Fotografie: Ausstellung „Back in the Dazed“ von Heidi Klums Hausfotograf Rankin: Wilde Zeiten

In der Ausstellung „Back in the Dazed“ erinnert Heidi Klums Hausfotograf an seine frühen Londoner Jahre und sein Magazin „Dazed and Confused“, für das er anarchisch die Stars der Zeit fotografierte

Ein bisschen dick, gemütlich und sehr gelassen, man könnte von ihm auch als fotografierender Bär sprechen. So jedenfalls kennen ihn die Zuschauer von Heidi Klums Model-Show „GNTM“ in der Rankin seit Jahren den internationalen Starfotografen spielt, der selbst den, sagen wir, nicht so aussichtsreichen Kandidatinnen für ein paar Minuten vor seiner Kamera das Gefühl gibt, dass irgendwas an jedem Menschen fotogen ist, man muss es nur finden. Natürlich „spielt“ Rankin bei Heidi Klum diesen Fotografen nicht, sondern wenn einer Fotograf mit jeder Zelle seines Körpers und seiner Gedanken ist, dann dieser Rankin.

Starfotograf Rankin: Er hatte so gut wie jeden mit Rang und Namen vor der Linse, durch seine mehrfachen Auftritte bei Germany’s next Topmodel ist er heute so bekannt wie eh und je. Jetzt zeigt eine Ausstellung seine großen Veröffentlichungen, im von ihm mitbegründeten Dazed Magazine.
© Rankin

Das weiß man, wenn man ihn und seine Geschichte länger kennt, die mal vor vielen Jahren eben nicht gemütlich und gelassen anfing, sondern fotografisch eher stürmisch und Türen einrennend. So war er mal, der Schotte John Rankin Waddell, geboren 1966, Sohn eines Buchhalters, der auch Buchhalter werden sollte. Es aber nicht wollte, denn er studierte in Brighton und lebte damals die Nächte schon in London, wo sich Mitte bis Ende der 80er Jahre wieder eine neue Brit-Kultur blühend in Magazinen wie „ID“ oder „The Face“ ausbreitete und neben Mode und Musik die Fotografie ein eigenes Genre der Pop-Kultur wurde. 

Das Geld für neue Kameras verdiente Rankin als Kurierfahrer

Das gefiel ihm. Fotografieren, was für ihn Hinsehen als Tätigkeit, Arbeit und Leidenschaft bedeutete, fotografieren als denkendes Sehen. Dann Fotoschule in London und nachts als Kurierfahrer oder Platzanweiser im Kino Geld verdienen für neue Kameras, neue Filme und das bisschen Leben dazwischen.

Rankin hatte es schon damals immer eilig, kunstbetanktes Sinnieren über Licht- und Schattenspiel, lange Belichtungsproben mit Polaroids oder Warten auf den richtigen Grauton am Himmel in der Früh, war alles nicht seins. Genauso wenig wie das Warten, ins fotografische Establishment des damaligen London mit seinen Stars wie Juergen Teller oder Nick Knight aufgenommen zu werden. 

Rankin war da eher der Bierkutschen-Fahrer der Fotografie und sah damals auch so aus. Haare wie ein ungemachtes Bett, oft barfuß, zwei Wochen lang im selben T-Shirt, im Ton laut und schottisch. Aber eben effizient. In seinem ersten Studio, das er zusammen mit dem Journalisten Jefferson Hack in der Old Street im Londoner East End betrieb, wurde wie am Fließband fotografiert. Alles. Mode, Stars, Sex und manchmal per Kleinanzeigen gesuchte Paare, die sich vor der Kamera zungenküssten.

Gegenprogramm zur Eliteästhetik

Und weil dabei jeden Tag so viele Fotos entstanden und Rankin als technischer Eklektizist viele Stile und Einstellungen anderer neu kombinierte, kamen Magazine oder die Werbung gar nicht mehr mit, diesen Output zu veröffentlichen. Also gründeten Rankin und Hack ihr eigenes Magazin „Dazed an Confused“, was man mit „benommen und verwirrt“ übersetzen könnte und was die Stimmung damals ganz gut trifft. 

„Wir wollten das Gegenprogramm zur Eliteästhetik vieler Magazine sein“, sagte Rankin später mal über die Dazed-Jahre. „Wir waren Kinder einer Zeit, in der wir vom Punk und seiner Do-it-Yourself-Kultur beeinflusst waren, aber auch von der Idee, nicht zu erwarten, dass uns jemand alles auf dem Silbertablett serviert.“ 

Im Unterschied zu den großen Mode-Magazinen war „Dazed and Confused“ eher ein handgemachtes Foto-Fanzine, Rankin und Hack saßen nächtelang am Layout oder im Fotolabor, jede Zeile wurde selbst geschrieben, und das Blatt bekam schnell den Ruf, unabhängig und stilbildend zu sein, und so kam es, dass immer mehr große Namen und Stars vor Rankins Kamera kamen. 

Rankin glaubte schon früh an Heidi Klum

David Bowie, Kate Moss, Claudia Schiffer, Helen Mirren, Charlie Watts, aber auch die damals noch kaum bekannte Heidi Klum, die später ihre Treue zu Rankin damit erklärte, dass er schon früh an sie geglaubt hätte und seine Fotos ihr viele Türen nach oben geöffnet hätten. Was sie alle an Rankin mochten, war seine Schnelligkeit. Rankin fotografierte so wie er sprach – schnell, einfach und präzise.

Damals erzählte er die Geschichte, dass er den britischen Premier Tony Blair porträtieren sollte und man ihm fünf Minuten Zeit gab. Also schoss er in fünf Minuten fünf Bilder. Nach ihm hatte die ehrwürdige „Vanity Fair“ eine ganze Stunde Zeit – für ein einziges Bild. Und natürlich waren seine fünf besser.
 

„Back in the Dazed – Rankin 1991-2001“
noch bis 23. Juni im 180 Studios, London     

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