Eskalation im Namen der Umwelt: Erst Hambach, dann Lützerath – radikalisiert sich jetzt auch der Protest in Grünheide?

In Brandenburg ist es so trocken, wie sonst nirgends in Deutschland. Schuld ist nicht nur das Klima – sondern auch das Tesal-Werk bei Grünheide. Jetzt begehrt eine Handvoll Aktivisten auf. Droht bald eine Eskalation?

Sie sitzen in Baumhäusern, auf Schaukeln, Leitern und Ästen, zwischen bunten Bannern und Schildern: In einem Waldstück mitten in Brandenburg zimmern, hämmern und nageln um die 80 Aktivisten an einem Protestcamp. Es soll den laut „Forbes“ reichsten Mann der Welt stoppen – Elon Musk, Besitzer des Autokonzerns Tesla mit Standort in direkter Nachbarschaft der Gemeinde Grünheide. Das Werk soll ausgebaut werden, dafür müssen rund 100 Hektar Waldfläche in dem angrenzenden Wasserschutzgebiet weichen. Ursprünglich war von 47 Hektar die Rede gewesen. Doch das ist nicht das eigentliche Problem.Tesla Umweltunfälle 11.00

Nach vier Jahren, in denen Tesla teils ohne Genehmigung baute, die Behörden Projekte nachträglich bewilligten, Ausnahmen ohne Rücksicht auf die Wasserschutzverordnung erteilten und über umweltschädliche Unfälle auf dem Werksgelände hinwegsahen, finden Anwohner und Aktivisten: Es reicht! In einer Bürgerbefragung positionierten sich die Menschen deshalb gegen den Ausbau, wohl wissend, dass das Ergebnis weder Musk noch die brandenburgische Landesregierung und Behörden umstimmen wird.

Ein Protestcamp ist möglicherweise die letzte Rettung jenes Gebiets, in dem bald die Axt angesetzt werden soll. In dem Kiefernwald östlich von Berlin, zwischen dem Güterbahnhof Fangschleuse und der Gemeinde Grünheide wird gerade nach dem Hambacher Forst und Lützerath die Geschichte des Umweltprotests fortgeschrieben. Doch anders als im „Hambi“ und in „Lützi“ spielt sich in Grünheide ein „Verteilungskampf um Wasser ab, bei dem die Profite eines Konzerns über die Bedürfnisse von Menschen gestellt werden“. So sehen es die Aktivisten der Initiative „Tesla stoppen“. Denn das Werk verbraucht und verschmutzt Unmengen an Wasser.

Ein Aktivist seilt sich im Camp der Initiative „Tesla stoppen“ in dem Kiefernwald nahe der Tesla-Gigafactory ab
© Christoph Soeder

Darauf deuten zumindest die Genehmigungsunterlagen hin. Demnach rechnen Tesla und die Behörden mit einem Spitzenwasserverbrauch von 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Das entspricht dem Bedarf einer 40.000 Seelen großen Stadt. Durch die Erweiterung würden keine zusätzlichen Ressourcen verbraucht, verspricht Tesla. Zudem sollen im vergangenen Jahr lediglich 450.000 Kubikmeter verbraucht worden sein. Doch in einer der trockensten Regionen Deutschlands ist selbst das zu viel. Nirgendwo regnet es so wenig wie hier. Wegen des Klimawandels sind die Pegelstände außerdem seit Jahren auf dem Rückzug.

Lage in Grünheide spitzt sich zu

Schon seit die Grundsteine des Tesla-Werks gelegt wurden, fürchten Anwohner deshalb, dass es aus den Wasserhähnen künftig nur noch tröpfelt. Der Unmut darüber brach sich immer wieder in Form zaghafter Bürgerproteste Bahn. Das Protestcamp bildet nun den Höhepunkt im Aufstand gegen Musk. Dass er zum Wendepunkt in dem ostdeutschen Wasserdrama wird, ist unwahrscheinlich. Dafür wird der Kampf ums Wasser, wie 1985 allerdings für andere Weltregionen vorausgesagt wurde, gerade in dem ostdeutschen Kiefernwald Realität.

