Entscheidung in England: Pubertätsblocker – was sind das für Medikamente?

In England sollen Pubertätsblocker nur noch bei klinischen Studien ausgegeben werden.Nunfragen sich viele: Was sind das überhaupt für Medikamente, wie wirken sie und droht nun auch in Deutschland das Aus? 

Was sind Pubertätsblocker?

Die Medikamente, um die es in dieser Diskussion geht, gehören zur Gruppe der sogenannten GnRH-Analoga. Damit sind synthetisch hergestellte Substanzen gemeint, die dem Hormon GnRH ähneln, das ab der Pubertät die Ausschüttung der Geschlechtshormone anregt. Diese Mittel blockieren im Gehirn die Bindungsstellen des körpereigenen GnRH und verhindern damit am Ende, dass in den Hoden das männliche Hormon Testosteron oder in den Eierstöcken Östrogen produziert wird. Die Pubertät wird aufgehalten, Stimmbruch und Bartwuchs bleiben aus oder eben das Wachstum der weiblichen Brüste. 

Warum werden die Medikamente eingesetzt? 

Ursprünglich wurden Pubertätsblocker vor allem Kindern verordnet, deren Pubertät viel zu früh begann. Seit mehr als zwei Jahrzehnten können Ärzte mit diesen Mittel jedoch auch außerhalb der Zulassung (off-label) Jugendliche behandeln, die darunter leiden, sich im falschen Geschlecht zu fühlen. Mediziner sprechen dann auch von Gender-Dysphorie. Viele Trans-Menschen verspüren einen großen inneren Konflikt, wenn sie merken, dass sie sich nicht stimmig fühlen mit dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde, weil sie eine Vagina oder einen Penis haben. Einige werden schwer depressiv, ekeln sich vor ihrem Körper oder wollen im schlimmsten Fall nicht mehr weiterleben. 

Die Mittel sollen den jungen Menschen Zeit verschaffen, in der sie sich dafür entscheiden können, ob sie ihre körperlichen Geschlechtsmerkmale verändern wollen. Beschließen die Jugendlichen, ihr körperliches Geschlecht komplett oder in Teilen anzugleichen, kann man in einem zweiten Schritt mit der gezielten Gabe von Östrogen oder Testosteron einen Brustansatz wachsen lassen oder Barthaare. Und schließlich können auch die Genitalien verändert werden.

Durch den anfänglichen Produktionsstopp der Sexualhormone sorgen die Mittel jedoch auch dafür, dass zum Beispiel eine Trans-Frau nicht ihr Leben lang stigmatisiert wird, weil ihr in der Pubertät breite Schultern gewachsen sind. Denn das ist etwas, das sich nicht wieder rückgängig machen lässt. Ob Jugendliche von den Mitteln profitieren, entscheiden Medizinerinnen und Mediziner individuell. Neben einer psychologischen Einschätzung ist dafür eine sorgfältige Untersuchung notwendig.England Pubertätsblocker

Wie viele junge Menschen nehmen diese Mittel ein? 

Genaue Daten gibt es dazu in Deutschland nicht. Klar ist zwar, dass die Zahlen steigen, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau: In den USA etwa hat sich die Zahl der Jugendlichen, die eine Pubertätsblocker-Therapie begannen, zwischen 2017 und 2021 von 633 auf 1390 erhöht. Und in England sollen derzeit zwar mehr als vor einigen Jahren, aber eben nur etwa 100 junge Menschen Pubertätsblocker einnehmen.    

Sind die Wirkungen reversibel? 

Grundsätzlich ja. Brechen Jugendliche die Blockerbehandlung ab, durchlaufen sie die jeweils männliche oder weibliche Pubertät wie gehabt. Ob die zeitliche Verzögerung langfristig – etwa beim Wachstum oder bei der psychosozialen Gesundheit – einen Unterschied macht, ist dagegen nicht gut untersucht. 

Warum hat der britische Gesundheitsdienst die Verschreibung von Pubertätsblockern ausgesetzt? 

Pubertätsblocker sollen laut dem britischen Gesundheitsdienst NHS vorerst nur noch im Rahmen von klinischen Studien verschrieben werden. Die Begründung: Die Evidenz in puncto Sicherheit und klinische Wirksamkeit fehle. Eine unabhängige Untersuchung der Angebote für Gender-Identität des Gesundheitsdiensts hatte einen Mangel an Daten und Erkenntnissen über die langfristigen Auswirkungen der Medikamente festgestellt. Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) kam in einem Review zu dem Fazit, dass bedeutsame positive Effekte der Therapien rar seien und ein Einfluss auf die Genderdysphorie und die Lebensqualität nicht erkennbar. Auch in anderen Ländern wie etwa Schweden hatte man sich zuvor schon kritisch mit der dünnen Datenlage auseinandergesetzt und zu mehr Vorsicht bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen gedrängt. Zur Abwägung der Experten gehören auch Nebenwirkungen der Mittel wie Stimmungsschwankungen, Wachstumsverlangsamung und eine Verzögerung der Knochenreifung. Und da sich viele Geschlechtshormontherapien auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, ist eine engmaschige Kontrolle empfohlen. 

Was bedeutet die Entscheidung für Deutschland? 

Erst einmal nicht viel, glaubt Georg Romer, Direktor der Klinik für Kinder– und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Münster. In einer Stellungnahme für das Deutsche Ärzteblatt schreibt er: „Für unsere Best Practice liefert die aktuelle Positionierung des NHS England, die auch in der britischen Fachwelt umstritten ist, keinen bedeutsamen Erkenntnisgewinn.“ Die dort bis heute angewandten Behandlungsprinzipien würden erheblich von der international etablierten Vorgehensweise abweichen. Zusammen mit 26 Kollegen und Kolleginnen hat Romer in den vergangenen Monaten an einer neuen Leitlinie zur Behandlung von Trans-Jugendlichen gearbeitet. Sie soll Ärztinnen und Ärzten in Zukunft mehr Sicherheit bei der Behandlung der Jugendlichen geben. Wie genau die Empfehlung zu Pubertätsblockern darin ausfallen wird, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, da die Leitlinie nun in eine Kommentierungsphase für Fachgesellschaften geht. 

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