Rektor über Imageschaden: Trink-Exzesse an Elite-Uni WHU: „Wir sind nicht die Alkoholpolizei“

An der Elite-Uni WHU gab es ein exzessives Saufgelage mit schweren Folgen: Ein Student kam ins Krankenhaus, vier Kommilitonen wurden gefeuert. Der Imageschaden sei immens, sagt der Rektor – und will die Partykultur eindämmen.

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Die WHU – Otto Beisheim School of Management gilt als Kaderschmiede der deutschen Wirtschaft, hier werden Startup-Gründer und Managertalente ausgebildet. Kürzlich wurde die Privatschule von der „Financial Times“ zur besten Business School Deutschlands gekürt. Da krachte am Wochenende ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ rein, der für ordentlich Furore sorgt auf dem Campus im beschaulichen Vallendar bei Koblenz. Darin berichten Studierende anonym detailliert von Partys, bei denen Erstsemester von älteren Studenten genötigt wurden, sehr viel Alkohol zu trinken – bis zum Erbrechen. Am Ende einer Party kam ein Student ins Krankenhaus, vier Kommilitonen wurden gefeuert.

Im Capital-Interview nimmt der Rektor der WHU, Christian Andres, erstmals Stellung dazu.

Herr Andres, vor ein paar Tagen ist publik geworden, dass es exzessive, erzwungene Saufgelage an der WHU gegeben hat. Unter der Überschrift „Ich habe an der WHU das Kotzen gelernt“ heißt es in einem Bericht des „Spiegel“, dass Erstsemester von älteren Studierenden dazu gezwungen wurden, Alkohol zu trinken bis zum Erbrechen. Waren Sie darüber überrascht?
Nein, der Fall wurde uns vergangenen Spätsommer bekannt, seitdem beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema und haben auch schon zum Ausdruck gebracht, dass bei solchen Exzessen eine rote Linie überschritten wird, die nicht überschritten werden darf. Da wurden bei einer Privatparty von Studierenden Menschen eingesperrt und zum Alkoholkonsum gezwungen. So etwas verstößt gegen die Werte unserer Hochschule.

Bio Andres

Wann haben Sie davon erfahren?
Im August 2023 gab es wie immer für unsere neuen Bachelorstudierenden eine Einführungswoche auf dem Campus mit zahlreichen offiziellen und privaten Veranstaltungen. In einer Nacht wurde ein Student ins Krankenhaus eingeliefert. Das spricht sich in so einem kleinen Ort wie Vallendar schnell rum. Wir haben am nächsten Morgen die Hochschulleitung einberufen, um gemeinsam zu recherchieren und zu beraten. Wir konnten mit Hilfe von Zeugen relativ schnell herausfinden, was passiert war und wer an dem Vorfall beteiligt war. Die neuen Studierenden werden von den Studierendensprechern beziehungsweise deren Kommittees in Gruppen aufgeteilt, die von älteren Kommilitonen betreut werden. Bislang geben wir dabei nur einige Grundregeln vor. Aber da wir die Namen der am Vorfall Beteiligten genannt bekommen hatten, konnten wir den Vorgang dann gut nachvollziehen. Da muss man keinen Privatdetektiv drauf ansetzen.

Ältere Kommilitonen werden an der WHU als sogenannte Paten eingesetzt, die neuen Studenten bei der Eingewöhnung helfen sollen. Stattdessen wurden in diesem Fall junge Leute gedemütigt und gefoltert. Wie haben Sie darauf reagiert?
Wir haben herausgefunden, dass es um fünf Paten ging, denen wir am nächsten Tag umgehend ein Campusverbot erteilt haben. Das war eine Art kurzfristige Gefahrenabwehr, da wir den Fall für so schwerwiegend hielten, dass wir unmittelbar Schaden von der Hochschule abwenden wollten. Unsere Regeln wurden überschritten, also handeln wir. Nach weiteren Beratungen, auch mit juristischer Unterstützung, haben wir die Studienverträge von vier der fünf Studierenden gekündigt. So eine Exmatrikulation ist das schärfste Schwert, das wir haben. Die Betroffenen haben dagegen geklagt, aber die Gerichte haben unsere Entscheidung in zwei Instanzen bestätigt. 

