mit ihrem Auto beim Einparken in mein Arbeitszimmer gekracht.“
Er meint im Meeting: „Ich habe das Meeting verschlafen.“
Kollegen sagen über ihn: „Tsssssss…“
Worst Case-Szenario: Eine 89-jährige Frau kracht mit ihrem Auto beim Einparken in sein Arbeitszimmer und tötet dabei den Hund, wodurch der Router Feuer fängt und sich das Kind vor Schreck übergibt.