Seit Jahren versucht die Tech-Branche, ihre Angestellten aus dem Homeoffice zurück ins Büro zu locken. Bei Dell setzt man nun auf eine drakonische Regelung. Dabei war der PC-Konzern lange ein Vorreiter.
Keine Fahrtwege, gemütlicher Arbeitsplatz und viel Ruhe: Das Arbeiten von zu Hause hat für die Angestellten viele Vorteile. Doch obwohl sich die Regeln seit der Pandemie bei vielen Arbeitgeber gelockert haben, heißt es in immer mehr Firmen: zurück ins Büro. Besonders im Silicon Valley tut man sich damit aber schwer. Bei Computer-Hersteller Dell gilt deshalb nun eine harte Ansage: Wer die Position wechseln oder gar befördert werden will, muss ins Büro kommen.
Das berichtet „Business Insider“ unter Berufung auf Quellen im Unternehmen. Demnach hatte der Konzern bereits im Februar angekündigt, dass die Belegschaft wieder mehr ins Büro kommen soll. Dazu sollten sich die Angestellten in die Kategorie „Hybrid“ oder „Remote“ einteilen. Doch die Folgen des Remote-Arbeitens wurden erst jetzt bekannt.
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Homeoffice nur noch mit Nachteilen
„Wer Remote arbeiten will, sollte sich der Nachteile bewusst sein“, heißt es dem „Insider“ zufolge in internen Unterlagen das Konzerns. Und die haben es in sich: „Für einen Karriereschritt, inklusive der Bewerbung auf andere Positionen innerhalb der Firma, ist für die Team-Mitglieder die Klassifikation als Hybrid-Arbeiter Vorraussetzung.“ Im Klartext heißt das: Man kann weiter Remote arbeiten – aber nur solange man exakt den gleichen Job behalten will. Sonst heißt es wechseln.
Was das bedeutet, ist klar definiert: 39 Tage haben Dells Angestellte pro Quartal ins Büro zu kommen und zwar in ein „genehmigtes“. Das entspricht knapp drei Tagen pro Arbeitswoche. Vor allem der Zusatz der genehmigten Büros dürfte es in sich haben: Wer weiter weg wohnt, kann sich nicht in der Nähe gemeinsam mit Kollegen ein eigenes Büro anmieten, es gilt, an die offiziellen Arbeitsstellen zu kommen. Für die teils durchs ganze Land verteilten Mitarbeiter heißt das oft: Remote oder Umzug.
Dell war Vorreiter bei Remote-Arbeit
Die Regelung kommt bei Dell vor allem deshalb überraschend, weil der Konzern deutlich vor der Pandemie Remote-Arbeit zuließ. Schon seit fast zehn Jahren können sich Dell-Mitarbeiter den Arbeitsplatz frei auswählen, viele mieden deshalb die teuren Tech-Hauptstädte an den US-Küsten, zogen mit dem angenehmen Gehalt aufs günstigere Land – oder blieben gleich dort.
„Wenn Sie sich darauf verlassen, dass erzwungene Arbeitszeiten in einem traditionellen Büro die Zusammenarbeit fördern und ein Gefühl der Zugehörigkeit innerhalb Ihres Unternehmens schaffen, machen Sie es falsch“, hatte Firmenchef Michael Dell persönlich noch vor wenigen Jahren auf Linked.in geschimpft. Doch das scheint sich nun geändert zu haben. „Persönliche Verbindungen in Person sind zusammen mit einem flexiblen Ansatz der kritische Faktor für Innovation und Wertdifferinzierung“, erklärte ein Sprecher dem „Insider“.
Entsprechend schlecht ist die Stimmung. „Die ganze Belegschaft beschwert sich hintern den Kulissen darüber“, erklärte ein Mitarbeiter dem „Insider“. „Früher interessierte bei Dell nur die Arbeit, nicht der Arbeitsort.“ Für viele entsteht dadurch sogar ein Widerspruch zu Dells Argument, man würde im Büro persönlicher arbeiten. „Jedes Team ist auf zwei Staaten verteilt, manche auf drei oder vier“, berichtet ein Angestellter. „Ich gehe also in einen Raum mit Menschen, die meinen Job nicht verstehen und die mir nicht helfen können.“
Worum geht es wirklich?
Die Entscheidung Dells reiht sich in eine lange Reihe von Techfirmen ein, die ihre Angestellten ins Büro zu zwingen versuchen. Hatten es Konzerne wie Google, Apple und andere zunächst mit Goodies wie Partys und kostenlosen Buffets versucht, wurden im Laufe der Zeit die Daumenschrauben immer fester angezogen.
Auch wenn die Firmen in der Regel Hoffnungen auf bessere Zusammenarbeit als Grund nennen, dürfte der Weg zurück ins Büro oft schlicht finanzielle Gründe haben. Zum einen sind da natürlich die teuren Büroflächen, die gerade bei Techkonzernen in bester Lage im Silicon Valley leerstanden. Zum anderen bietet der Schritt aber auch die Möglichkeit, auf günstige Art und Weise die Mitarbeiterschaft zu schrumpfen. Wer einen Umzug nicht auf sich nehmen will oder kann, wird sich eben nach etwas anderem umsehen. Auch bei Dell folgt die Entscheidung einer Kündigungswelle: 6500 Mitarbeiter hatte der Konzern vor einem guten Jahr vor die Tür gesetzt.
Eines der prominentesten Beispiele für das Ende des Homeoffice war zuletzt ausgerechnet ein Unternehmen, dass selbst massiv von der Remote-Arbeit profitiert hatte: Videokonferenz-Anbieter Zoom hatte im August entschieden, dass seine Mitarbeiter wieder regelmässig im Büro auftauchen müssen. Im Gegensatz zu Dell kam man wenigstens den weiter entfernten Kollegen entgegen: Die Regel gilt nur für Angestellte, die weniger als 80 Kilometer vom nächsten Büro entfernt wohnen.
Quellen:Business Insider, Ars Technica, New York Times
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