Parteireform: CDU-Jungstar Amthor: „Wir legen es nicht auf tolle Kommentare in linken Zeitungen an“

Die CDU beendet ihre Deutschlandtour, das Grundsatzprogramm steht. Und jetzt? Der Jungstar der Partei, Philipp Amthor, im stern-Interview über Groupies, klare Hauptsätze – und eigene Kanzlerträume.

Herr Amthor, wo erwischen wir Sie gerade?
Im Auto. Auf dem Weg zum großen Abschluss unserer Regionalkonferenzen zum CDU-Grundsatzprogramm.  Ist aber diesmal ein kurzer Weg: vom Reichstag in ein Berliner Hotel – und nicht etwa nach Chemnitz, Mainz oder Hannover, wo wir auch unterwegs waren.

Bei wie vielen dieser CDU-Regionalkonferenzen waren Sie?
Der Abschluss in Berlin wird mein vierter Konferenzauftritt sein. Überall war gute Stimmung.

Sie sind ein heimlicher Star bei diesen Treffen. Sie werden von Groupies bestürmt, ernten regelmäßig Ovationen. Wie erklären Sie sich das?
Das ist zunächst eine sehr freundliche Zuschreibung von Ihnen, aber unsere Konferenzen hatten natürlich mehrere ‚Stars‘, die volle Hallen begeistert haben. Ich freue mich jedenfalls über die vielen positiven Reaktionen, Fotowünsche und über die große Verbreitung unserer Aufbruchstimmung in den sozialen Medien.

Zur Person

Die CDU hat keine unkomplizierten Jahre hinter sich. Ist jetzt, nach dem Grundsatzprogrammprozess, einfach alles wieder in Butter?
Wir haben mit dem Prozess auch frühere Schwächen aufgearbeitet. Friedrich Merz ist ja nicht auf Rosen gebettet Parteichef geworden, sondern hat die CDU in schwierigem Fahrwasser übernommen – nach der wohl unnötigsten und selbstverschuldetsten Wahlniederlage in der CDU-Geschichte. Was man schnell vergisst: Wir haben ja 2021 nicht verloren, weil Scholz und Baerbock so toll waren, sondern weil wir nicht mehr gut genug waren. Die CDU hatte sich durch den Regierungsalltag als Partei selbst zu sehr vernachlässigt. Deshalb war es jetzt so wichtig, dass wir unser Programm wieder intellektuell satisfaktionsfähig gemacht haben.

Nennen Sie doch mal die für die Mitglieder drei wichtigsten Punkte der neuen Programmatik.
Ich könnte jetzt stundenlang über einzelne Inhalte reden, will aber vor allem unseren selbstbewussteren Politikstil als wichtige Neuerung herausstellen. Wir standen bei vielen Themen vor der Wegscheide zwischen einer konfliktvermeidenden soft-grünen Selbstanpassung oder einer bürgerlichen Selbstbehauptung. Und wir haben uns für die Selbstbehauptung aus der bürgerlichen Mitte entschieden – mit klaren deutschen Hauptsätzen mit Subjekt, Prädikat, Objekt. Dabei haben wir uns gerade nicht von einer vermeintlichen Anschlussfähigkeit an andere Parteien leiten lassen, sondern von dem, was wir als CDU richtig finden. Danach gab es eine große Sehnsucht.

Naja, 2005 ist die Union mit einem kantigen Ansatz – dem Leipziger Programm ¬¬– gegen die Wand gelaufen.
Wir haben die Wahlen damals trotzdem gewonnen und unser Land hatte eine solche Reformagenda dringend nötig. Auch heute braucht die deutsche Parteienlanschaft wieder dringend erkennbare Standpunkte und Führungsqualitäten. Wir haben es mit gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen zu tun. Die linksgrüne Koalition regiert völlig an den Erwartungen der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland vorbei und der Druck durch unsägliche Populisten steigt. Gegen diese Fehlentwicklungen braucht es eine starke CDU.

Mal im Ernst: Kann Friedrich Merz wirklich Kanzler?
Als langjähriger Unterstützer von Friedrich Merz bin ich bei dieser Frage sicher voreingenommen, mache aus meinem Herzen aber auch keine Mördergrube: Merz kann Kanzler – und er wäre ganz sicher ein besserer Bundeskanzler als Olaf Scholz. Seine Führungsqualitäten könnten das Ansehen der Bundesregierung im In- und Ausland wiederherstellen. Davon konnte er auch viele Mitglieder bei den Regionalkonferenzen mit intellektuell-brillanten Reden überzeugen. Er kann begeistern und er ist der Richtige.

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Hin und wieder langt er mal daneben mit seinem Ansatz der klaren Kante.
Die größten Stärken sind oft zugleich auch die größten Schwächen – das gilt für uns alle. Wenn man etwa ein begeisternder Redner ist, riskiert man halt gelegentlich auch mal eine vielleicht zu starke Überspitzung. Wenn man aber andererseits immer den Kontroversen aus dem Weg geht und eine Konsenssoße anrührt, lässt man Konturen und Haltung vermissen. Ich bin bei diesen Alternativen dankbar, dass Friedrich Merz auf eine eher leidenschaftliche Politik setzt.

Was war für Sie die schönes Regionalkonferenz?
Alle waren gut, aber alle hatten auch ihre jeweils eigenen Standpunkte. Wir sind ja zum Glück nicht wie eine einstudierte Darstellertruppe mit immer derselben Performance aufgetreten. Ganz im Gegenteil: Wir haben keine Predigten vom Berg des Propheten gehalten, sondern die Mitglieder den Takt und die Themen vorgeben lassen.

Sollte das ein festes Format in der CDU werden?
Die CDU ist jedenfalls immer gut beraten, auf ihre Mitglieder zu hören. Das war bei der seinerzeit überfälligen Vorsitzendenwahl von Friedrich Merz genauso richtig wie es jetzt auch beim neuen Grundsatzprogramm richtig ist. Wir haben es nicht darauf angelegt, tolle Kommentare in linken Zeitungen zu produzieren, sondern wir haben auf die Parteibasis gehört. Wir haben programmatisch und personell endlich wieder das Herz der CDU erreicht.

Wie romantisch. Was war der schönste Augenblick für Sie?
Immer dann, wenn gejubelt wurde – das hat dann auch bei mir Freude ausgelöst.

Wir erinnern uns an einen bestimmten Moment. Carsten Linnemann, der Generalsekretär, sagte zu Ihnen: Philipp, in 15 Jahren bist Du Kanzler.
Das war natürlich übergalant von ihm, aber bot auch Gelegenheit für eine schlagfertige Replik: In 15 Jahren würde ein Bundeskanzler jedenfalls keinen Reformstau mehr vorfinden, weil Friedrich Merz dann sicher schon alle Probleme gelöst hat. Ein kleines Augenzwinkern ist immer eine gute Eigenschaft für Politiker.

Die Tournee ist jetzt vorbei. Haben Sie Angst vor einer Leere, so wie ein Rockstar nach einer Serie von Auftritten?
Gottbewahre! Ich sehe die erfolgreiche ‚Tournee‘ eher als ‚Vorprogramm‘ für einen erfolgreichen Wahlkampf um den hoffentlich baldigen Regierungswechsel. Insoweit gibt es da für unsere metaphorische Band noch viel zu tun.

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