30 Jahre nach der Festnahme: Der Fall „Dagobert“ – von der ersten Bombe bis zur Festnahme in der Telefonzelle

Explosionen, Geldübergabe-Versuche, Gully-Nummern: Rund zwei Jahre narrte Kaufhauserpresser Arno Funke alias „Dagobert“ die Polizei. Eine Übersicht der Ereignisse aus den Jahren 1992 bis 1994.

13. Juni 1992
In der Porzellanabteilung bei Karstadt in der Hamburger Mönckebergstraße explodiert nachts um ein Uhr eine Rohrbombe: Millionenschaden. Am nächsten Tag geht das erste Erpresserschreiben ein. Ein Unbekannter fordert eine Million Mark, droht mit weiteren Anschlägen. Karstadt signalisiert, wie gefordert, seine Zahlungsbereitschaft per Zeitungs- Annonce: „Dagobert grüßt seine Neffen.“

15. Juli 1992
Erster Übergabe-Versuch. Dagobert dirigiert den Geldboten zur Bundesstraße 105 bei Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern. Bei Kilometer 79 hängt an einem Lichtmast ein Kasten. Darin: eine rosa Tasche für die Million, bedruckt mit dem Comic-Bild von Dagobert und der Aufschrift „Duck Tales“ (Entengeschichten). Außerdem im Kasten: eine Metallvorrichtung mit Magneten und einem Haken, der per Funkfernsteuerung runtergeklappt werden kann. Der Geldbote soll Gerät und Geldtasche an den letzten Waggon des Zuges Rostock-Berlin hängen. Bei Neustrelitz löst Dagobert um 22.30 Uhr per Funk den Klappmechanismus aus. Doch die Tasche bleibt hängen, sagt die Polizei. Dagobert entkommt.

In dieser Rosa „Duck Tales Tasche“ sollte das Geld für den Erpresser hinterlassen werden
© Andreas Altwein

14. August 1992
Neuer Versuch, alte Methode. Dagobert lauert in Reinbek bei Hamburg am Bahndamm, gibt um 17.02 Uhr das Signal für den Geldabwurf. Polizisten ziehen die Notbremse, aber bevor sie abspringen können, schnappt sich Dagobert die Tasche und verschwindet im Krähenwald. Doch alles, was er erbeutet, sind Papierschnipsel, ein Peilsender und eine Farbbombe. Zurück läßt er ein Karstadt-Fahrrad und eine graue Perücke.

9. September 1992
Dagobert rächt sich, weil er kein Geld bekommen hat. Um 23.30 Uhr geht in der Autozubehörabteilung von Karstadt in Bremen eine Bombe hoch: Millionenschaden.

STERN PAID Classic Dagobert

15. September 1992
Bei Karstadt in Hannover explodiert kurz vor Geschäftsschluß in einem Stoffschrank der Haushaltswarenabteilung ein Sprengsatz so laut, daß zwei Kundinnen über Ohrenschmerzen klagen.

13. Oktober 1992
Wieder mißglückt ein Geldabwurf vom Zug, diesmal an der Heerstraße in Berlin-Charlottenburg. Dagobert läßt am Bahndamm ein NVA-Nachtsichtgerät und ein CB-Funkgerät zurück, das mit einem Diktiergerät verbunden ist.

Der Leiter der Sonderkommission „Dagobert“, Ullrich Tille von der Hamburger Kriminalpolizei, zeigt am 01.09.1993 auf einer Pressekonferenz in Berlin eine Taschenlampe und ein CB-Funkgerät. Die Gegenstände wurden zusammen mit einem Schreiben in einem präparierten Briefkasten in Berlin gefunden und stammen vermutlich vom Kaufhauserpresser „Dagobert“.
© Peer Grimm

29. Oktober 1992
Erneuter Geldabwurf in Berlin-Charlottenburg. Zwei Berliner MEK-Beamte sehen um 17.55 Uhr, wie Dagobert die Geldtasche holen will. Er macht kehrt, rennt zu einem Fahrrad. Einer der Beamten will ihn greifen, rutscht aber auf einem Hundehaufen aus. Auch der zweite Polizist kann Dagobert nicht vom Fahrrad schubsen. Der Erpresser tritt in die Pedale und entkommt.

