Tag des deutschen Bieres: „Warum wird Bier billiger verkauft als braune Brause aus den USA?“

Deutsches Bier hat die Krise: Die Deutschen trinken immer weniger, die Branche beklagt einen „Kosten-Tsunami“.  Zum „Tag des Deutschen Bieres“ hofft Verbandschef Holger Eichele auf die Fußball-Europameisterschaft.

Herr Eichele, neulich habe ich einen Kasten Bier gekauft. Vor zwei, drei Jahren bekam ich den für 12,99 Euro. Jetzt habe ich 17,99 Euro bezahlt. Ist Bier noch teurer geworden als andere Konsumartikel?
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: In Deutschland sind die Verbraucherpreise für Lebensmittel laut Statistischem Bundesamt zwischen Januar 2020 und März 2024 um 32 Prozent gestiegen. Bei Bier lediglich um 20 Prozent. 

Heißt das, dass Bier eigentlich noch zu billig verkauft wird?
Deutsches Bier ist im europäischen Vergleich noch immer sehr günstig. Der Preis bewegt sich in Supermärkten, Restaurants oder Bars im unteren Drittel. Aber er muss mittel- und langfristig steigen, damit unsere Brauwirtschaft in ihrer Vielfalt überleben kann.

Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer Bundes, beklagt einen „Kosten-Tsunami“, dem seine Branche ausgesetzt sei
© Steffen Höft

Ist die Lage wirklich so dramatisch? Immerhin gibt es noch immer etwa 1500 Braustätten in Deutschland – mehr als irgendwo sonst auf der Welt.
Unsere Brauereien sind seit Jahren einem permanenten Stresstest ausgesetzt. Wir kommen aus einer Spirale aus Krisen, die wir nicht haben vorhersehen können. Diese Vielzahl an Krisen hat bei vielen Unternehmen die Rücklagen aufgezehrt. Während der Corona-Pandemie und den Lockdowns brach der wichtige Markt für Fassbiere komplett zusammen, weil Restaurants und Biergärten geschlossen waren. Bier musste in den Gully gekippt werden. Gerade den mittelgroßen und kleinen Betrieben ging das an die Substanz. Danach folgten Inflation und vor allem die Energiekrise.

Wie hat sich die Energiekrise für die Brauer bemerkbar gemacht?
Bierbrauen ist ein energieintensives Handwerk. Große Mengen Flüssigkeit müssen erhitzt und wieder gekühlt werden. Auch die Herstellung von Glasflaschen und der Biertransport kosten viel Energie. Für eine Brauerei ist die Flaschenwasch-Anlage für das Mehrwegsystem der zweitgrößte Posten beim Energieverbrauch – nach dem Sudkessel. Kurz: Die Kosten für die Brauereien sind zuletzt dramatisch gestiegen. Das war ein regelrechter Kosten-Tsunami. Aber die Brauereien konnten und können einen Großteil der Kostensteigerungen nicht an die Kunden weitergeben. Preiserhöhungen sind nur schwer durchsetzbar.

Warum?
Weil wir in Deutschland eine riesige Marktmacht im Lebensmitteleinzelhandel haben. Vier Konzerne teilen sich 80 Prozent des Umsatzes. Deshalb sind Preiserhöhungen kaum möglich. Aber höhere Bierpreise wären ein wichtiges Signal.

Wofür?
Für die Wertschätzung unserer Bierkultur. Ich verstehe nicht, warum Bier als traditionelles deutsches Handwerksprodukt aus guten, heimischen Rohstoffen billiger verkauft wird als braune Brause aus den USA. Es ist unsere Aufgabe als Brauerinnen und Brauer, die Wertschätzung für Bier wieder deutlich zu steigern – auch über den Preis.

Der Bierkonsum geht seit Jahren zurück. 2023 tranken die Deutschen pro Kopf nur noch 88 Liter Bier – etwa 30 Prozent weniger als noch vor 30 Jahren. Trotzdem vermeldete ihre Branche zuletzt mit etwa 8,9 Milliarden Euro einen Rekordumsatz. Wie passt das zusammen?
Umsatz ist leider nicht das gleiche wie Gewinn. Auch versuchen immer mehr Brauereien, die Wertschöpfung durch neue Produkte zu steigern. Viele Unternehmen erweitern ihr Portfolio. Sie entwickeln sich zu Getränkespezialisten, die neben Bier und alkoholfreiem Bier auch andere Getränke wie etwa Softdrinks oder Mineralwasser verkaufen. Der Umsatz bezieht sich immer aufs ganze Portfolio, also nicht nur auf Bier. 

Warum sinkt der Bierkonsum auch in vielen europäischen Ländern?
Dafür gibt es viele Gründe, allen voran die demografische Entwicklung. Ältere Menschen trinken weniger Bier. Und jüngere Generationen gehen generell maßvoller mit Alkohol um, was ja zu begrüßen ist. Auf dem Getränkemarkt gibt es zusätzlich eine viel größere Vielfalt als früher. Hugo oder Aperol Spritz waren vor 20 Jahren noch nicht in Mode.

Was sind die Folgen für die deutschen Brauer?
Wir müssen uns auf eine Konsolidierungswelle einstellen. Schon jetzt muss jede Woche ein Betrieb aufgeben. Das geschieht nicht von heute auf morgen, sondern trifft vor allem Brauereien, deren finanzielle Reserven aufgebraucht sind. Zusätzlich werden in den kommenden Jahren für die ganze Branche viele Milliarden an Investitionen nötig sein, um die Energiewende und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu schaffen. Das kann nicht jede Brauerei stemmen.

Tipps um Lebensmittelkosten zu senken 19.38

Wünschen Sie sich von der Politik mehr Unterstützung?
Unsere Branche befindet sich in einem historischen Umbruch. Es würde uns schon helfen, wenn die Marktmacht der Multis im Lebensmitteleinzelhandel begrenzt würde. Und wenn die Politik für eine Verbesserung des Konsumklimas generell sorgen würde. Die Leute haben immer weniger in der Tasche, gehen seltener in Bars, in den Biergarten oder ins Restaurant. Das spüren wir. Jetzt hoffen wir auf die Fußball-Europameisterschaft.

Inwiefern?
Bei der WM 2006 im eigenen Land haben wir durch den Fußball etwa fünf Prozent mehr Umsatz gemacht. Wenn das Wetter mitspielt, könnte uns auch die Europameisterschaft sehr helfen. Hängt aber auch vom Abschneiden des deutschen Teams ab.

Frustsaufen bei einem Aus in der Vorrunde wäre keine Option?
Frustsaufen ist nie eine gute Option, fürchte ich.

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