Tag des Glücks: Deutschland schmiert im Glücksreport ab: Was ist nur mit den jungen Frauen los?

Das Ideal einer glücklichen, unbesorgten Jugend, der die Welt offen steht, bekommt einen weiteren Knacks. Deutschland fliegt im jährlichen World Happiness Report aus den Top 20. Am unglücklichsten sind unter 30-Jährige – und Frauen.

Auf einer Skala von null bis zehn, wie glücklich sind Sie? Wenn Sie in Deutschland leben, liegt der Durchschnitt bei 6,7. Am 20. März ist der Internationale Tag des Glücks. An diesem Tag erscheint jährlich der World Happiness Report. Er evaluiert, wie glücklich und zufrieden die Menschen dieser Welt sind. Das Ergebnis: Der Corona-Schock wirkt nach, die Menschen in Deutschland sind unglücklicher als noch vor ein paar Jahren.

Um ganze acht Plätze ist das Land in einem Jahr abgestiegen, von Platz 16 auf 24 von 140. Das liegt vor allem an den Jüngeren. Der Report zeigt: Frauen sind in allen Altersstufen unglücklicher als Männer. Und je älter Menschen in Westeuropa sind, desto glücklicher sind sie. Eine Umkehr im Vergleich zu früheren Generationen, in denen meist die Jüngeren glücklicher waren. Was ist nur mit den jungen Frauen los?PAID Das Glück der Finnen in Zeiten des Krieges 19:49

Wirtschaftliche Unsicherheit

„In Deutschland liegen die Jugendlichen im World Happiness Report sogar auf Platz 47“, sagt die Glücksforscherin und Autorin Maike van den Boom dem stern. Van den Boom stammt aus Deutschland und lebt mittlerweile in Stockholm. „Ich glaube das liegt daran, dass wir in Deutschland immer noch sehr viel Wert auf Leistung und Konkurrenz legen. Die Zukunft sieht aber anders aus und das merken die jungen Menschen natürlich, dass sie auf Kooperation und ein sich ständig veränderndes Umfeld nicht wirklich vorbereitet sind.“

Auch sind die Unsicherheiten der eigenen beruflichen Zukunft andere als früher: „Jugendliche sagen sich: ‚Natürlich kann ich jetzt Jura studieren, aber wenn ich fertig bin, wie viel davon hat dann die KI übernommen?'“, sagt Van den Boom. „Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen können, wenn wir unsere Kinder besser begleiten.“

Die Glücksforscher haben eine Reihe von Schlüsselfaktoren ausgemacht, die Menschen generell glücklicher machen. Dazu gehören soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption. Der Bericht wird von der Universität Oxford koordiniert, unterstützt vom Meinungsforschungsinstitut Gallup und den Vereinten Nationen. Professor Jan-Emmanuel De Neve ist Direktor des Wellbeing Research Centre in Oxford und Herausgeber der Studie. Er nennt die sinkende Zufriedenheit der Jugendlichen „beunruhigend“. Sie zeigt sich besonders stark in Westeuropa und Nordamerika. „Der Gedanke, dass Kinder in einigen Teilen der Welt bereits das Äquivalent einer Midlife-Crisis erleben, erfordert sofortige politische Maßnahmen“, sagt De Neve.

Top 10 der glücklichsten Länder der Welt   20.30

Auch andere Studien und Umfragen zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene belastet sind. Laut dem SKL Glücksatlas von 2023 haben sich die Corona-Pandemie und ihre Folgen stark auf die Lebenszufriedenheit von Menschen unter 30 Jahren ausgewirkt. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ 2023 zeigt, dass mit 46 Prozent fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen an Stress leidet. Mehr als ein Drittel klagt über Erschöpfung (35 Prozent) oder Selbstzweifel (33 Prozent). Themen wie die Inflation, Krieg und die Klimakrise sorgen die Befragten besonders.

