Social Media: Finfluencer: Unseriöse Werbung, die verboten gehört?

Die Grünen wollen Influencern verbieten, für Finanzprodukte zu werben und damit Verbraucher schützen. Der bekannte Finfluencer „Professor Finanzen“ wehrt sich gegen den Vorwurf, seine Zunft sei unseriös.

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Egal ob Tiktok, Instagram oder Youtube, Einzelaktien oder ETFs. Finanz-Influencer informieren und werben in den sozialen Medien bisher ohne besondere Einschränkungen für Finanzprodukte. Unternehmen nutzen diese Form der Kommunikation aus demselben Grund gerne, der sie für Verbraucherinnen und Verbraucher gefährlich macht: die besondere Nähe. 

Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin und Teile der Politik befürchten deshalb schon länger, dass Verbraucher die Vorschläge und Empfehlungen der sogenannten Finfluencer nicht mehr ausreichend reflektieren und dadurch Schaden erleiden. Gerade bei Finanzprodukten kann das gravierende Auswirkungen haben. 

Die Grünen wollen Influencern jetzt unter anderem das Werben für Finanzprodukte verbieten. Finfluencer müssten sich dann alternative Verdienstmöglichkeiten suchen, sehen aber vor allem einen Nachteil für Nutzerinnen und Nutzer. Auch für Unternehmen wäre ein Verbot schlecht.

„Professor Finanzen“ versteht die Aufregung nicht

Ibo Ahmiane ist als Finfluencer unter dem Namen „Professor Finanzen“ bekannt und mit seinen mehr als zwei Millionen Followern auf Tiktok, Instagram und Youtube einer der größten in Deutschland. Seine Inhalte drehen sich um Aktien, Sparen und Steuern. Er verstehe den Wunsch, „schwarze Schafe auszusondern“, sagt er auf Capital-Nachfrage zur Forderung der Grünen. Er halte es aber für falsch, alle über einen Kamm zu scheren. 

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„Wenn diese Vorschrift umgesetzt würde, hätten Verbraucher nicht mehr die Möglichkeit, auf verlässliche Empfehlungen zurückzugreifen“, sagt Ahmiane. „Stattdessen müssten sie selbst oft enttäuschende Erfahrungen mit möglicherweise schlechten, komplizierten und benutzerunfreundlichen Anbietern machen“, so der Influencer. „Im schlimmsten Fall könnte dies zu erheblichen finanziellen Verlusten führen, die vermieden werden könnten.“

Genau das sehen die Fachpolitikerinnen der Grünen-Bundestagsfraktion anders. Tabea Rößner, Vorsitzende des Digitalausschusses des Bundestags, und Linda Heitmann befürchten finanzielle Verluste vielmehr durch falsche Empfehlungen oder zu große Einflussnahme der Influencer auf die Verbraucher. In einem Papier, über das das „Handelsblatt“ kürzlich berichtete, fordern sie daher eine strengere Regulierung von Influencer-Marketing. 

Finfluencer liefern oft schlechte Qualität 

Eine Untersuchung des Swiss Finance Institute von 29.000 Finfluencern bestätigt, dass ihre Tipps oft nicht verlässlich sind: Nur knapp 30 Prozent der Finfluencer waren der Erhebung zufolge „fähig“, 16 Prozent hingegen nicht und 56 Prozent sogar das Gegenteil „anti-fähig“.

Echte Kaufempfehlungen dürfen in Deutschland ohnehin nur zertifizierte Anlageberaterinnen und -berater geben. Unter vielen Posts von Finfluencer Ahmiane findet man deshalb auch den Disclaimer „keine Anlageberatung“. Er empfehle seinen Followern außerdem nur Produkte oder Dienstleistungen, die er vorher „ausgiebig getestet“ und teilweise einem „Background-Check“ unterzogen habe, sagt er Capital. „So ergibt sich ein Bild zu Seriosität und Professionalität des Unternehmens oder Produkts. Auf dieser Basis handle ich und es führt bei schätzungsweise 85 bis 90 Prozent aller Anfragen zur Absagen.“

Zur Kennzeichnung verpflichtet sind Influencer sonst derzeit nur für Posts oder Links, für die sie eine Gegenleistung erhalten, etwa eine Provision. Aber die europaweit geltenden Werbegesetze für Radio und Fernsehen betreffen Influencer nicht. Der Bundesverband Influencer-Marketing begrüßt daher grundsätzlich, dass Teile der Politik eine EU-weite „einheitliche Herangehensweise“ für Influencer-Marketing befürworten. Weil es ein länderübergreifendes Geschäft sei, würde das schlicht die Arbeit vereinfachen, sagt Verbands-Vorständin Jeanette Okwu zu Capital. 

Aber sie verweist auch auf die bestehenden Regeln. „Es gibt ja schon Regulierungen, mit denen wir eigentlich gut aufgestellt sind“, sagt sie. „Die Leute, die jetzt nach Forderungen rufen, müssen sich die einmal durchlesen und überlegen, ob die Forderungen überhaupt notwendig sind.“ 

Mehr Transparenzregeln für Finfluencer statt Verbot?

Immerhin könnte ein Werbeverbot für betroffene Influencer tatsächlich zur Herausforderung werden, weil sie mit Werbung auch ihren Lebensunterhalt bestreiten. „Influencer verdienen hauptsächlich mit Kooperationen oder eigenen Produkten ihr Geld“, sagt Max Weiß, Experte für Social-Media-Marketing von der Beratung Weiss Consulting & Marketing. „Sollten Influencer wirklich nicht mehr werben können, was ich für unwahrscheinlich halte, dann wäre das ein Riesenproblem.“ Das gelte auch für viele Unternehmen, denn Influencer-Marketing funktioniere „extrem gut“ und sei gerade das stärkste Medium, um Produkte zu bewerben.

Aus Ahmianes Sicht sollten sich Influencer durch eigene Produkte ohnehin unabhängig von Markendeals machen. Er bewirbt über seine Kanäle etwa schon kräftig seine eigene Finanzbildungsplattform „Aktien Insights“. Andere bekannte Finfluencer wie „Steuerfabi“ oder „Finanzfluss“ haben schon Bücher veröffentlicht oder bieten auf ihren Websites Bezahlmodelle zum Tracking der eigenen Finanzen an.

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Wie viele Finfluencer es gerade gibt, ist schwierig zu sagen. Eine verpflichtende Registrierung gebe es ebenso wenig wie eine eindeutige Abgrenzung des Begriffs, teilt die Bafin auf Capital-Anfrage mit. Aufgrund der niedrigen Einstiegshürden könne sich die Zahl ständig ändern. Konkrete Vorschläge zur Gesetzgebung will sie nicht kommentieren, rät auf ihrer Internetseite aber ausdrücklich zur Vorsicht bei Anlagetipps in sozialen Medien. 

In Frankreich gibt es seit vergangenem Jahr ein Gesetz, das Werbung in sozialen Online-Netzwerken mit der in klassischen Medien wie Fernsehen und Radio gleichstellt. Dazu ist Werbung für bestimmte Produkte verboten, Verstöße werden sanktioniert. Finanzprodukte sind bisher aber nicht darunter. Finfluencer Ahmiane hält erwartbar statt eines Verbots strengere Transparenzanforderungen für sinnvoll und mehr Bildungsinitiativen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

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