Tierschützerin und Autorin: Michi Schreiber: „Frei sein hat viel mehr mit dem Inneren als dem Äußeren zu tun“

Michi Schreiber sammelte nach ihrem Abitur im südlichen Afrika Erfahrungen, die sie noch heute prägen: Sie widmete sich dem Primatenschutz und errichtet nun sogar ihre eigene Auffangstation. Außerdem schrieb sie zwei Bücher über ihre Erfahrungen. Im Interview spricht die 27-Jährige über ihre Werte, ihre Ehe und ihre Ziele.

Michi Schreiber ist als Tierschützerin bekannt geworden. Auf ihren Reisen ins südliche Afrika lernte sie viel über sich selbst und versucht nun, ihre Erkenntnisse auch an andere weiterzugeben − durch ihre Bücher und Seminare, in denen Themen wie Inspiration, Freiwilligenarbeit und auch Persönlichkeitsentwicklung im Fokus stehen. Ihr erstes Buch „Unbändig“ ist unter anderem bei Amazon, Thalia oder Bücher.de zu finden. Ihr zweites Buch entstand gemeinsam mit ihrem Ehemann Marc. „Unter Affen“ gibt es ebenfalls bei Amazon, Thalia oder Bücher.de zu kaufen. Im Interview mit dem stern spricht die 27-Jährige über ihre Einstellung zum Leben, ihre Beziehung und ihre Pläne.

Frau Schreiber, was genau war damals der Auslöser, um nach dem Abitur nach Südafrika zu reisen – also besonders weit weg aus dem Alltag? Sie berichten in Ihrem ersten Buch von Zukunftssorgen und Selbstzweifeln.
Michi Schreiber: Der konkrete Auslöser war tatsächlich die Serie „Crocodile Hunter“ mit Steve Irwin, die mich an meine Kindheitsträume zurückerinnerte. Als kleines Mädchen wollte ich immer mal die große Wanderung der Tiere im südlichen Afrika beobachten, so kam ich darauf, nach dem Abitur nach Südafrika zu reisen. Ich bin also nicht losgezogen, um mich selbst zu finden, sondern um ein Abenteuer zu erleben, auch wenn ich viel über mich selbst auf meinen Reisen gelernt habe. 

Die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus dieser Zeit mitgenommen haben, war …
… für mich persönlich: „Folge deinem Herzen“. Der Hinweis eines netten Flughafenmitarbeiters, der mein Leben für immer verändert hat. Und auch den Lesenden wünsche ich, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten beginnen, ihre Träume zu leben. Das mag nicht „von heute auf morgen zu 100 Prozent“ möglich sein, aber ich bin auch keine Freundin von ganz oder gar nicht. Ich finde jeden Tag einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, kann sehr zufrieden machen und bringt dich deinen eigenen Träumen ebenfalls näher. 

Gerade nach dem Abitur, also in einer Zeit, in der man die ersten Richtlinien für die Zukunft setzt, möchten viele als Au-pair oder auf eine andere Art neue Perspektiven kennenlernen. Woher denken Sie, kommt der häufige Wunsch, „einmal rauszukommen“? 
Ich beschreibe den Schulweg gerne als „Monokultur“. Viele verschiedene Charaktere werden zur Gleichheit erzogen und merken, dass der Rahmen, in dem sie sich befinden, ziemlich eng ist, sodass sie sich als Persönlichkeit nicht entfalten können. Ich denke, es ist bei vielen der Wunsch, dieser Enge zu entfliehen. Michi Schreiber Vorstellung

Mit der Reise hat sich Ihre Zukunft gestaltet und sie blieb der Ankerpunkt für Sie – bis heute. Was ist aber mit den Menschen, die das Privileg nicht haben, aus Ihrem Leben einmal herauszukommen, um sich zu finden? Sei es, weil sie Kinder haben, keine finanzielle Möglichkeit, gesundheitliche Gründe, oder, oder, oder. Für die haben Sie ein Online-Seminar mit Tipps im Angebot? 

Ich glaube zum einen, dass man für vieles Wege finden kann. Ich hatte mit 18 wenige finanzielle Mittel und habe meine Reise ohne meine Eltern finanziert. Gleiches gilt für den Beruf, den ich heute ausübe. Es gab nicht die Stellenbeschreibung: „Tierschützerin, Autorin, Philosophin mit Schwerpunkt Affen gesucht“. Aber es gab den Wunsch in mir, genau das zu tun. Und wenn man den eigenen Wünschen aktiv und verantwortungsbewusst nachgeht, ergeben sich viele Möglichkeiten – auch wenn nicht jeder den gleichen Startpunkt hat. 