Lauras Kampf gegen den Alkohol 10.51

Glauben Sie, dass das ein Einzelfall war? 
Zumindest in der Dramatik scheint es so. Ich bin schon seit 13 Jahren an der WHU, aber ich bin erst seit Mai 2023 Rektor. Mir ist so etwas in solchem Ausmaße nicht bekannt gewesen. Natürlich feiern auch unsere Studierenden, das sind 18-Jährige, von denen einige zum ersten Mal von Zuhause weg sind. Einige schlagen auch mal über die Stränge. Wir können aber niemandem verbieten, was er oder sie im privaten Umfeld macht. Wir sind weder die Alkoholpolizei noch überwachen wir unsere Studierenden. Aber es gibt Regeln innerhalb unserer Gemeinschaft und wir erwarten ein angemessenes, respektvolles Verhalten von unseren Studierenden, sowohl untereinander als auch gegenüber Dritten. Das haben wir in einem Regelwerk, unserem Code of Conduct, festgehalten. Der ist Teil des Studienvertrags, den kennen die Studierenden. Das ist nicht einfach nur ein Stück Papier. Bei Zuwiderhandlung sanktionieren wir. 

Dennoch klingt der beschriebene Fall und die anonymen Aussagen in dem Bericht nicht nach einer einmalig ausgeuferten Party, sondern nach institutionalisiertem Brauchtum mit archaischen Riten. Wie passt das mit dem Anspruch der WHU zusammen, die sich als Eliteschule auf internationalem Standard sieht? 
Das gibt es nicht als institutionalisiertes Brauchtum. Wenn sich in Gruppen Riten herausgebildet haben, und das mag ich nicht ausschließen, dann hat so etwas für mich heute an einer Hochschule und auch in der Gesellschaft keinen Platz mehr. Wir sind stolz darauf, dass die WHU eine moderne, internationale Institution ist, die divers und weltoffen ist. Wir wollen die besten Talente aus der ganzen Welt anwerben und sind gerade wieder als die beste Business School Deutschlands ausgezeichnet worden. Das wollen wir ausbauen und deshalb gibt es Dinge, die wir nicht tolerieren.

Dann war das offenbar bislang nicht bei allen WHU-Studierenden angekommen? 
Alle ist ein hoher Anspruch. Den teilen wir aber. Selbst fünf Studierende von 2000 richten einen immensen Imageschaden an. Wir haben als Hochschulleitung eine Verantwortung, dass unsere Werte von allen geachtet und gelebt werden und das schreiben wir nicht nur in ein Regelwerk, sondern das kommunizieren wir auch sehr deutlich. Und ich bin überzeugt, dass unser konsequentes Handeln angekommen ist. Gibt uns das 100-prozentige Gewissheit für die Zukunft? Leider nein. Entsprechend werden wir solange konsequent reagieren, bis es die Letzten verstanden haben. 

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Was können Sie also noch tun?
Wir haben bereits konkrete Gegenmaßnahmen ergriffen. So sprechen wir beispielsweise mit den Studierenden über eine Anpassung unserer Einführungswoche. Die ist wichtig, da die jungen Erstsemester in diesen ersten Tagen Orientierung und Anschluss suchen. Wir wollen auch Alternativen zu den Veranstaltungen der Paten im Abendprogramm anbieten. Auch wenn sich unser Paten-Modell im Grunde bewährt hat, denken wir nun über Veränderungen nach. Wir sensibilisieren unsere Studierenden zudem bei Veranstaltungen und Seminaren für Themen wie Grenzüberschreitungen, Alkoholkonsum, Eigenverantwortung und bieten auch konkrete Hilfsangebote an. Zudem haben wir ein Whistleblowersystem eingerichtet, bei dem Beschwerden und Probleme auch anonym mitgeteilt werden können. Bislang ist dort nichts Vergleichbares angezeigt worden.

Welche Rückmeldungen zu dem Vorfall bekommen Sie intern von den Studierenden und extern etwa von Partnern aus der Wirtschaft?
Alle wissen intern und extern, dass das nicht unserer Haltung und unserem Anspruch entspricht. Wir bekommen von sehr vielen Seiten Unterstützung signalisiert und Zuspruch dafür, dass wir derartiges Verhalten an der WHU konsequent sanktionieren. Viele, vor allem auch junge Studentinnen, sind entsetzt über den Bericht und wollen wie wir, dass sich das nicht wiederholt. Wir bilden hier exzellente junge Menschen aus, von denen viele ihr eigenes Unternehmen gründen oder eine Führungsrolle übernehmen wollen, die Vorbild sein und etwas zum Positiven verändern wollen. Daher bekommen wir viel Zuspruch, dass wir schnell reagiert und unser klares Wertesystem für alle, die die Grenzen überschritten haben, deutlich gemacht haben. 

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