Gewalttat in Bad Oeynhausen: Wollen wir Jugendliche härter bestrafen? Was dafür spricht – und was nicht

In Bad Oeynhausen stirbt ein Mann bei einem Streit. Der Tatverdächtige ist 18. Nun fordert die CDU, mehr junge Täter wie Erwachsene zu bestrafen. Doch die Idee kann nach hinten losgehen.

Im Kurpark von Bad Oeynhausen – einer Stadt in Nordrhein-Westfalen – streiten sich zwei junge Männer mit einer Gruppe Jugendlicher. Ein Mensch ist schwer verwundet und stirbt kurze Zeit später. Verantwortlich für die Tötung ist laut Polizei ein 18-jähriger, der festgenommen wurde.

Ein paar Tage später geht die Bundesspitze der CDU in Klausur und fordert, das deutsche Strafrecht für Jugendliche müsse schärfer werden. Die Strafmündigkeit – der Zeitpunkt also, ab dem Jugendliche überhaupt für Taten verantwortlich sein können – solle von 14 auf 12 Jahre gesenkt werden, und alle ab 18 sollten wie Erwachsene bestraft werden. Kann das richtig sein?

Kontroverse nach Tat von Bad Oeynhausen

Unterstützung erhält der Vorschlag sowohl von Politikern unterschiedlicher Parteien als auch – vereinzelt – durch gesellschaftliche Initiativen.

Hintergrund Strafmündigkeit von Kindern 17.59Laut Gesetz ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Laut einem Vorschlag der AfD, stellt das deutsche Recht jedoch nicht „die Frage, ob eine Person im Einzelfall doch schuldfähig sein könnte“ und bemängelt diesen Zustand. „Strafrechtliche Maßnahmen haben Kinder in Deutschland folglich nicht zu befürchten. Kinder können nicht in Haft genommen werden, auch nicht vorläufig.“

„Sanktionen des Jugendstrafrechts – Weisungen, Verwarnungen, Auflagen und Jugendarrest“ können Heranwachsende „vor dem Abgleiten in eine Täterkarriere bewahren“, fasste einst der FDP-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Lindner, zusammen. Roland Koch, früherer Ministerpräsident von Hessen, forderte, dass „Null Toleranz gegen Gewalt […] ganz früh beginnen“ müsse. Laut einer Petition an den Deutschen Bundestag gelte es auch zu beachten, dass „unbedingt der Schutz der Opfer absolute Priorität haben“ müsse. „Die Rechte der Täter haben dahinter deutlich weniger Gewicht.“ So könne es beispielsweise einem Opfer einer schweren Straftat nicht zugemutet werden, dass es nach bereits zwei Jahren Haft, die nach geltendem Jugendstrafrecht verhängt wurden, wieder auf den Täter treffen könne.

Jugendstrafrecht dient der Erziehung

Gegner einer Verschärfung unterstreichen den Erziehungsgedanken, der hinter dem Gesetz steht. Es gehe bei Jugendlichen gerade nicht – wie im Erwachsenenstrafrecht – um Vergeltung.

Die Bekämpfung der Jugendkriminalität müsse dadurch gewährleistet sein, dass Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgericht und Jugendbehörden besser miteinander vernetzt werden, argumentiert beispielsweise die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Gefährlichste Bahnhöfe 12.40

Justizminister Buschmann erinnert daran, dass das „Reichsjugendgesetz“ von 1943, welches die Altersschwelle für die Strafmündigkeit von 14 auf 12 senkte, in der Bundesrepublik zurückgenommen wurde, da es nicht den Grundgedanken des Jugendstrafrechts – speziell dem Schwerpunkt Erziehung – entsprach.

26: Polizei nimmt nach tödlichem Angriff in Bad Oeynhausen 18Jährigen fest – e5412230ba581b9eMit einer „tough on crime“-Politik – also einer streng(er)en Bestrafung – würden falsche Erwartungen geweckt, dass es dadurch zu weniger Straftaten in der Zukunft komme, so Strafrechtler Wolfgang Heinz von der Uni Konstanz.

Ziel sei jedoch „die Rückkehr auf den rechten Weg“, durch „sorgsam abgestufte Reaktionsmöglichkeiten: Arbeitsstunden, Sozialtraining, Anti-Gewalt-Kurse“, argumentiert Bernd Klippstein, Staatsanwalt in Freiburg und Landesvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen.

Kriminelle Karrieren verhindern

Was also hilft? Weder taugt ein Umgang mit straffälligen Jugendlichen wie in der Zeit des Dritten Reiches, noch gelingt es aktuell, Straftaten durch Heranwachsende mit vorhandenen Mitteln gänzlich zu verhindern. Trotzdem werden wir um eine – behutsame – weitere Verbesserung vorhandener Mittel nicht herumkommen. 

Strafrechtler Heinz fasst zusammen, was schon seit Jahrzehnten Befürwortern einer Strafverschärfung entgegengehalten wird: „Je früher und je konsequenter auf einen bestimmten Delikttyp strafend reagiert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kriminelle Karriere verlängert wird. Bestimmte rein strafende Sanktionsabfolgen erhöhen das Risiko, dass es nach einer dritten noch zu einer vierten Straftat kommt, auf das Dreifache.“

Quellen:  „Das Parlament“; Bundestag (1), (2), (3); „Merkur“; „Süddeutsche Zeitung“; „Bundeszentrale für politische Bildung“; „Humanistische Union“; „Abgeordnetenwatch“; „Rheinische Post“; Uni Konstanz

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