Firmenpleiten: Warum immer mehr Firmen insolvent gehen – auch in Deutschland

Unternehmen weltweit können ihre Schulden nicht mehr bedienen und melden Insolvenz an. Die Kombination aus hohen Zinsen und anhaltender Inflation birgt Risiken – auch für deutsche Firmen.

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Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist Anfang des Jahres 2024 weltweit auf den höchsten Stand seit 2009 geklettert. Solch ein Trend sei seit der globalen Finanzkrise nicht mehr beobachtet worden, stellte die Rating-Agentur S&P Global in ihrem März-Bericht fest – und nannte auch einen der Gründe: die Kombination aus hohen Zinsen und anhaltender Inflation. Sie treibe die Zahl der Zahlungsausfälle in die Höhe – auf 29 Fälle seit Jahresbeginn. Besonders in Europa sei ein Anstieg der Konkurse zu verzeichnen, was auf eine schwache Verbraucherstimmung hindeute.

Die Analysten erwarten, dass der Trend im Lauf des Jahres 2024 noch an Fahrt aufnimmt. Die anhaltende Schwäche europäischer Verbraucher werde bis Jahresende daher zu weiteren Ausfällen führen. Darauf lasse die hohe Anzahl von Unternehmen mit niedrigen Ratings schließen. Allein im Januar sei global die Konkursrate weit über den langfristigen Durchschnitt gestiegen. Zuletzt habe vor allem die Entwicklung in Europa zu dem Höchststand beigetragen: Die Zahl der Zahlungsausfälle sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2023 mehr als doppelt so hoch.

Fällige Schulden werden zum Problem

Besonders gescheiterte Umschuldungsvereinbarungen spielten laut der Rating-Agentur eine bedeutende Rolle bei dem schlechten Start ins Jahr. Viele Firmen kämpften mit stark fremdfinanzierten Kapitalstrukturen und bevorstehenden Fälligkeiten von Schulden. Laufende risikoträchtige Kredite liegen demnach sowohl in den USA als auch in Europa über ihrem Fünfjahresdurchschnitt.

Nach Sektoren waren seit Jahresbeginn vor allem Firmen aus den Bereichen Konsumgüter, Unterhaltung und Medien betroffen, schreiben die Analysten. Auf sie entfielen etwa die Hälfte der Ausfälle im Januar. Rund 40 Prozent der Ausfälle im Februar in den USA und Europa konzentrierten sich auf die Gesundheits- und Unterhaltungsbranche. In den Bereichen Medien, Gesundheit und zyklische Konsumgüter erwartet S&P Global „weiterhin eine hohe Anzahl von Ausfällen“. In Europa habe zuletzt auch die Metall- und Stahlbranche gelitten, in Schwellenländern wie Brasilien oder Argentinien der Verkehrs- und Infrastrukturbereich.

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Insolvenzen in Deutschland zweistellig gestiegen

Auch für Deutschland hat das Statistische Bundesamt Mitte März stark erhöhte Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Jahresauftakt 2023 gemeldet. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen – das betrifft Kapital- und Personengesellschaften – sei nach vorläufigen Angaben von Destatis im Februar 2024 um 18,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Januar war sie schon um 26,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat angestiegen. Der tatsächliche Zeitpunkt der Geschäftsaufgaben liege in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. „Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, blickt das Statistikamt zurück – allerdings für diesen Zeitraum noch leicht unter Vor-Corona-Niveau.

Im Gesamtjahr 2023 lagen die Firmenpleiten in Deutschland um 22 Prozent über dem Vorjahr. Die Amtsgerichte meldeten 17.814 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Der starke Anstieg ist aber teilweise statistisch, denn im Jahr 2022 war nur ein leichter Anstieg im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 zu beobachten gewesen, in welchem aufgrund zahlreicher Sonderregelungen nur eine geringe Zahl von Firmen aufhören mussten. Verglichen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 waren die Unternehmensinsolvenzen 2023 sogar um 5 Prozent niedriger. 

Auch im historischen Vergleich war die Zahl der Insolvenzen 2009 – also während der Finanz- und Wirtschaftskrise – mit 32.687 Fällen deutlich höher als 2023. Allerdings wurden im vergangenen Jahr mit 138 Fällen 38 Prozent mehr „Großinsolvenzen“ registriert als im Jahr davor. Zugleich gab einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zufolge auch jedes zehnte Unternehmen in der Gastronomie den Betrieb auf ­– zum allergrößten Anteil Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern. 

Steigende Ausfälle noch bis Jahresende 

Die Rating-Agentur S&P Global geht davon aus, dass die Ausfälle in Europa in nächster Zeit erhöht bleiben, mit einem leichten Anstieg im Sommer, bis sich die Rate in der Region bis Dezember 2024 stabilisieren werde. Das Basisszenario werde von Lohnwachstum und sinkender Inflation gestützt. Zudem wird erwartet, dass – wie 2023 –verbraucherabhängige Sektoren die Zahl der Zahlungsausfälle im laufenden Jahr „wahrscheinlich anführen werden“ – darunter Konsumgüter sowie weiterhin Medien und Unterhaltung. Auch Ausfälle in der europäischen Chemie- und Gesundheitsbranche könnten relativ hoch ausfallen.

In einem globalen Insolvenzausblick bis 2025 sieht die Allianz vor allem Branchen wie das Gastgewerbe, das Transportwesen und den Einzelhandel in einem wirtschaftlichen Drahtseilakt. Beträchtliche Cash-Polster – größtenteils in den Händen großer Unternehmen in Branchen wie Technologie und zyklische Konsumgüter – schrumpften schneller als die tatsächliche Wirtschaftstätigkeit, heißt es in einer Analyse vom vergangenen Oktober. Dies betreffe nicht nur Sektoren, die bereits mit schwierigen Zeiten konfrontiert sind, wie das Gastgewerbe, das Transportwesen und den Groß- und Einzelhandel, sondern auch Branchen wie das Baugewerbe.

Die geringere Preissetzungsmacht und die schwächere weltweite Nachfrage hat laut Allianz zu einer breiten Umsatzrezession in allen Regionen geführt – so stark wie seit Mitte 2020 nicht mehr. „Das bedeutet, dass die Unternehmen schnell ihr finanzielles Polster verlieren, und eine schnelle Trendwende ist nicht in Sicht, wahrscheinlich nicht vor 2025.“ Zugleich machten die höheren und länger anhaltenden Zinssätze nicht nur Sektoren wie Immobilien und langlebige Güter das Leben schwer, sie verursachten auch Probleme für Unternehmen mit hohem Betriebskapitalbedarf, wie Hersteller von Maschinen und Transportausrüstung, Pharmazeutika und Elektronik sowie im Bauwesen.

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