Konjunkturprognose: Einfach mal die Klappe halten: Die Ampel braucht eine Osterruhe

Die Wirtschaft könnte sich 2025 erholen. Das ist die Hoffnung. Die darf man nicht zerreden. Daher sollten SPD, Grüne und FDP jetzt tun, was keiner erwartet: schweigen.

Von Harald Schmidt und seinem Side-Kick Manuel Andrack ist überliefert, dass sie vor der Sendung nicht über die Anekdoten sprachen, die sie sich in der Show erzählen wollten. Die Reaktion des jeweils anderen sollte immer echt sein, spontan, improvisiert. Dann knallte die Pointe besser. Das Publikum spürte die ehrliche Überraschung. Alle waren happy. 

Von Olaf Scholz und seinen Side-Kicks Robert Habeck und Christian Lindner ist nichts dergleichen überliefert. Und vielleicht liegt genau da das Problem. Spontan wirkt an dieser Koalition schon lange nichts mehr. Die Ampel überrascht nicht. Jeder Streit klingt wie die Wiederholung der Episode vom Vortag. Niemand ist happy. 

Könnte daran liegen, dass sich SPD, Grüne und FDP permanent viel zu viel zu sagen haben. Muss das so sein?

1,4 Prozent Wachstum – das ist die Hoffnung

Kurzer Exkurs zu den Zahlen des Tages: Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für dieses Jahr ein Wachstum von 0,1 Prozent. Für 2025 gehen sie von 1,4 Prozent aus. Es bleibt also erstmal alles schlecht, bevor es vielleicht endlich besser wird. 1,4 Prozent – das ist die Hoffnung. Die Frage ist nur, ob SPD, Grüne und FDP mit so etwas fast Vergessenem wie Hoffnung überhaupt noch umgehen können.

STERN Interview Prof Fichtner zur Prognose der Wirtschaftsweisen 09.16

Mit Wirtschaftspolitik ist es schließlich so: Der Staat hat allerlei Möglichkeiten, für Wachstum zu sorgen. Er kann Steuern senken, Abschreibungen erleichtern, Bürokratie abbauen. Er kann Fördertöpfe füllen, Unternehmen subventionieren oder selbst ordentlich in Straße, Schiene und Stromnetze investieren. Welche Maßnahme eine Regierung bevorzugt, ist eine Frage der ökonomischen Überzeugung.

Die aktuellen Haushaltsverhandlungen zeigen, wie hoch ideologische Hürden sein können. Eine echte „Wirtschaftswende“ soll es werden. Ein Agenda-Moment, der Wachstum entfesselt. Nur stellt sich die FDP darunter eben eine dezidiert andere Agenda vor als die Grünen. Und die SPD agiert – historisch belastet – ohnehin übervorsichtig, wenn jemand zu laut „Agenda“ sagt. Höchst wacklig also, was die Ampel im Sommer präsentieren könnte, um die deutsche Wirtschaft zu retten.

Die Ampel-Koalition muss der Zuversicht eine Chance geben

Umso wichtiger wäre es nun, dass die Koalition einen Aspekt des Regierens nicht vergisst, der wenig mit gesetzgeberischen Rahmenbedingungen zu tun hat. Mit Wirtschaftspolitik ist nämlich auch so: Ganz viel hängt an Erwartungen und Emotionen. Wer verunsichert ist, investiert nicht, konsumiert nur das Nötigste. Wer glaubt, dass morgen noch schlimmer wird als heute, legt sein Geld lieber beiseite. Firmen wandern ab. Bürgerinnen und Bürger verzichten auf den Abend im Restaurant oder den neuen Fernseher.

Und damit zurück zum Harald-Schmidt-Vergleich. Natürlich ist eine Regierung nicht dafür da, das Volk mit spontanen Pointen zu unterhalten. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, eine Show so zu gestalten, dass alle happy sind. Sie muss aber ein bisschen Zuversicht verbreiten. Den Menschen das Gefühl vermitteln: Wird schon! Leider ist genau das die Disziplin, in der die Ampel besonders schlecht abschneidet. 

1,4 Prozent – das ist die Hoffnung. Und wenn SPD, Grüne und FDP der Zuversicht eine Chance geben wollen, dann schweigen sie sich jetzt erstmal aus. Dann widerstehen sie der Verlockung, die ruhigen Tage mit abwegigen Ideen zu füllen. Mal keine Forderung, die Vier-Tage-Woche für alle einzuführen. Mal kein Plädoyer, fürs Wachstum einen Feiertag abzuschaffen. Es weiß ohnehin jeder Mensch in diesem Land, wer was fordert. Überraschender wäre stattdessen: eine Woche Osterruhe. Stille. Besinnung.

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