Chefredakteur : Wie Kates Krebserkrankung die Monarchie erschüttert – Gregor Peter Schmitz über den aktuellen stern

Prinzessin Kate fühlte sich durch die vielen Gerüchte gezwungen, ihre Krebserkrankung öffentlich zu machen. stern-ChefredakteurGregor Peter Schmitz ordnet diesen Schritt ein. 

Der Historiker Ernst Kantorowicz hat ein Buch über die „zwei Körper des Königs“ geschrieben. Darin unterscheidet er zwischen dem menschlichen Körper, mit dem selbst ein Monarch leben muss, der zwicken, zwacken, gar versterben kann. Davon zu unterscheiden sei der öffentliche Körper, der den Mythos der Monarchie in sich trage und daher unbedingt unsterblich sein müsse.

Catherine Elizabeth „Kate“ Middleton, nun Catherine, Princess of Wales, weiß um den Umstand, dass sie ihre Privatsphäre gegen ein Leben in Luxus und Rampenlicht eingetauscht hat. Wie sie ihren menschlichen Körper kleidet, wie viel dieser wiegt, ob dieser seine ureigenste Aufgabe, nämlich Thronfolger zu gebären, erfüllen kann, all das ist öffentlich diskutiert worden.

Prinzessin Kate: Taugt eine Prinzessin überhaupt als Opfer?

Doch wie sehr darf ihr menschlicher Körper öffentliches Gut werden, nur weil diese Prinzessin auch eine öffentliche Rolle spielt? Als Kate, 42, drei kleine Kinder, auf einer Parkbank im schlichten Pulli ihre Krebserkrankung öffentlich machte, sah sie nicht aus wie eine entrückte Prinzessin, sondern wie eine erschöpfte und besorgte, gleichwohl zum Kämpfen entschlossene Mutter. Sie wirkte wie eine Frau, die geschafft war von den monatelangen wilden Spekulationen um ihren Aufenthaltsort und ihr Krankheitsbild. In den Zeiten von Lady Di mussten die Paparazzi noch nah ranzoomen, heute genügt ein Internetanschluss irgendwo in der Welt, um Gerüchte und Fotomontagen ins Netz zu speisen. Man könnte sagen, die Abschirmungstaktik des Palastes klappe nicht mehr so wie früher, als „No comment“ die Standardantwort auf lästige Nachfragen war. Und außerdem: Taugt eine Prinzessin überhaupt als Opfer, siehe die oben erwähnte Entschädigung durch Luxus und Prunk? Man könnte aber auch sagen, dass Kates Schicksal uns innehalten lassen sollte, ähnlich wie einst der Tod von Diana. Wenn wir anerkennen, dass Monarchen auch Menschen sind, werden wir dann nicht alle etwas menschlicher? 

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Michael Roth macht Schluss

Michael Roth, 53, hat keinen monarchischen Stammbaum, er kommt aus Heringen (Werra), aus kleinen Verhältnissen. Der Sozialdemokrat hat sich hochgedient zum Staatsminister für Europa im Bundeskanzleramt und zum Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Und doch sieht er sich seit 26 Jahren gefangen in einem System, das Privatheit ebenfalls kaum zulässt. Roth ist fleißig mitgetreten im Hamsterrad der Spitzenpolitik, selbst als sein Körper ihn warnte. Vor rund zwei Jahren hat er eine längere Auszeit genommen, weil er nicht mehr konnte, Burnout. Als Roth zurückkehrte, traf ich ihn eines Abends in einer Talkshow, er berichtete, wie er sich etwa vorgenommen habe, häufiger mal das Handy wegzulegen. 

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Aber offenbar ist er rasch wieder in den Sog geraten. Nun will Roth bald Schluss machen mit der Politik, endgültig, verriet er meiner Kollegin Miriam Hollstein und meinem Kollegen Veit Medick. Das Interview liest sich streckenweise wie eine Abrechnung mit unserer politischen Kultur. Roth beschreibt nicht nur die ständige Erschöpfung und Vereinsamung, sondern auch die zunehmende Sprachlosigkeit unserer Politik und Gesellschaft. Zuerst dachte ich: Wer tut sich ein politisches Spitzenamt unter den Bedingungen noch an? Und danach dachte ich: Was tun wir denen an, an die wir, bei aller berechtigten Kritik, manchmal Erwartungen stellen, die nur Übermenschen erfüllen könnten? 

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