Schlechte Stimmung: Wie Politiker und Unternehmer Deutschlands Aufschwung zerreden

Mit dem ständigen Gerede über „Murks“ und den „komfortablen Wohlstandsschlaf“ drücken Politiker und Unternehmer nicht nur die Stimmung bei uns, sondern schaden auch dem Bild von Deutschland im Ausland.

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Das Wachstum der deutschen Wirtschaft bewegt sich in diesem Jahr wahrscheinlich an der Null-Linie. Und wenn es böse kommt, dann im nächsten Jahr auch noch. Einige Branchen (aber durchaus nicht alle) tun sich sehr schwer. Vor allem der Export schwächelt, der uns früher häufig aus der Krise geholfen hat. Es gibt viele objektive Probleme, aber auch einige subjektive Gründe für die jetzige Gemengelage. 

Es fehlt schlicht an Zukunftsoptimismus, ohne den keine Wirtschaft funktionieren kann. Nur die Börse versprüht ihn noch, wie die Entwicklung des Dax 40 zeigt. Aber nicht die Bevölkerung. Und auch nicht die Wirtschaft selbst.

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Früher las und hörte man in Deutschland oft das Bonmot von Ludwig Erhard, fünfzig Prozent der Wirtschaft seien Psychologie. In letzter Zeit eher selten. Vielleicht ist der Spruch zu abgegriffen. Wer kennt in der jungen Generation überhaut noch den „Architekten des Wirtschaftswunders“? Und doch passt das Bonmot heute eigentlich gut.

Eine merkwürdige Koalition aus Politikern und Unternehmern redet die Lage noch schlechter als sie ohnehin ist. Man redet ständig über Probleme und viel zu selten über Lösungen. Die Regierungskoalition liegt im Dauerstreit mit sich selbst. Deshalb klagen die Grünen über die FDP, die Freien Demokraten über die Grünen – und die Sozialdemokraten über beide Partner. Und weil es nun einmal die wichtigste Aufgabe der Opposition ist, stets die Regierung zu kritisieren, klagt natürlich auch sie. In der Bevölkerung muss sich so der Eindruck verfestigen, in Deutschland gehe alles den Bach herunter. Was in Wahrheit nicht der Fall ist.

Wirtschaftslage: Schriller Nörgelton von Unternehmern und Verbänden

Aber auch viele Unternehmer und ihre Verbände schlagen einen dauernden schrillen Nörgelton an. Das gilt vor allem für die deutsche Chemieindustrie, die sich oft im Ton vergreift und alle Schuld auf alle anderen abschiebt, um von ihren eigenen Fehlentscheidungen abzulenken. 

Mit dem ständigen Gerede über „Murks“ und den „komfortablen Wohlstandsschlaf“ in der Bundesrepublik drücken die Granden der Branche nicht nur die Stimmung bei uns, sondern schaden auch dem Bild des Landes im Ausland. Dabei leidet das deutsche Image ohnehin unter Problemen, die man uns früher nicht zugeschrieben hatte. Man denke nur an die ständigen Streiks bei der Lufthansa und bei der Bahn und die ständig verstopften Autobahnen. Die Verkehrslage in Deutschland gilt mittlerweile im Ausland als eindeutiger Risikofaktor für Direktinvestitionen. Früher bewunderte man uns für pünktliche Verbindungen und das hohe Tempo auf den Schnellstraßen.

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Die psychologische Landschaft ähnelt ein wenig der in den frühen Nullerjahren, als eine ähnliche allgemeine Verdrossenheit herrschte. Selbst die damaligen Metaphern kehren zurück, zum Beispiel das Bild von der „roten Laterne“. Damals litt das Land an der Erschöpfung nach 16 Jahren Helmut Kohl und dem Reformstau, der sich trotz aller seiner Verdienste um die Wiedervereinigung über das ganze Land wie Mehltau gelegt hatte. 

Das rot-gelb-grüne Regierungsbündnis hat unter Olaf Scholz das Kunststück fertiggebracht, in gerade einmal zwei Jahren einen ähnlichen Schleier über Deutschland zu legen.

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