Die Faszination von True-Crime-Formaten lebt von der Authentizität. Die neue Netflix-Doku „Jennifers Tat“ verspielt das nun – indem sie KI-Bilder als echt darstellt.
Die Faszination von True Crime ist leicht zu verstehen: Die Dokumentationen über echte Verbrechen holen den Horror des Alltags ins sichere Wohnzimmer – und sorgen dort für wohliges Schauern. Auch eine neue Netflix-Doku rollt einen schrecklichen Mordfall neu auf. Für Diskussionen sorgt sie aber vor allem, weil sie die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion auf neue Weise einreißt – und augenscheinlich KI-Fotos der Täterin als echt verkauft.
Konkret geht es in „Jennifers Tat“ um die tragische Geschichte der jungen Kanadierin Jennifer Pan, die sich unter dem großen Druck ihrer strengen Eltern ein Doppelleben aufbaut – und als es auffliegt, den Mord an ihren Eltern beauftragt. Pan sitzt deshalb seit 2015 im Gefängnis. die am 10. April erschienene Dokumentation ist aktuell der zweitmeistgeschaute Film bei Netflix weltweit, auch in Deutschland ist sie auf Platz 2. Sie gibt sich ganz nah an der Geschichte, zeigt Verhörvideos, befragt Ermittler und Freunde – und zeigt auch jede Menge privater Fotos. Doch nicht alle von denen scheint es wirklich zu geben.
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„Jennifers Tat“ bei Netflix: Klare KI-Hinweise
Besonders auffällig ist das in Minute 28, wie „Futurism“ zuerst entdeckte. Ausgerechnet als ein Schulfreund erzählt, wie authentisch Jennifer immer gewesen sei, wird ein Bild der später Inhaftierten eingeblendet, das gleich mehrere klassische Hinweise enthält, dass es mit KI erstellt wurde. Sie sehen es ganz oben im Artikel.
Das fängt schon beim Hintergrund an, in dem mehrere merkwürdig verzerrte, nicht ganz klar zu erkennende Gegenstände ein dunkles Regal füllen. Noch viel klarer sind aber die Belege an Jennifer selbst – vor allem die Hände. Die linke Hand wirkt schon merkwürdig verkrampft, die zu Peace-Zeichen gestreckten Zeige- und Mittelfinger scheinen wie ausgeschnitten. Bei der rechten Hand sehen die beiden Finger normaler aus – alle anderen fehlen aber schlicht ganz. Alles wirkt wie ein zusammengefügter Fleischklumpen. Weitere Hinweise sind die skurril angewinkelte Schulter und die im Vergleich zu anderen Fotos plötzlich sehr kurze Nase Pans.
Auch andere Bilder zeigen Anzeichen, dass sie KI-generiert sind, allerdings subtilere. Ob Netflix wirklich KI-generierte Bilder benutzte, und was zu dieser Entscheidung führte, ließ der Streaming-Dienst auf Nachfrage des stern zunächst unbeantwortet.
Nicht der erste KI-Fall in Serien
Die Nutzung von KI in Streaming-Inhalten ist nichts komplett Neues – in der jüngsten Staffel von „True Detective“ waren etwa an einer Wand KI-Plakate erfundener Bands zu sehen – im True-Crime-Bereich ist der Einsatz aber besonders stark zu hinterfragen. Das Genre lebt schließlich von ihrem dokumentarischen Charakter, vom Anspruch das Geschehen möglichst nah an der Realität abzubilden. Zwar arbeitet man auch dort schon lange mit nachgestellten Szenen, wenn es keine echten Aufnahmen gibt. Diese sind in der Regel aber klar als solche gekennzeichnet. Bei den nun von Netflix genutzten KI-Bildern war das nicht der Fall.
Hinzu kommt eine weitere Ebene: Schließlich ist Jennifer Pan eine echte Person, sitzt aktuell im Gefängnis – und hatte eine Interview-Anfrage für die Doku abgelehnt. Dass nun Bilder genutzt werden, die sie zeigen sollen, so aber nie aufgenommen wurden, wirkt da hochmerkwürdig.
Quellen: Netflix, Futurism, Flix Patrol