Genau das möchte ich vermitteln: den Mut zu haben, über den eigenen Tellerrand zu blicken, um Verantwortung für das zu übernehmen, was man im Leben erleben oder erschaffen möchte. Und das ist gar nicht so neu. Philosophen lehren genau das seit Jahrtausenden. Ich nutze dafür einfach nur tierische und naturbehaftete Metaphern. 

Was sind die zentralen Inhalte Ihrer Seminare? Stützen Sie sich nur auf Ihre Erfahrungen oder haben Sie auch Methoden aus der Psychotherapie dabei?  
Es ist eine Mischung aus Erfahrungen, Ausbildungen und vor allem meinem Studium der Philosophie. Ich orientiere mich mit vielem, was mich bewegt an philosophischen Lehren und der Frage, die wir uns seit Jahrtausenden stellen: „Was macht ein gelingendes Leben aus?“

Wieso denken Sie, dass Ihre persönlichen Erfahrungen anderen Menschen helfen könnten? 
Weil mich Menschen danach gefragt haben. Dann habe ich vor zwei Jahren begonnen, über meinen Weg auf Instagram in Lives zu erzählen, darüber, was ich im Studium und in Ausbildungen von den Tieren und auf meinem Weg gelernt habe.  

Hätten Sie eventuell auch auf anderem Wege zu sich finden können? Oder brauchte es einen starken Gegenpol zu dem Leben, wie Sie es kannten? 
Bestimmt. Für mich persönlich war es wichtig, aus meinem Alltag auszubrechen, um Abstand von dem zu gewinnen, was andere für mich wollten, und mich zu fragen, was ich möchte. Aber erst durch mein Studium und meine Arbeit in der Rehabilitierung von Tieren wurde mir bewusst, dass es auch in meiner Verantwortung liegt, dafür loszugehen. Wenn du einen Weg einschlagen möchtest, kannst nur du ihn gehen.

unbändig

Sie haben regelmäßig die Möglichkeit, den Alltag in Deutschland zu verlassen und in einen anderen Alltag einzutauchen. Hilft Ihnen das, um sich frei fühlen zu können? Oder ginge es auch ohne? 
Ich fühle mich vor allen Dingen dadurch frei, dass ich mir bewusst mache, dass Freiheit eine Haltung dem Leben gegenüber ist. Ich weiß, dass das auf Kritik stoßen kann, aber Biografien wie die von Nelson Mandela haben mir gezeigt, dass „frei zu sein“ viel mehr mit dem Innen als dem Außen zu tun hat. Nichtsdestotrotz hat das Außen einen Einfluss – auch bei mir. In der Steppe mit den Tieren hat man mehr Freiraum als im Großstadtdschungel – daher gehe ich in Deutschland gerne wandern, verbringe Zeit in der Natur und erkunde die heimischen Wälder, die ebenfalls einiges zu bieten haben.

In Ihrem neuen Buch gehen Sie einen Schritt weiter: Nachdem Sie zuerst zu sich gefunden haben, soll auch Ihre Ehe von Ihren Erlebnissen und Erkenntnissen profitieren.
Meine Ehe profitiert nicht von meinen Erkenntnissen, sondern Erfahrungen, die wir als Paar machen – auch wenn diese ebenfalls mit den Tieren sind und waren. Eine der schönsten Erkenntnisse ist, dass es für uns als Paar eine große Stärke ist, dass wir verschieden sind. Denn auch in einer Paviantruppe gibt es viele verschiedene Charaktere – manche extrovertiert, andere introvertiert, manche mutiger, andere schüchterner. Während ich mit einem Teil der Truppe in den Bäumen klettere und dadurch Greifvögel erspähe, ist Marc oft am Boden und spürt mit den Tieren eher Schlangen auf. Durch verschiedene Stärken ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, Perspektive und Räume. Das Wichtigste ist, die Andersartigkeit des anderen anzuerkennen und zu respektieren. Und das war eine gemeinsame Erfahrung.

Sie schreiben, dass Sie und Ihr Mann festgestellt haben, dass „ihre Welten gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie sie eigentlich dachten“.
Wer Marc und mich kennt, der weiß, wir sind charakterlich sehr verschieden. Was uns vereint, ist eher unsere Wertvorstellung. Sprich das, was uns im Leben wichtig ist, was uns begeistert und wie wir „ein gelingendes Leben“ definieren. Das ist nach wie vor nicht komplett identisch, doch gerade im Bereich der Naturverbundenheit, Tierliebe und Lebensgestaltung sehr ähnlich.

