Australische Künstlerin: Molly Lewis konnte schon in der Grundschule gut pfeifen – heute macht sie damit Karriere

Die Australierin Molly Lewis kann virtuos pfeifen und zwitschern. Sogar Hollywood lauscht verzückt.

Der Mann im Anzug ist irritiert. Im Wohnzimmer liegt eine Blondine im schwarzen Abendkleid auf der Chaiselongue und pfeift ihm verführerisch entgegen. Eine Melodie, so beschwingt, dass selbst Ennio Morricone aufhorchen würde. Zur Beruhigung braucht der Mann erst mal einen Espresso.

Die Frau heißt Molly Lewis. Nicht nur im Video zu ihrer aktuellen Single „Lounge Lizard“ macht sie die Leute nervös und neugierig. Ihr Talent, mit gespitzter Schnute zu fiepen, zu zwitschern und zu tirilieren, hat die Australierin derweil so ausgebildet, dass sie in den USA zum Star geworden ist – damit ist explizit nicht der Singvogel gemeint.

Nun ist ihr erstes eigenes Album da, treffend betitelt mit „On the Lips“, und schon beim ersten Hören wird deutlich, dass Lewis mit ihrer Kunstfertigkeit Neuland beschreitet, Grenzen einreißt zwischen Stimme und Instrument. Ihre Arrangements vermengen Lounge-Jazz mit Italowestern, im Hintergrund gurgeln Orgel und Saxofon, während ihre Mundbläserei an die klagenden Klänge eines Theremins erinnert oder eine singende Säge. Ihre Stücke klingen nach Samt und Schlafzimmer, nach Bars mit plüschroten Sitzgelegenheiten, in denen Männer noch Hüte tragen und in denen Frauen am Martiniglas nippen. Als wäre das nicht schon genug der Nostalgie, covert sie zwei Evergreens: „Porque te vas“ von 1974 und „The Crying Game“ von 1964.

STERN PAID Kreativität 14.47

Aufgenommen wurde ihr Debüt in Pasadena, vom einstigen Produzenten von Amy Winehouse. Hilfe bekam sie von einem brasilianischen Gitarristen, einem Jazz-Pianisten und einer Soul-Gruppe.

Karriereplan B: Als Meeresbiologin arbeiten

So viel Retro hätte Lewis gar nicht nötig, ist sie doch beteiligt an einem der größten aktuellen Kino-Abräumer. Im Abspann von „Barbie“ zwitschert Lewis ihre Version des gerade mit einem Oscar gewürdigten Hits von Billie Eilish: „What Was I Made For“. Vorher gab sie ihre Lippenbekenntnisse bereits ab für Modehäuser wie Hermès, Gucci und Chanel, trat live auf mit Karen O und Weyes Blood und landete im Studio an der Seite von Dr. Dre und Cat Power. Hollywood hat ihr inzwischen einen Namen verpasst, der zu einer Superheldin passen würde: „The Whistler.“

Geboren wurde Lewis in Sydney; sie lebte zwischenzeitlich in Berlin, zog dann dauerhaft um nach Los Angeles. Mit der Pfeiferei hat sie angeblich bereits in der Grundschule begonnen, auch weil zwischen ihren Zähnen genug kleine Lücken waren. Ihr Vater Mark hat einen Emmy gewonnen und Dokumentarfilme gedreht über Tiere sowie über Nischenphänomene wie Synchronschwimmen und die Weltmeisterschaft der Friseure.

Molly Lewis Album Cover „On the Lips“
© PR

Als er seiner Tochter 2012 einen Film vorführte über andere leidenschaftliche Pfeifer, nahm sie an ihrem ersten Wettbewerb teil. Danach hielt sie sich jahrelang mit Liveauftritten über Wasser, verteilte zu Werbezwecken einen Lippenbalsam mit ihrem Namen. Ohne L. A. wäre ihre Karriere als Luftikus nie passiert, sagt sie heute: „Weil diese Stadt das Schräge und das Wunderbare kultiviert“.

Sollte ihr Talent irgendwann nicht mehr angesagt sein: Lewis träumt immer noch davon, als Meeresbiologin zu arbeiten. Kann man eigentlich auch beim Gerätetauchen pfeifen, wurde sie kürzlich bei einem Auftritt in einer Musikschule für Kinder gefragt. „Das würde ich gerne mal ausprobieren“, antwortete sie mit einem Lächeln.

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