Deutscher Schauspieler: TV-Star Henning Baum: „Ein charmanter Witz wird schnell als Anmache missverstanden“

Er war der „König von Palma“ und ist Ostern im „Tatort“ zu sehen: Henning Baum gehört zu den bekanntesten deutschen Schauspielern. Im stern-Interview spricht der 51-Jährige über toxische Männlichkeit, Macho-Sprüche und das Älterwerden.

In der Audible-Podcast-Serie „Marvel’s Wastelanders: Wolverine“ sprechen Sie Wolverine. Er ist ein zerrissener Held, der mit inneren Dämonen ringt. Welche Dämonen plagen Sie?
Wir alle befinden uns in einem Kampf zwischen Gut und Böse, in dem wir durch unseren freien Willen entscheiden müssen, wie wir sein möchten und uns verhalten wollen. Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich diesen Kampf in mir abgeschlossen habe. Aber immerhin bin ich mir darüber bewusst, dass es ihn gibt.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich muss noch mehr daran arbeiten, freundlicher zu meinen Mitmenschen zu sein. Das fällt mir in der Hektik und dem Zeitdruck des Alltags weiterhin schwer. Gründe dafür, grummelig zu sein, stolpern mir zwar jeden Morgen sofort entgegen, es schadet aber nicht, sich auch in Stressmomenten dazu zu entscheiden, ruhig und freundlich zu bleiben. Oft gelingt mir das leider bis heute nicht.

Heroische Charaktere wie Wolverine sind in der Regel sehr männlich. Was sagen Sie dazu, dass Männlichkeit heute schnell als toxisch dargestellt wird?
Es ist sehr gut und wichtig, dass Frauen in vielen Bereichen immer mehr aufholen und mit uns Männern auf Augenhöhe sind. Trotzdem sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

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Was meinen Sie damit?
Ich finde es schwierig, wenn heute allzu vorschnell und dann auch noch in falscher Weise verallgemeinert wird. Zum Beispiel durch die These, dass Männer für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich sind und Männlichkeit deshalb toxisch sei. Es gab schon immer auch eine Lady Macbeth. Gut und Böse wohnt in uns allen. Mit groben Verallgemeinerungen liegt man immer falsch, auch mit Schwarz-Weiß-Denken. Ich halte es zudem für einen Fehler zu sagen, dass Männer und Frauen gleich sind.

Warum? 
Weil sie es nicht sind! Es gibt nicht ohne Grund ebenso große wie wichtige Unterschiede. Erst im Zusammenspiel der Geschlechter können wir uns doch besonders gut ergänzen und aufblühen. Ich begrüße den Unterschied und möchte den auch durch nichts und niemanden abgeschliffen haben.

Was wünschen Sie sich in Zukunft für das Miteinander?
Ich hoffe sehr, dass sich aufgrund der aktuellen Debatten zwischen Frauen und Männern nicht ein total sprödes Nebeneinanderher-Leben entwickelt. Vielmehr sollten wir an einem einander bereichernden, charmanten und fröhlichen Miteinander arbeiten. Und sofern alles im Rahmen des Anstands und der guten Erziehung bleibt, sollte auch zukünftig ein guter Witz auf Augenhöhe drin sein. Denn erst durch Humor und Selbstironie in der Begegnung miteinander, entsteht ein wunderbarer Charme.

Aber ist es nicht verständlich, dass Frauen heute nach Debatten wie #MeToo keine Lust mehr auf Macho-Sprüche und -Witze haben?
Moment! Niemand spricht hier von Macho-Sprüchen! Es muss natürlich immer auf Augenhöhe, emanzipiert, offen und charmant sein. Aber selbst das wird inzwischen leider schnell als Anmache missverstanden. Es ist ja auch gut, dass das Pendel derzeit stark zurückschlägt und peinlich-plumpe Männerwitze heute nicht mehr toleriert werden. Aber in meinen Augen sind die Befindlichkeiten bei vielen inzwischen extrem übersensibilisiert. Machen wir uns doch alle mal wieder ein wenig lockerer!

