Merz-Festspiele: Von Ampel bis Zentralkomitee: Das große stern-Bingo zum CDU-Parteitag

Drei Tage trifft sich die CDU zum Parteitag in Berlin-Neukölln. Was ist da los? Worauf muss man achten? Alles wichtige im großen stern-Parteitags-Bingo.

Von Montag an trifft sich die CDU für drei Tage im Berliner Estrel-Hotel. Was ist von diesem XXL-Parteitag zu erwarten? Wie viel Reden hält Friedrich Merz? Kommt Carsten Linnemann vielleicht mal kurz zur Ruhe? Der stern hat die wichtigsten Themen und Temperamente zusammengetragen: von Ampel bis Zentralkomitee. Ein munteres Parteitags-Bingo – nicht nur für Christdemokraten. 

Ampel – Immer drauf, immer drauf. SPD, Grüne und FDP werden oberstes Ziel von Kritik, Hohn und Spott bei diesem Parteitag sein. Das Grundrauschen aller Reden wird sein: Diese Ampel hat dieses Land völlig verunsichert!

BSW – Geht nicht, geht doch, geht vielleicht? Sollte die CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten? Diese und andere Koalitionsspekulationen werden den Parteitag begleiten und am Rande für Gesprächsstoff sorgen.

Christlich – Aus dem christlichen Menschenbild leitet die Union ihre Positionen ab. Sagt sie. Sie nimmt die Menschen, wie sie sind – und nicht, wie sein sollten. Die Kritik von links wird an dieser Selbstwahrnehmung in den kommenden Tagen so ihre Zweifel streuen.

Noch beschäftigt sich die CDU mit der FDP

Debatte – Diese Partei lebt. Sie diskutiert, sie streitet, sie findet den Konsens. Kurz: Die CDU kann Debatte. Das will die Parteispitze mit diesem XXL-Parteitag beweisen.  

Europa – Steht am dritten und letzten Tag im Fokus. Am Mittwoch beginnt für die Union die heiße Phase im Europawahlkampf. 

FDP – Noch beschäftigt sich die CDU mit den liberalen Freunden in der politischen Todeszone. Betonung auf: noch. Vielleicht sollte man diese Augenblicke schwarz-gelber Nostalgie deshalb besonders genießen. 

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Grundsatzprogramm – Am Dienstag sollen die Inhalte im Mittelpunkt stehen. Nur noch ein paar letzte Streitereien, ob es Gleichstellung oder Gleichberechtigung heißen sollte, zack, fertig, dann hat die CDU ein neues Grundsatzprogramm – und Friedrich Merz das Versprechen eingelöst, die Partei inhaltlich zu erneuern.

Höcke – Die Brandmauer zur AfD steht. Dieses Signal wird die Union wieder senden, sie kann es gar nicht oft genug tun. Das TV-Duell zwischen CDU-Mann Mario Voigt und dem Faschisten Björn Höcke wird in der Union inzwischen als Best-Practice-Beispiel im Umgang mit der AfD verkauft, sicherlich auch bei diesem Parteitag noch einmal. 

Islam – Ursprünglich sollte mal dieser Satz im Grundsatzprogramm stehen: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Das sorgte für Kritik von Islamverbänden. Jetzt lautet der Satz so: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Dürfte im Estrel-Hotel so durchgehen – wird aber von Islamverbänden weiterhin als ausgrenzend kritisiert.

Die K-Frage entscheidet sich im Zwiegespräch

Junge Union – Der Nachwuchs will sich offensiv in die Debatten einmischen. Besonders interessant wird das, sollte es nochmal um die Wehrpflicht gehen. Dazu hat die JU ein eigenes Konzept erarbeitet. Kann sie die Mutterpartei davon überzeugen?

K-Frage – Na, wer macht’s denn jetzt? Wer wird Kanzlerkandidat? Darüber wird auf dem Parteitag nicht entschieden. Aber nach drei Tagen Merz-Feierei wird wohl auch der letzte CDU-Ministerpräsident einsehen müssen, dass sich die K-Frage im Zwiegespräch des CDU-Chefs mit sich selbst entscheidet. „Friedrich, willst Du das machen?“ – „Ja, Friedrich, Du musst das jetzt machen!“ Ganz einfach eigentlich. Nur gibt es dann immer noch Markus Söder.

Linnemann – Halt, Orientierung und Zuversicht will CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Menschen in Deutschland geben. Und wirkte vor so viel Zuversichts-Tatendrang zuletzt selbst bisweilen so, als müsse er sich dringend Halt verordnen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Weil drei Tage Parteitag einen Linnemann offenbar nicht ausreichend fordern, geht der General am Dienstagfrüh um sieben Uhr mit allen Delegierten, die ähnlich veranlagt sind, schnell noch eine Runde laufen. Einfach mal eine Pause machen? Kennt Linnemann nicht.

Merz – Der CDU-Chef kann tiefenentspannt in den Parteitag gehen. Es mag sicherlich immer noch genug Parteifreunde geben, die mit ihm und seiner Art so ihre Probleme haben. Aber handwerklich können sie Merz derzeit wenig vorwerfen. Die Partei agiert geschlossen. Die nächste Bundestagswahl kann kommen. Keine Frage: Merz wird am Dienstag mit einem guten Ergebnis als Vorsitzender wiedergewählt. Diese drei Tage könnten – nicht erst in der Rückschau – wie eine vorgezogene Krönungsmesse auf dem Weg ins Kanzleramt wirken.

