Dürre in Spanien, Hochwasser in Deutschland und Temperaturrekorde in ganz Europa: Das Wetter auf dem Kontinent schlägt weiter seine Kapriolen. Woran liegt das?
2024 geht es weiter mit den Temperaturrekorden und Wetterturbulenzen in Europa. In Sachen Hitze übertrifft seit Beginn der Aufzeichnungen jeder Monat seinen Vorgänger. Auf Extremereignisse, das ist längst klar, muss sich der gesamte Kontinent einstellen. Das liegt am Klimawandel, der Luft- und Meeresströmungen beeinflusst und aus dem Gleichgewicht bringt. Was das bedeutet, können Forschende unter anderem im Atlantik, Europas Wetterküche, beobachten. Der Ozean erwärmt sich wie alle anderen Weltmeere rasant. Was bedeutet das für das Wetter auf dem Kontinent? Ein Überblick.
Warum erwärmen sich die Ozeane so stark?
Dazu gibt es mehrere Theorien, aber noch keine eindeutige Antwort. „Wir erleben eine Kombination aus natürlichen Veränderungen und dem Klimawandel“, erklärt Stephanie Fiedler, die sich als Leiterin der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (Geomar) mit diesen Fragen beschäftigt. Durch die Treibhausgasemissionen steigen die globalen Temperaturen auch in den Meeren an. Laut dem Klimastatusbericht der Weltwetterorganisation (WMO) gab es zuletzt Hitzewellen, also starke Temperaturanstiege über einen kurzen Zeitraum.
Im April erreichten die Ozeane weltweit Rekordwerte. Besonders betroffen war der Atlantik
© Copernicus Climate Change Service / ECMWF
Auch natürliche Wetterphänomene wie der Wechsel zwischen La Nina und El Nino im östlichen Pazifik vor der Küste Perus beeinflussen die Temperaturen der Meere.
Welche Rolle spielt El Nino?
Am stärksten wirken Naturphänomene immer vor Ort. Die Folgen von El Nino sind deshalb vor allem an der lateinamerikanischen Küste spürbar. „Dort verschieben sich etwa die Niederschlagsmuster, sodass es in Südamerika deutlich mehr, in Südostasien und Australien dagegen deutlich weniger regnen kann“, sagt Klimaforscherin Fiedler. Im Atlantik machen sich die pazifischen Meeresströmungen unter anderem wegen der geographischen Distanz deutlich weniger bemerkbar.
Warum erwärmt sich der Atlantik stärker als andere Ozeane?
Diese Frage versuchen Meeres- und Klimawissenschaftler derzeit noch zu beantworten. Es gibt verschiedene Faktoren, die die Temperatur des Atlantiks beeinflussen. Einerseits spielen der menschengemachte Klimawandel durch die steigende CO2-Konzentration eine Rolle. „Aber auch Zirkulationen beeinflussen die Meerestemperaturen, ähnlich wie bei unseren Wettermustern“, sagt Geomar-Forscherin Fiedler. „Hoch und Tiefdruckgebiete wechseln sich ab und bestimmen so unser Wetter. Ähnliches spielt sich auch im Ozean ab, manche Strömungen fallen stärker oder schwächer aus.“Warum erwärmt sich Europa schneller als der Rest der Erde? 08:16
Wie beeinflussen wärmere Ozeane das Wetter in Europa?
Je wärmer die Meeresoberfläche, desto mehr Wasser verdunstet und steigt in die Atmosphäre. Diese wiederum erhitzt sich ebenfalls und kann dadurch mehr Wasserdampf aufnehmen. Dadurch werden extreme Niederschläge in Europa wahrscheinlicher. Einzelne Extremwetterereignisse, wie der Starkregen im Saarland, lassen sich aber nicht nur mit wärmeren Meerestemperaturen erklären. Meteorologische Faktoren wie die Entwicklung von Hoch- und Tiefdruckgebieten spielen ebenfalls eine Rolle. Gerade beim Thema Niederschläge seien die Prognosen der Klimamodelle noch eher uneindeutig.
„Insgesamt kann man aber schon davon ausgehen, dass sowohl Niederschläge als auch Dürren mit fortschreitender Erwärmung häufiger und extremer werden“, fasst Fiedler die bisherigen Erkenntnisse zusammen. Zudem gibt es regionale Unterschiede: Den Klimamodellen zufolge wird es im Mittelmeerraum durchschnittlich trockener, im Norden des Kontinents dagegen feuchter. „Was aber nicht bedeutet, dass Extremniederschläge im Mittelmeerraum nicht mehr auftreten“, betont die Klimaforscherin.
Wann kühlen sich die Ozeane wieder ab?
Das ist nicht ganz klar. Die Naturphänomene vor der Küste Lateinamerikas wechseln sich ab; La Nina hält ungefähr sieben Jahre an, während El Nino ungefähr zwei Jahre dauert. Die Temperaturschwankungen lassen sich zwar mit Bojen messen, aber langfristige Prognosen zur Temperaturentwicklung in den Ozeanen gibt es nicht. Physikforscherin Fiedler leitet aus der saisonalen Vorhersage und Wetterprognosen ab: „Je weiter man in die Zukunft blickt, desto unsicherer werden die Vorhersagen.“
Was passiert, wenn die Meerestemperaturen sinken?
„Man würde erwarten, dass Extremwetterereignisse dann seltener werden“, sagt Fiedler. So einfach ist es aber nicht, weil natürliche Meeres- und Luftströmungen das Wetter weiterhin beeinflussen. Beispiel El Nino: Wird er von La Nina abgelöst, verlagern sich die Niederschläge von Lateinamerika Richtung Australien. Umgekehrt wird es dann in Südamerika trockener. „Das Wetter ist regional aber sehr unterschiedlich und wegen der vielen wechselwirkenden Prozesse und den anthropogenen Einflüssen sehr komplex.“
Fiedler geht davon aus, dass sich die Ozeane insgesamt weiter erwärmen werden. Weil die Meere täglich Unmengen an CO2 und Wärme speichern können, könnte es wissenschaftlichen Schätzungen zufolge ohnehin mehrere hundert Jahre dauern, bis sich Temperaturveränderungen in den Ozeanen bemerkbar machen. Pessimistischen Prognosen zufolge könnten sich die Meere selbst dann lange weiter aufheizen, wenn die Klimaziele erreicht und eingehalten werden.