Kann eine Ehe nur funktionieren, wenn man vorher mit sich selbst im Reinen ist? Ist das eine Voraussetzung? So wird es ja vielfach proklamiert. 
Ich glaube, viel wichtiger ist zu wissen, was Liebe wirklich ist – die im besten Fall die Grundlage einer Beziehung bildet. Viele Menschen gehen eine Beziehung ein, um „glücklich, erfüllt, nicht mehr alleine“ zu sein oder sich „wichtig, geliebt und anerkannt“ zu fühlen. Häufig wird der Partner für das eigene Glück, den instabilen Selbstwert oder andere Bedürfnisse instrumentalisiert. Damit geht der wichtigste Wert der Liebe verloren: Respekt, also dem Gegenüber einem Selbstzweck zuzuordnen. Das ist in vielen Beziehungen nicht mehr der Fall, weshalb man sich dann eingeengt fühlen kann oder sogar „selbst verliert“. Ich denke daher, dass es für eine gesunde Beziehung wichtig ist, dass Partner:innen sich selbst reflektieren, auf Augenhöhe begegnen und respektvoll miteinander sind. 

Wie wichtig sind Gemeinsamkeiten oder Dinge, um die man sich gemeinsam kümmern kann in einer Beziehung? Sie und Ihr Mann schienen ja sehr unterschiedlich zu sein.
Ich glaube, wichtiger als derselbe Musikgeschmack sind gleiche Werte. Man kann auf verschiedene Konzerte gehen, aber wenn man nicht denselben Lebensweg bestreiten möchte, wird es schwer.

Sie haben sich entschieden, Ihr Autorenhonorar zu spenden. Was war die Motivation dafür?
Im ersten Schritt die Liebe zu den Tieren. Für sie bedarf es nachhaltigerer Spendenprojekte. Wir möchten daher auf möglichst vielen Wegen Spenden und Gelder sammeln und ein Buch ist eine tolle Möglichkeit eines Langzeitspenden- und Aufklärungsprojektes.

unter affen

Ihr Ziel ist der Tierschutz. Denken Sie, dass es wichtig ist, sich ganz konkrete Ziele zu setzen? Ist auch das ein Faktor für ein glückliches Leben? Die Richtung ist wichtiger als konkrete Ziele, denn die Welt ist sehr dynamisch. Ebenfalls die Erkenntnisse, die wir (in der Wissenschaft) erhalten und auch die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Wer zu sehr an einem Ziel festhält, bleibt wenig flexibel. Wer seine Richtung kennt, kann sich anpassen. 

Welche weiteren Faktoren gehören dazu? 
Die eigenen Bedürfnisse kennen und ernst nehmen. Für mich ist ein Abenteuer mit den Tieren genauso wichtig wie ein Nachmittag auf dem Sofa mit einem guten Roman. Die Menschen dürfen lernen, sich und das Leben wieder zu spüren. 

Wer sich ebenfalls für den Tierschutz einsetzen möchte, aber keine Möglichkeiten hat oder auch aus anderen Gründen nicht weit reisen möchte: Wie kann man sich von Deutschland aus einsetzen? 
Ich rate Menschen, da zu beginnen, wo es sie besonders berührt oder für eine Tierart, die sie besonders begeistert. Denn auch in Deutschland werden helfende Hände gebraucht. Für alle Tierarten gilt aber: bewusster konsumieren. Einfache Dinge, die ein jeder tun kann, sind alte Technikgeräte zu recyceln, auf Möbel aus Tropenholz zu verzichten und beim Einkauf auf Palmöl und saisonales Obst oder Gemüse zu achten. Aber auch auf Social Media sollte man darauf achten, was man liked und teilt. Wildtiere in Tourismusattraktionen als Haustiere oder dubiosen Umständen sollten nicht geliked, kommentiert oder geteilt werden – auch nicht zur Aufklärung. Wichtiger ist es, sie betreffenden Organisationen wie beispielsweise SMACC zu melden. 

Wer sich bei Ihnen um eine Freiwilligenreise bewerben möchte: Wie gut stehen die Chance, dabei sein zu können? Was sollte man dabei beachten? 
Man kann sich auf eine Warteliste schreiben und wird dann vorab benachrichtigt, sobald die Anmeldung öffnet. Wer sich am Tag selbst anmeldet, hat gute Chancen, daher geben wir alle Infos immer vorher bekannt. Grundlegend ist es wichtig, dass die Menschen körperlich fit, motiviert und tierlieb sind. In alles andere weisen wir sie ein.

Welche Ziele setzen Sie sich noch für sich?
Unser mittelfristiges Ziel, an dem wir gerade arbeiten, ist eine Auffangstation für verletzte und verwaiste Wildtiere. Was danach als konkretes Projekt kommt, werde ich dann sehen. Eines ist sicher: Ich werde nicht in Rente gehen, sondern solange ich kann für die Tiere weitermachen. Privat wünsche ich mir tatsächlich nur, dass wir gesund bleiben. Wir haben uns, alles was wir brauchen und leben unser verrücktes Leben. Ich wüsste nicht, wie es besser sein könnte. 

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