Prozesse: Tödlicher Unfall auf Rennrodelbahn: Tränen im Gerichtsaal

Aus einem Freizeitspaß im Oberhofer Eiskanal wird eine tödliche Tragödie. Eine Helferin steht dafür jetzt vor Gericht. Aus Sicht der Nebenklage gehören weitere Verantwortliche auf die Anklagebank.

Ein Gästebob prallt auf der Zielgeraden der Oberhofer Rennrodelbahn mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Doppel-Schlauchring: Ein 45-jähriger Familienvater überlebt diesen Zusammenprall Ende Februar vergangenen Jahres nicht, seine 41 Jahre alte Lebensgefährtin wird schwer verletzt. Mehr als ein Jahr nach dieser Tragödie muss sich eine ehrenamtliche Helferin seit Dienstag vor dem Amtsgericht Suhl verantworten – wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Es ist eine emotional schwierige Verhandlung, wie Richterin Alexandra Grimm gleich zu Beginn anmerkt.

Die Angeklagte betreute an dem Unglücksabend als Vereinsmitglied ehrenamtlich den Start der sogenannten Ice-Tubes. Staatsanwalt Jochen Grundler sagte bei der Anklageverlesung, der Zusammenstoß sei für die Angeklagte vorhersehbar und vermeidbar gewesen, da sie wusste, dass sie die Schlauchringe nur bei Grün in den Eiskanal schieben durfte.

Bei Rot in den Eiskanal geschoben?

„Die Frage meiner Schuld belastet mich sehr“, ließ die sichtlich mitgenommene und weinende Angeklagte über ihre Verteidigerin erklären. Es vergehe kein Tag, an dem sie nicht daran und an das schwere Leid denke. Die 47-Jährige fühlt sich dem Rodelsport seit ihrer Kindheit verbunden und auch ihre Tochter sei aktiv. Sie sei vor dem Unglück ein paar Mal als Helferin im Startbereich der „Ice-Tubes“ tätig gewesen.

Vor der Unglücksfahrt habe es eine Freigabe per Lautsprecher gegeben, hieß es in der verlesenen Erklärung der Angeklagten. Sie sei sich sicher gewesen, dass die Ampel in dem Moment auf Grün schaltete. Als dann Sekunden später die Freigabe für den von einem höheren Punkt der Eisbahn startenden Gästebob erfolgte, sei sie total erschrocken gewesen und habe sofort durchgegeben, dass die Schlauchringe in der Bahn seien – verhindern konnte das den Zusammenstoß allerdings nicht mehr. Vor dem Unglück gab es bereits zwei andere Schlauchringfahrten.

Die angeklagte Helferin gab zudem an, keine Informationen zu weiteren Veranstaltungen noch zur weiteren Bahnbelegung gehabt zu haben. Auch sei sie für ihren Einsatz nicht gesondert geschult worden. Vielmehr sei es „learning by doing“ gewesen.

Die im Gerichtssaal gezeigten Videos und Bilder von dem Unglück waren für die Angehörigen und auch für die Angeklagte nur schwer erträglich. Auf einem vom Start des Doppel-Schlauchrings gezeigten Video war zu sehen, dass dieser bei Rot in den Eiskanal geschoben wurde. Ein Gutachter sagte am ersten Prozesstag zudem aus, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn das Rotlicht beachtet worden sei. Eine Fehlfunktion der Lichtanlagen schloss der Unfallanalytiker aus.

Weitere Verantwortliche?

Der Nebenklägervertreter Juri Goldstein, der die 21 Jahre alte Tochter des Opfers vertritt, sagte, die Aufarbeitung dieser Tragödie sei für die Familie sehr wichtig. Allerdings entstehe der Eindruck, dass das Verfahren nicht die erforderliche Akribie in den Ermittlungen aufweise, hieß es in einer von Goldstein verlesenen Erklärung seiner Mandantin. Darin wurde unter anderem die Frage nach einem konkreten Sicherheitskonzept und nach fachkundigem Personal für diese touristischen Fahrten gestellt: „Wieso sind diese Verantwortlichen nicht auf der Anklagebank?“

Die 1354 Meter lange Eiskanalbahn in Oberhof wird vor allem für den Profisport genutzt. Es ist aber auch möglich, dass Gäste etwa in einem von einem Profi gesteuerten Bob mitfahren oder mit Schlauchringen den Eiskanal herunterfahren. Der Zweckverband Thüringer Wintersport stellt der Tourismus GmbH Oberhof freie Zeiten für touristische Zwecke zur Verfügung. Die Abfahrten dürfen nur mit fachkundigem Personal erfolgen, hieß es dazu in der verlesenen Erklärung der Tochter.

Am ersten Prozesstag sagte ebenfalls die Schwester des Toten aus. Es sei schrecklich gewesen, diese Tragödie miterleben zu müssen – ohnmächtig zu sein und nicht helfen zu können. Auch für die Angeklagte ist nach eigener Aussage der tödliche Unfall nach wie vor sehr belastend: „Leider kann man die Zeit nicht zurückdrehen und alles ungeschehen machen.“

Der Prozess wird am kommenden Dienstag mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.

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