Olaf Scholz: Steht der Kanzler vor einem Comeback? Plötzlich stolpern seine Gegner

Olaf Scholz mag schwach dastehen – seine Gegner sind gerade noch schwächer. Und im Hintergrund verbessern sich die wirtschaftlichen Aussichten.

Eben stand er noch im Schatten vom französischen Rockstar, äh, Präsidenten Emmanuel Macron. In den Umfragen macht er seit Langem keine sonderlich gute Figur. Außerdem hat er dauernd damit zu kämpfen, seine rauflustige Koalition zusammenzuhalten, die im Handgemenge um den Haushalt leicht auseinanderfliegen könnte. Doch Olaf Scholz hat Glück: Seine Gegner machen ausgerechnet jetzt eine noch schlechtere Figur.

Merz liegt unter seinen Möglichkeiten

Eigentlich könnte die Lage für Friedrich Merz besser kaum sein. Die Bundesregierung ist mit sich selbst beschäftigt. Der Haushaltsstreit ist ungelöst. Merz selbst wurde gerade als Parteichef mit starkem Ergebnis wiedergewählt. Und nicht mal Markus Söder stört in diesen Tagen groß. Läuft also für Merz. Könnte man denken.

Die Realität sieht anders aus. CDU und CSU liegen unter ihren Möglichkeiten, scheinen erstaunlich verwundbar, rutschen in manchen Umfragen sogar ab. Erst in dieser Woche flatterten Merz schlechte Forsa-Zahlen auf den Schreibtisch – auch, was das Vertrauen in ihn selbst angeht. In der Kanzlerpräferenz liegt er mittlerweile hinter Olaf Scholz. Einziger Trost: Für die SPD geht es auch nicht bergauf.

„Oma Courage“ verliert die Nerven

Nein, ein Fan vom Kanzler war Marie-Agnes Strack-Zimmermann nie. Die FDP-Spitzenkandidatin zur EU-Wahl tut sich als dauererregter Quälgeist des Regierungschefs hervor, breitet ihren Unmut über Scholz‘ ewiges Abwägen nur zu gern in der Öffentlichkeit aus – das gehört zum Markenkern der meinungsstarken Verteidigungspolitikerin, die sich gerade als „Oma Courage“ und „Eurofighterin“ plakatieren lässt.

Nun hat Strack-Zimmermann wieder zugelangt – und mächtig daneben gegriffen. Sie nannte den Kanzler einen „krassen Rechthaber“, der „autistische Züge“ habe. Eine Entgleisung, die auch in Wahlkampfzeiten mindestens geschmacklos ist. Und die Reihen der SPD hinter Scholz schließt. Strack-Zimmermann kredenzt den Genossen den passenden Beleg für das Narrativ, dass der Kanzler der einzige sei, der nicht die Nerven verliere. Strack-Zimmermann findet Olaf Scholz rechthaberisch 18:13

Kanzler der Reserve in der Defensive

Seine Ich-mach-das-jetzt-mal-Mentalität hat Boris Pistorius zum Beliebtsheitsminister der Deutschen aufsteigen lassen. Könnte der nicht vielleicht der bessere SPD-Kanzlerkanidat sein? Als kerniger Kontrapunkt zum schmallippigen Scholz? Doch nun ist der Verteidigungsminister selbst in die Defensive geraten – mit seinem Prestigeprojekt. Seit Monaten tüftelt er an einer mit Spannung erwarteten Wehrdienstreform. Nachdem er dem SPD-Präsidium nun hinter verschlossenen Türen erstmals Eckpunkte skizzierte, wurde sofort durchgestochen, dass Pistorius‘ Modell vor allem auf Freiwilligkeit basiere. Also doch nix mit Wehrpflicht? Doch, doch, beeilte sich der Minister in der „Zeit“ klarzustellen, die Reform enthalte durchaus ein verpflichtendes Element. Ja, was denn nun? 

Der unschöne Eindruck: Die SPD-Spitze, die im Wahlkampf auf den Friedenskanzler setzt, lässt ihren Beliebtheitsminister auflaufen. Vorteil Scholz: Sein Rivale, der in Pistorius erwachsen ist, wurde ausgebremst.     

Plötzlich Rechtsdraußen

Scholz hat die AfD mal als „Schlechte-Laune-Partei“ verniedlicht, aber so gesehen ist da schon was dran: Die Laune bei den Rechtspopulisten war schon deutlich besser. Klarer Sinkflug in den Umfragen, kein Durchmarsch bei den Kommunalwahlen in Thüringen, immer neue Enthüllungen zu russischer und chinesischer Einflussnahme – und nun ist die AfD sogar den extremen Rechten im EU-Parlament zu rechts geworden. Hat sich die selbsterklärte Alternative entzaubert? Sie ist jedenfalls erkennbar im Abschwung. Und liefert dem SPD-Kanzler reichlich Munition für den Wahlkampf.

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Die Kaufleute haben plötzlich weniger Grund zu klagen

Über „zwei verlorene Jahre“ schimpfte vor einigen Monaten der BDI-Präsident Siegfried Russwurm und traf damit die Stimmung vieler Wirtschaftsbosse: Es läuft miserabel im Land. Ihre Analyse: Die Industrie verliert Aufträge, die Preise sind zu hoch, das Wachstum bleibt aus. Stimmt das noch?

Ein echter Wirtschaftsboom ist noch lange nicht in Sicht. Aber manche Indikatoren deuten auf eine Trendumkehr, zumindest bei Preisen und Konsumklima. Ein paar Beispiele? Die Inflation ist seit dem vergangenen Jahr stark gesunken. Die Reallöhne sind im ersten Quartal so sehr gestiegen wie lange nicht. Die Deutschen geben wieder mehr aus, wie entsprechende Indizes belegen. Hält dieser Trend an, könnte der Prozess sich selbst verstärken. Denn wächst der private Verbrauch, dürfte auch das Wirtschaftswachstum anziehen. Und je besser das Vertrauen in wirtschaftliche Lage, desto ausgabefreudiger die Verbraucher. 

Wächst dann auch die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung? Genau darauf setzt der Kanzler. Einziges Problem: Was das angeht, ist noch sehr viel Luft nach oben.

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