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Neukölln – Ist vielleicht nicht überall, gehört aber zu Deutschland. Das weiß auch CDU-Chef Merz, der dort im Estrel-Hotel im November 2021 sein Team für den dritten Anlauf auf den CDU-Vorsitz vorstellte. Damals begrüßte Merz die Presse in „Ost-Berlin“. Das wird ihm an selber Stelle nicht noch einmal passieren.

Osten – An Fokus auf Ostdeutschland wird es in diesem Landtags-Superwahljahr trotzdem nicht mangeln. Damit Sie die Namen schon einmal gehört haben: Jan Redmann kandidiert für die CDU in Brandenburg. Michael Kretschmer will Ministerpräsident von Sachsen bleiben. Und der bereits erwähnte Mario Voigt will in Thüringen in die Staatskanzlei. Er soll beim Parteitag auch ins Präsidium der Bundespartei gewählt werden. 

Prozent – In Umfragen liegt die Union stabil bei um die 30 Prozent. Mehr geht gerade nicht. Warum nicht? Das ist die eine Prozent-Frage vor dem Parteitag. Die andere lautet: Wer kriegt wie viel Prozent bei den Präsidiums- und Vorstandswahlen? Und vor allem: Welches Ergebnis holt Merz? 2022 waren es 95,33 Prozent. Das es dieses Mal weniger wird, davon gehen sie in der Parteiführung aus. Das sei ganz normal und solle man bloß nicht als kritisches Votum verstehen.

Querschläger – CSU-Chef Markus Söder kommt auch und hat gleich zwei Auftritte, einen am Dienstag, einen am Mittwoch. Das wird lustig. 

Merz hält gleich zwei Reden

Reden – Davon hält Friedrich Merz gleich zwei. Eine zum Auftakt, am Montag gegen 11:15 Uhr, bevor er sich erneut als CDU-Chef zur Wahl stellt. Man darf typische Parteitagsrhetorik erwarten. Die zweite Rede folgt am Mittwoch, es ist der 8. Mai, anlässlich des Tags der Befreiung. Man darf selbstbewusst-staatsmännische Rhetorik erwarten.

Schuldenbremse – Wie viel Schulden sind gut fürs Land? Diese Frage spaltet die Union, zumindest ein bisschen. Merz will, dass die CDU auf Knallhart-Kurs bleibt, keine Zweifel aufkommen lässt, dass ein grundlegende Reform der Schuldenregeln mit ihr nicht zu machen ist. Einige Ministerpräsidenten sehen das dezidiert anders. Eigentlich soll das auf diesem Parteitag keine Rolle spielen. Eigentlich. 

Thüringen – Diese Landtagswahl bleibt die größte strategische Herausforderung für die CDU: Was tun, wenn ohne Linke und AfD keine Regierungsbildung möglich ist? Bislang will niemand in der Partei diese Frage offen diskutieren. Wir kämpfen dafür, stärkste Kraft zu werden, um eine Regierung bilden zu können, heißt es nur. Das ist dünn, sehr dünn. Aber daran wird der Parteitag wohl kaum etwas ändern – trotz aller Bemühungen von Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, über das Verhältnis zur Linken neu nachzudenken.

Am Mittwoch geht es um die Europawahl

Ukraine – Die Kriege in Israel und in der Ukraine werden die außenpolitischen Augenblicke des Parteitags bestimmen. Eventuell auch zu erwarten: Kritik an der China-Politik von Kanzler Olaf Scholz.

Von der Leyen – Die EU-Kommissionspräsidentin ist Mitglied der CDU. Das kann man schonmal vergessen. Das würden viele Christdemokraten selbst ab und an gerne vergessen. Ursula von der Leyen kommt, hält am Mittwoch eine Rede, und soll angemessen gelobt und gefeiert werden. 

Wüst – NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst gibt vor dem Parteitag die treue Seele aus dem Münsterland: „Friedrich Merz hat der CDU nach der verlorenen Bundestagswahl wieder Stabilität gegeben“, sagte Wüst der „Welt am Sonntag“. Ein anderer Landesfürst mit W, der Merz gerne mal kritisch kommt, muss schon allein aus Gastgebergründen ganz brav bleiben: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner. Aber, vielleicht, vielleicht trauen sich die MPs ja doch etwas: siehe Schuldenbremse. 

X (vormals Twitter) – Ist wohl weiterhin die beliebteste Plattform meinungsstarker Christdemokraten. Aber: Die CDU gibt es auch bei TikTok.

Youngster – Philipp Amthor, der Mini-Merz aus Vorpommern, wird neuer Mitgliederbeauftragter der CDU. Der 31-Jährige war zuletzt schon der heimliche Star der Regionalkonferenzen zum Grundsatzprogramm. 

Zentralkomitee – Das Bühnenbild beim Parteitag soll moderner sein als bei allen anderen, jünger und frischer. Deshalb hat die CDU entschieden, dass nicht mehr die gesamte Parteiführung hinter Namensschildchen auf der Bühne sitzt. Anders ausgedrückt: Das Zentralkomitee hat die Merz-Wende nicht überlebt.

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