In welchem Zustand befindet sich in Ihren Augen die Debattenkultur in Deutschland? Wie gut und fair können wir über die großen Reizthemen noch diskutieren?
Da liegt seit einiger Zeit leider vieles im Argen. Dabei lohnt es sich doch immer, miteinander zu reden oder auch mal angeregt zu diskutieren. Solange man sich denn im Rahmen des Anstands bewegt, sollte das immer geschehen. Ich spreche im Alltag viel mit Taxifahrern, Polizisten, Verkäufern – alle haben ein Recht, gehört zu werden. Niemandem sollte man einen Maulkorb verpassen!

Wo liegen in Ihren Augen die größten Gefahren im Verfall der Debattenkultur?
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ungewollt eine Art Sprach- und Sittenpolizei ins Leben rufen. Wenn wir dem zu sehr nachgeben, dann stirbt in meinen Augen die kontroverse Debatte, die unterschiedliche Meinungen zulassen muss und soll. Es ist in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft wichtig, auch Meinungen anzuhören, die von unserer eigenen abweichen. Wir müssten eine Fähigkeit entwickeln, die Ansicht des anderen auch zu begreifen. Es ist doch nun einmal Tatsache, dass niemand zu 100 Prozent Recht hat. In der Ansicht des anderen liegt eine gewisse Wahrheit, die es anzuhören lohnt. Auch dann, wenn sie aus einem anderen politischen Lager kommt.

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Sie gelten als Mann mit eigenem Kopf und als Freigeist. Waren Sie immer schon so?
Ich war nie stromlinienförmig, bin nie dem Zeitgeist und der Herde hinterhergelaufen. Deshalb fühlte und fühle ich mich auch oft fehl am Platz. Ich kann mich nicht wirklich einer bestimmten Gruppe Mensch zuordnen und habe bereits früh das Gefühl gehabt, dass ich nirgendwo so richtig dazugehöre. Das begleitet mich bis heute, ist aber auch nicht schlimm. Ich finde es zwar schön, wenn ich mich mit guten Freunden zum Austausch treffe – aber ich suche nicht gezielt die Geselligkeit.

Wie gehen Sie als stark auf Fitness bedachter Mann mit dem körperlichen Älterwerden um?
Grundsätzlich finde ich es faszinierend, wie schnell das alles geht. Gefühlt war ich gestern noch 35 und zack – bin ich heute auf einmal 51 Jahre alt. Ich wäre ein Narr zu behaupten, dass ich noch immer so stark und reaktionsschnell bin wie in meinen Dreißigern und ich bemerke das körperliche Älterwerden definitiv. Aber es macht mir trotzdem keine Angst.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal trotz aller Schwächen und Macken selbst angenommen?
Ach, ich fand mich eigentlich schon immer gut, so wie ich bin. (lacht) Das hat mir nie große Probleme bereitet. Und wenn ich doch mal irgendwas an mir nicht gut fand, dann habe ich daran gearbeitet. Das tue ich heute noch. Allerdings erstaunen mich die Rückschläge, die ich dabei immer wieder erleben muss. Da glaube ich, dass ich mich weiterentwickelt habe und benehme mich im nächsten Moment doch wieder nicht so, wie ich es mir eigentlich vorgenommen habe.

Was ist für Sie der Schlüssel zur inneren Zufriedenheit?
Es wäre gut, wenn wir unser Leben nicht noch mehr verkomplizieren und überladen. Es gibt leider den Trend, dass heute alles wahnsinnig kompliziert gemacht wird. Ganz egal, ob es nun um den Beruf, das gesellschaftliche Zusammenleben, die Ernährung, den Sport oder die Sprache geht. Ich kann da nur sagen: Keep it simple! Das sorgt auf Dauer auch für Zufriedenheit.

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