Deutsche-Bahn-Kunden kennen es: Genervt im Großraumwaggon sitzen. Zwischen Kindergeplärr, Managerbefehlen und schmatzenden Sitznachbarn. Damit könnte es bald vorbei sein. Die ICEs der Zukunft sollen private Zweierabteile bekommen.
Die Deutsche Bahn (DB) steht mal wieder vor einer Wende. Das tut sie ja eigentlich immer. Klimawende, Verkehrswende, Pünktlichkeitswende, Wende im Lokführerstreik. Dieses Unternehmen wendet sich so oft, den Damen und Herren in der Vorstandschaft muss schon ganz schwindlig sein. An diesem Mittwoch nun hat die DB auf ihrer Messe „Mobilität erleben“ den nächsten Schritt in die Revolution präsentiert: die Rückkehr der Zugabteile. Es wäre tatsächlich nicht weniger als eine echte Trendwende.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatte der halbstaatliche Konzern die Wände in seinen Waggons eher eingerissen. Aus kuschligen Sechserabteilen wurden Großraumwagen. Im Bahnticket inklusive waren fortan: der am Telefon ausverhandelte Quartalsbericht des Managers am Nebenplatz, die scheiternden Erziehungsmethoden der Mutter vorn am Vierertisch, der müffelnde Eiersalat vom Fahrgast auf Platz 35 drei Reihen weiter hinten. Privatsphäre passé für die Passagiere. Die Bahn hingegen brachte mehr Sitze in ihren Zügen unter und konnte die Waggons leichter reinigen.
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Hat der Ur-ICE aus den 90er-Jahren noch knapp ein Drittel Abteilplätze, stehen die Ruhezonen in der aktuellen, der vierten Schnellzug-Generation nur noch Familien und Kleinkindern zur Verfügung. Doch die Bedürfnisse der Bahnkunden haben sich gewandelt. Wenn die Reise auf Schienen die Reise auf der A4 wirklich ersetzen soll, dann muss Zugfahren individueller, flexibler und komfortabler werden.
Nachtzüge hat die Deutsche Bahn verschlafen. Dafür helfen die Österreicher aus
Auch deshalb feiern etwa Nachtzüge seit einigen Jahren eine Wiedergeburt. Die DB hatte in unweiser Voraussicht all ihre Schlafwagen eingemottet oder verkauft. Dank einer europäischen Nachtzug-Allianz baut sie ihr Netz derzeit trotzdem aus. Brüssel, Warschau, kroatische Adria. Alles wieder per Zug erreichbar, so wie früher. Rund 90 Nachtzugverbindungen gibt es inzwischen wieder in Europa, Tendenz steigend.
Die Österreichische Bundesbahn ÖBB bietet in Schlafwagen durch Deutschland nun sogar Minikabinen an. Ein Reporter der „Zeit“ bilanzierte nach einer Testfahrt von Hannover nach München: „Bedrückend. Erdrückend. Wie in einem liegenden Kleiderschrank.“
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Die neuen ICE-Abteile sollen gemütlicher werden. Weniger arztpraxisweißes Plastik, mehr mokkabraune Holzverkleidung. Zwei Meter breit, 70 Zentimeter tief, und alles sehr privat: Zwei Fahrgäste sitzen sich mit eigenen Klapptischen gegenüber. Bei Bedarf bietet die Schiebetür per Knopfdruck einen Sichtschutz in Milchglasoptik. Privatgespräche, Webkonferenzen, ein Päuschen, Zeit zu zweit – das alles soll zukünftig möglich sein in den neuen Duo-Abteilen der Bahn.
Kommt die Wende von der Trendwende?
Michael Peterson, DB-Vorstand des Personenfernverkehrs sagte: „Wer sich in das Modell des ICE-Zweierabteils setzt, erahnt schon jetzt, wie sich Bahnfahren bald anfühlen kann.“ Das letzte Wörtchen ist wichtig. Kann. Denn nichts muss. Das hat ein Bahnsprecher gleich wieder geradegelenkt: Denn ob und in welcher Art die Ruheabteile eingeführt werden, habe das Unternehmen noch gar nicht fix entschieden. Auch einen Preis gibt es noch nicht. In den kommenden Wochen und Monaten sollen hunderte Kunden nach dem visionären Abteilkonzept befragt werden.
Vielleicht kommt am Ende also doch noch die Wende von der Wende. Schwindlig wird dann den Fahrgästen. Denn statt ungestört und maximalentspannt im Zweierabteil würden sie weiter im vollgestopften Großraumwaggon sitzen, zwischen Kindergeplärr, Managerbefehlen und Schmatzgeräuschen.