5. Januar 1993
2000 Polizisten lauern vor Telefonzellen in der Berliner City, weil Dagobert — er benutzt fast immer Kartentelefone in der Innenstadt — mal wieder einen Anruf bei Karstadt angekündigt hat. Als er sich meldet, greifen die Beamten auf Kommando jeden, der einen Hörer in der Hand hat. Doch ausgerechnet diesmal hat Dagobert aus einer Zelle in Neukölln angerufen, die nicht überwacht wurde. Sie liegt gegenüber der Walt-Disney-Schule. Die Geldtasche wird um 18.37 Uhr vom D-Zug Berlin-Stralsund in der Bornholmer Straße (Berlin-Pankow) abgeworfen, doch Dagobert flüchtet.

19. April 1993
Dagobert lotst den Geldboten zu einer Holzkiste auf einem Parkplatz in Berlin-Britz, in der ein Zettel liegt: „Geld ablegen, Kiste schließen, verschwinden!“ Der Behälter ist halb mit Streusand gefüllt und so schwer, daß ein einzelner ihn nicht bewegen kann. So legen sich die Polizisten auf die Lauer. Sie ahnen nicht, daß Dagobert die Kiste selbst gebastelt und auf einen offenen Gully gestellt hat. Er öffnet sie von unten, läßt das Granulat rausrieseln — die Tasche fällt ihm entgegen. Doch statt Geld sind wieder nur Papierschnipsel drin.

Die Holzkiste, die für die Loesegelduebergabe an den Kaufhauserpresser „Dagobert“ verwendet wurde. Die von „Dagobert“ gebaute Kiste wurde über einen Gullideckel gestellt, und durch die Polizei mit einem Sack Papierschnitzel gefuellt. Von unten konnte „Dagobert“ die Kiste oeffnen und durch die Kanalisation unbemerkt entkommen.
© Rainer Klostermeier

19. Mai 1993
Die Antwort des Erpressers — inzwischen fordert er 1,4 Millionen — hat einen Monat auf sich warten lassen. Nach Geschäftsschluß detoniert bei Karstadt in Bielefeld eine Bombe in der Radiound Fernsehabteilung.

1. September 1993
Der Geldbote wird per Telefonanruf zur Lindenallee 28 in Berlin-Charlottenburg dirigiert, wo Dagobert an einer Hauswand einen Blechbriefkasten (Namensschild: „DA GO“) befestigt hat. Darin ein Schreiben, eine Taschenlampe und ein weißer Kopfkissenbezug. Die Polizei bläst die Geldübergabe ab. Sie hat Dagoberts Anruf zurückverfolgt — er kam aus dem Lokal „Loretta“ am Wannsee. 50 Gäste werden überprüft — ergebnislos.

PAID CRIME 22 „Wer bist du?“

6. Dezember 1993
Bei Karstadt am Berliner Hermannsplatz explodiert eine Rohrbombe.

15. Januar 1994
Neue Gully-Nummer. Das Geld soll am Wolfensteindamm in Berlin-Steglitz in einen Sielschacht gelegt werden. Der Geldbote versteht die Anweisung angeblich falsch und packt es daneben. Dagobert hört über ein Richtmikrofon mit, wie die Polizei im Spiel ist, und entkommt um 22 Uhr in der Kanalisation.

22. Januar 1994
Dagobert schickt den Geldboten in Berlin-Charlottenburg auf eine stillgelegte Gleisanlage. Dort hat er in eine Kiste ein selbstgebasteltes Schienenfahrzeug gelegt. Der Geldbote setzt es auf das Gleis, legt die Tasche drauf, drückt einen roten Startknopf — und ab geht die Post. Nach 900 Metern knallt die Mini-Lore jedoch gegen eine Schwellenschraube und kippt um. Dagobert sitzt nur 30 Meter weiter in seinem Versteck. Doch er riskiert es nicht, die Tasche zu holen, sondern haut ab.

Am 22.04.1994 wird Kaufhauserpresser Arno Funke alias „Dagobert“ von der Polizei verhaftet worden. Von dieser Telefonzelle im Berliner Bezirk Treptow aus wollte der 44-Jährige den 30. Versuch einer Geldübergabe mit dem Hamburger Karstadt-Konzern perfekt machen. Nach Verlassen der Zelle wurde er von Beamten überwältigt.
© Bernd Settnik

22. April 1994
Arno Funke, bekannt als der Erpresser Dagobert, wird in einer Berliner Telefonzelle gefasst, als er gerade einen neuen Übergabetermin ausmachen will. Er gibt sich sofort zu erkennen und scheint erleichtert über seine Verhaftung.

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