Macrons Poker: Warum Wahlen in Frankreich anders ablaufen als bei uns

In Frankreich hat Emmanuel Macron mit der Ausrufung von Neuwahlen ein politisches Beben verursacht. Wie das Wahlsystem funktioniert – und warum es rechte Parteien schwerer haben als bei der EU-Wahl.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl das französische Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Selbst seine politischen Gegner hat das überrumpelt. Der rechtsextreme „Rassemblement National“ (RN) von Marine Le Pen kam im ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag auf gut 33 Prozent. Doch erst in einem zweiten Wahlgang wird sich zeigen, wie groß die rechtsextreme Fraktion im französischen Parlament sein wird. Grund dafür ist das besondere Wahlsystem Frankreichs.Analyse Erster Wahldurchgang Frankreich 23.09

Wie der französische Staat aufgebaut ist

Frankreich ist zentralistisch organisiert: Es gibt also keine Bundesländer und Regionalparlamente, Entscheidungen werden in der Hauptstadt Paris getroffen. Zum anderen hat die Exekutive in Frankreich deutlich mehr Macht: Der Präsident wird direkt vom Volk gewählt, bleibt fünf Jahre im Amt und hat umfassende Befugnisse. Er allein entscheidet über den Einsatz der Armee. Er ernennt den Premierminister sowie alle anderen Minister. Auch der Premierminister und das Kabinett gehören der Exekutive an, können aber, im Gegensatz zum Präsidenten, vom Parlament gestürzt werden.

Das französische Parlament berät und beschließt Gesetze. Es besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. In der Regel hat die Partei des Präsidenten auch die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, was ihm das Regieren einfach macht. Bei der Parlamentswahl 2022 verlor Emmanuel Macron allerdings dieses Privileg und muss seitdem auf Kompromisse mit anderen Lagern bauen.

Wie die Parlamentswahl in Frankreich abläuft

Bei der nun ausgerufenen Neuwahl wird die Nationalversammlung neu gewählt. Das geschieht in zwei Wahlgängen, die am 30. Juni und 7. Juli stattfinden. Beim ersten Wahlgang treten, wie in Deutschland auch, Kandidaten aller Parteien gegeneinander an. 

In Frankreich gibt es anschließend eine Stichwahl: In jedem Wahlkreis treten die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen noch einmal gegeneinander an. Wer diese zweite Wahl gewinnt, zieht dann in die Nationalversammlung ein. Das nennt man eine Mehrheitswahl. Deshalb bringt es dem Rassemblement National zunächst wenig, wenn 30 Prozent der Bürger sie wählen. Am Ende müssen sie in den Wahlkreisen jeweils mehr als 50 Prozent holen, damit ihre Kandidaten ins Parlament einziehen.

Was das Ergebnis für Frankreich bedeuten könnte

Ob in genug Wahlkreisen die Hälfte der Wähler für eine rechtsextreme Partei stimmen würde, ist fraglich – aber angesichts der aktuellen Stimmung im Land nicht unmöglich. Macron geht also ein hohes Risiko ein: Falls Marine Le Pen mit ihren Verbündeten eine Mehrheit im Parlament holt, hat sie auch das Anrecht auf die Regierungsämter. Macron müsste dann den wahrscheinlichen Kandidaten des Rassemblement National, Jordan Bardella, zum Premierminister machen.

Frankreichs Rechtspopulisten gewinnen erste Wahlrunde 06.45

Einen solchen Zustand nennt man in Frankreich Cohabitation: Dadurch würde die Regierungsarbeit extrem erschwert, weder Macron noch der RN könnten ihre politischen Vorhaben in die Tat umsetzen. Will die Regierung handlungsfähig bleiben, müsste Macron Zugeständnisse nach rechts machen: Das dürfte insbesondere eine härtere Migrationspolitik, weniger Klimaschutz und weniger Unterstützung der Ukraine bedeuten.

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