„Elon Eloff“ steht auf einem Plakat im Protestcamp. Auf den Telsa-Chef sind die Aktivisten gar nicht gut zu sprechen
© Christoph Soeder

Und er ist dabei zu eskalieren. Dabei hatten die Arbeiten für das Protestcamp Ende Februar friedlich begonnen. Doch nach fast drei Wochen wird der Ton zwischen Aktivisten und Polizei rauer. Die Behörden wollen die Versammlung noch vor Ostern beenden. In den Baumhäusern zu schlafen, ist neuerdings verboten. Die Aktivisten tun es trotzdem. Die Hütten in den Zweigen abzubauen, wie es ebenfalls verordnet wurde, haben sie auch ignoriert.

Von Tumulten und Gewalteskapaden ist man im Kiefernwald bei Grünheide aber noch weit entfernt – anders als im Hambacher Forst oder in Lützerath, wo sich die Aktivisten ebenfalls den Auflagen der Behörden verweigerten, von Polizisten weggetragen werden mussten und am Ende Steine flogen. Dass sich in der Idylle des Tesla-Waldes demnächst ebenfalls ein Handgemenge entwickelt, ist nicht unwahrscheinlich. Brandenburgs Innenminister Christian Stübgen hatte bereits mit einer Räumung des Protestcamps gedroht und den Demonstranten vorgeworfen, sich zu radikalisieren. Die Beteiligten träumten von einem „Lützerath des Ostens“ und wünschten ein „europäisches Zentrum des Ökofaschismus“, meint der CDU-Politiker.Wie Linksextreme der Klima-Bewegung schaden 17.55

Hintergrund ist unter anderem das Feuer an einem Strommast in Ostbrandenburg, der die Versorgung der Tesla-Fabrik kappte und die Produktion dort tagelang lahmlegte. Zu dem Brandanschlag bekannte sich die linkextreme Vulkangruppe. Dass Brandenburgs Innenminister Stübgen den Aktivisten im Kiefernwald deshalb Extremismus vorwirft, ist zwar nicht ganz richtig, angesichts der Ereignisse in Lützerath aber auch nicht weit hergeholt. Bei den Protesten in Nordrhein-Westfalen Anfang 2023 hatten auch Linksextremisten die Aktion gekapert, um Unruhe zu stiften und den ursprünglich friedlichen Protest aufzumischen. Wo Klima- und Umweltproteste stattfinden, sind häufig auch linke Unruhestifter nicht weit. Grünheide bildet keine Ausnahme, zeigen die linken Brandstifter.

Mehr Aktivisten und Polizeikräfte werden mobilisiert

Die Waldbesetzer in den Kiefernwipfeln bleiben derweil ruhig, aber nicht inaktiv. Gegen die von den Behörden verhängten Bedingungen für den Protest hat die Initiative „Tesla stoppen“ einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht in Potsdam eingereicht. Die Aktivisten sind zuversichtlich, dass sie einer Räumung entgehen, bis die Richter ihr Urteil gefällt haben. Bis dahin wollen sie weitere Menschen mobilisieren. Schon jetzt schlössen sich immer mehr Menschen dem Protest an, heißt es.

Polizisten schauen hin und wieder auch im Camp vorbei – demnächst sollen es mehr werden
© Christoph Soeder

Auch Brandenburgs Innenminister bleibt nicht untätig: Um weitere Angriffe auf die Fabrik zu verhindern, will Stübgen die Polizeipräsenz vor Ort erhöhen. Er erhofft sich dabei auch „bisher uninteressierte, gewaltbereite“ Menschen abzuschrecken, die sich nun motiviert fühlten, nach Brandenburg zu kommen. „Lassen Sie es bleiben, es lohnt sich nicht“, bekräftigte er.

Quellen: Tesla stoppen„, Senatskanzlei Berlin, Nabu Berlin-Brandenburg, mit Material von DPA

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