Fragen und Antworten: Die Regierung in Georgien plant ein neues Gesetz und die Massen protestieren. Was ist da los?

In Georgien gehen Tausende auf die Straßen, um gegen ein Gesetzesvorhaben der Regierung zu demonstrieren. Aber wer sind die Demonstrierenden und wogegen wehren sie sich?

In Georgien im Südkaukasus halten seit Mitte April Massenproteste an. Im Zentrum der Hauptstadt Tiflis versammelten sich am Donnerstagabend erneut Tausende Menschen, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen über ein geplantes Gesetz ihrer moskaufreundlichen Regierung. In den Augen der Demonstranten ist dadurch die EU-Perspektive ihres Landes gefährdet. Neben georgischen Flaggen schwenkten viele deshalb erneut auch EU-Fahnen.

Wogegen demonstrieren die Georgier?

Ein Gesetz mit dem Namen „Über Transparenz ausländischen Einflusses“ hat trotz Protesten die zweite Lesung im Parlament passiert. Es sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland erhalten, dessen Herkunft offenlegen müssen.STERN PAID 12_22 Flucht aus Russland 08.29

Was sagen Kritiker dazu?

Beobachter werfen der Regierung der Ex-Sowjetrepublik vor, sie habe das geplante Gesetz nach dem Vorbild eines russischen „Agenten“-Gesetzes ausgearbeitet, um die Arbeit kritischer Verbände und Medien zu behindern. In Russland sind zahlreiche Organisationen und auch Einzelpersonen als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt, was für die Betroffenen oft große Probleme mit sich bringt. Kritiker sehen ind er Maßnahme ein Mittel politischer Repression, um Kritiker mundtot zu machen.

Wovor fürchten sich die Demonstrierenden am meisten?

Die seit 2012 regierende Partei Georgischer Traum tritt vor der Parlamentswahl im Herbst zunehmend autoritär auf. Die Georgier befürchten, dass sich die politische Lage durch das neue Gesetz weiter verschärfen könnte –sofern es auch in der letzten Lesung angenommen wird. Das könnte auch den von pro-europäischen Bürgern erhofften EU-Beitritt des Landes gefährden.

Wie erklärt die Regierung ihren Kurs?

Regierungschef Irakli Kobachidse sagte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, die Verabschiedung des Gesetzes schütze das Land auf lange Sicht vor einer Polarisierung und Radikalisierung. Zugleich rechtfertigte er das harte Vorgehen der Polizei: Die Ordnungskräfte hätten allein im Rahmen des Gesetzes gehandelt.

 Bildband Vergessene Pracht 14.38

Wie reagiert die EU?

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte den Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten. „Georgien ist EU-Beitrittskandidat. Ich rufe die Behörden auf, das Recht auf friedliche Versammlungen zu gewährleisten“, schrieb er im sozialen Netzwerk X (früher Twitter). „Der Einsatz von Gewalt, um dieses zu unterdrücken, ist inakzeptabel.“

Sollte das Parlament das umstrittene Gesetz verabschieden, hat die ehemalige Sowjetrepublik nach Einschätzung des Grünen-Politikers Anton Hofreiter keine Chance auf einen EU-Beitritt. „Mit dem sogenannten Agentengesetz kann Georgien nicht Teil der EU werden“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Das geplante Gesetz zur Beschneidung der Rechte von Homosexuellen ist genauso EU-rechtswidrig. In Georgien steht die Demokratie auf dem Spiel.“

Was sagt die internationale Gemeinschaft?

Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk forderte die Regierung Georgiens am Donnerstag auf, das Gesetz fallen zu lassen. Er kritisierte, dass Medien und Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, als Organisationen bezeichnet werden, „die im Interesse einer ausländischen Macht handeln“. Eine solche Aussage bedrohe das Recht auf Meinungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit.

EIL EU Moldau Ukraine 18.40Außerdem kritisierte er die „unnötige und unverhältnismäßige Gewaltanwendung“ der Sicherheitskräfte gegen die Demonstrierenden in Georgien. Infolge von Wasserwerfer- und Tränengaseinsätzen hatte es in der Nacht zuvor mehrere Verletzte gegeben.

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