Soziale Medien wirken sich negativ auf Glück und Zufriedenheit aus

Diese Sorgen sind nicht aus der Luft gegriffen, sie haben praktische Auswirkungen. Laut dem Statistischen Bundesamt war 2021 jeder zweite junge Mensch zwischen 15 und 24 Jahren auf das Einkommen von Eltern oder anderen Angehörigen angewiesen. Etwa 38 Prozent konnten ihr Leben selbst finanzieren – 1991 waren es noch 52 Prozent. Auch waren psychische Krankheiten 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie, die häufigste Ursache für stationäre Krankenhausaufenthalte junger Menschen.

Dazu kommen soziale Medien. Die Informationen prasseln nahezu ungefiltert auf junge Menschen ein. Der Vergleich mit anderen, vermeintlich erfolgreicheren, schöneren und intelligenteren Personen liegt nahe und verunsichert junge Leute. Im „Guardian“ spricht Vivek Murthy, Leiter des US-Gesundheitsdienstes, von einem kollektiven Regierungsversagen in diesem Bereich. Kindern die Nutzung sozialer Medien zu erlauben sei so, als würde man ihnen Medikamente geben, deren Sicherheit nicht erwiesen sei. Soziale Medien nicht besser zu regulieren sei „Wahnsinn“.STERN PAID Interview Glücksforscher 19.40

Unzufriedenheit hat eine geschlechtliche Komponente

Doch nicht nur junge Menschen sind weniger glücklich als früher. In allen Altersstufen sind Frauen in Deutschland unzufriedener als Männer, empfinden häufiger negative Emotionen. Diverse Statistiken zeigen, Frauen verdienen weniger und können deshalb weniger ansparen, sie kümmern sich häufiger um Haushalt und Familie und sind medizinisch schlechter versorgt als Männer – wesentliche Faktoren in der empfundenen Zufriedenheit.

Die tatsächlich gelebte Gleichberechtigung in Deutschland nähert sich nur langsam an, sagt die Glücksforscherin Maike van den Boom. „Die skandinavischen Länder haben diesen Übergang schon lange hinter sich“, sagt sie dem stern. Gleichzeitig würden Frauen immer noch mit traditionellen Rollenbildern konfrontiert. „Bewusst oder unbewusst zwischen den Zeilen – auch das erzeugt ein kleines schlechtes Gewissen. Diese sehr mühsame Übergangszeit haben wir hoffentlich gesellschaftlich bald hinter uns.“

Länder wie Finnland, Dänemark oder Island, die auch in diesem Jahr im Glücksranking die Top Ten belegen, sind in diesem Prozess weiter. „In Schweden nehmen Männer im Schnitt fünf Monate Elternzeit und es gibt für jedes Kind einen Krippenplatz“, sagt van den Boom. „Dazu kommen Unternehmen, die Elternschaft als positive persönliche Entwicklung sehen und deshalb unterstützen.“Glück als Schulfach 15:23

Die Glücksforscherin hat deshalb einen Tipp für junge Erwachsene jeden Geschlechts: ungehorsam und mutig sein. „Heutzutage müssen junge Menschen so viel lernen, dass es nur eine Einstellung gibt, die sie glücklich machen kann: Ich kann das noch nicht, aber ich kann es vielleicht lernen.“ Van den Boom rät deshalb dazu, sich kleine Ziele zu setzen und den Austausch mit anderen zu suchen. „Keine Angst vor Umwegen, sie bringen neue Eindrücke und mehr Ideen! Und das geht am besten gemeinsam mit anderen. Denn gute Beziehungen sind einer der wichtigsten Glücksfaktoren überhaupt.“

Im diesjährigen World Happiness Report betrachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zeitraum zwischen 2021 und 2023. Bewertet wurden dabei subjektive Einschätzungen des eigenen Lebens der im Land wohnhaften Bevölkerung. Insgesamt umfasst das Ranking 143 Länder.

Quellen:  World Happines Report, „Guardian„, Glücksatlas, Maike van den Boom,Trendstudie „Jugend in Deutschland“ 2023, Statistisches Bundesamt, DPA.

Verwandte Beiträge